Ukraine versinkt im Kriegs-Horror, wir feiern Weihnacht Dürfen wir das trotz all des Leids?

Ukraine versinkt im Kriegs-Horror, wir feiern Weihnacht: Dürfen wir das trotz all des Leids?
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Ulrich Breulmann

Dürfen wir in diesem Jahr eigentlich Weihnachten feiern?

In der Ukraine, gerade mal gut 1.300 Kilometer von uns entfernt, herrscht ein fürchterlicher Krieg. Abertausende Tote, für den Rest des Lebens verstümmelte und traumatisierte Menschen. Hunderttausende, die um ihre Väter und Söhne, ihre Mütter und Töchter trauern. Millionen, die all ihr Hab und Gut, ihre ganze Zukunft verloren haben, die auf der Flucht sind, deren Heimat ein einziges minenverseuchtes Trümmerfeld ist.

Ein zerstörtes, in eine dunkle Vergangenheit zurückgebombtes Land. Ein Land, in dem ungezählte Menschen in Todesangst in klammen Kellern hocken, ohne Heizung, ohne Licht. Ein Land, in dem viele nicht wissen, was sie heute ihren Kindern zu essen geben sollen. Ein unvorstellbar schreckliches Szenario vor unserer Haustür. Und wir wollen Weihnachten feiern wie immer?

Dazu drei Gedanken:

Ein Weihnachten ohne Krieg gibt es seit 2000 Jahren nicht

1. Wenn wir in die vergangenen 2.000 Jahre zurückschauen, gab es noch kein einziges Jahr, in dem nicht irgendwo auf der Erde Menschen gegeneinander Krieg führten, sich niedermetzelten und für irgendeinen Irrsinn ihr Leben ließen. Auch jetzt wird nicht nur in der Ukraine Krieg geführt, sondern auch in vielen anderen Ländern der Welt, etwa in Syrien, im Sudan oder in Äthiopien.

Die Ukraine berührt uns nur deshalb besonders, weil das Leid der Menschen besonders nahe an uns herangerückt ist und die Folgen (Flüchtlinge, Energiekrise, Inflation) unser eigenes Leben bedrohen.

Wenn eine kriegsfreie Welt die Voraussetzung wäre, um aufrichtig und mit reinem Gewissen Weihnachten feiern zu dürfen, gäbe es das Weihnachtsfest nicht. Der zentrale Wunsch der Engel auf dem Feld von Bethlehem lautet: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.“ Wann, wenn nicht in Zeiten wie dieser wäre dieser Wunsch angemessener?

Das Klischee- und Kitsch-Weihnachten hat nichts mit Weihnachten zu tun

2. Das verkitschte, in eine weiße Winterwunderwelt verhüllte Klischee-Weihnachten, das uns aus Weihnachtsmärkten und rührseligen Fernsehfilmen entgegenflimmert, hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Ursprung des Weihnachtsfestes zu tun.

Weihnachten erinnert, das muss man sich ab und an vergegenwärtigen, an die Geburt Jesu vor 2.000 Jahren. Diese Geburt, so hat es der Evangelist Lukas aufgeschrieben, erfolgte unter widrigsten Umständen. Josef und die hochschwangere Maria mussten aus Nazareth nach Bethlehem laufen, um – übersetzt in die heutige Zeit – ihre Personalien beim dortigen Finanzamt abzugeben.

Kaum in Bethlehem angekommen, hat Maria Wehen. „Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“, heißt es weiter in der Bibel, nüchtern, sachlich, ohne Kitsch und Trara.

Eine Geburt, irgendwo im Nirgendwo. Kein Dach über dem Kopf, keine Hebamme vor Ort und nur ein Futtertrog statt einer Wiege fürs Baby. Wahrscheinlich können die Menschen in der Ukraine besser verstehen als wir in unseren hell erleuchteten und warmen Wohnzimmern, wie sich diese Geburt für Maria und Josef angefühlt haben muss.

Unsere Gewissheiten und Sicherheiten sind ins Wanken geraten

3. Ja, durch Preisexplosion und Energiekrise und die noch immer nicht ausgestandene Corona-Pandemie sind auch unsere Gewissheiten und Sicherheiten ins Wanken geraten. Viele von uns müssen sparen, können sich nicht mehr so viel leisten wie in anderen Jahren.

Das ist sicherlich nicht einfach, aber auch eine Chance. Wenn sich die Berge von Geschenken nicht mehr ganz so hoch auftürmen, haben wir vielleicht wieder einen etwas freieren Blick auf das, was in unserem Leben wirklich wichtig ist und zählt. Und das sind ganz gewiss andere Dinge als in Papier gewickelte Geschenke.

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