
Seit dem 20. Januar denke ich: Schlimmer kann‘s nicht werden. Die Sonne geht unter, die Sonne geht auf und es wird schlimmer. Nie konnte ich mir vorstellen, mit welcher Brutalität Donald Trump die Grundpfeiler all dessen, was den Westen zusammengehalten hat, zertrümmert. Was wird jetzt aus uns?
Trump ist egozentrisch, machtbesessen, rücksichtslos, verlogen, geldgierig, bösartig und vieles mehr. Dumm aber ist er nicht. Er bricht bewusst jedes Tabu. Das ist extrem gefährlich. Beispiele gefällig?
In der Charta der Vereinten Nationen bekennen sich auch die USA zur Unverletzlichkeit der Grenzen. Und Trump? Kaum im Amt, will er Grönland, Kanada und Panama der USA einverleiben, den Gaza-Streifen zur „Riviera des Nahen Ostens“ machen, die Palästinenser vertreiben.
Dass so ein Präsident den Überfall Russlands auf die Ukraine nicht verurteilt, ist folgerichtig: Russland hat getan, was Trump offensichtlich für akzeptabel hält. Also dreht er die Wahrheit um: Nicht Russland hat die Ukraine überfallen, schuldig ist die Ukraine.
Trump besteht auf seinem „Friedens-Plan“: Russland siegt, darf die Ukraine kontrollieren, die USA angeln sich Bodenschätze. EU und die Ukraine selbst nicken den erpressten Diktat-Frieden ab, zahlen und halten sich ansonsten raus. Ach ja, Sicherheitsgarantien, damit Russland die Ukraine nicht erneut überfällt? Unnötig, sagt Trump. Man müsse Putin vertrauen.
Muss man? Da kann man auch zu hungrigen Löwen ins Gehege steigen. Naiver geht’s nicht.
Und wenn die Ukraine und Europa bei dieser Erpressung nicht mitspielen, demütigt der verurteilte Straftäter im Weißen Haus Ukraines Präsidenten Selenskyj vor laufenden Kameras, friert alle Hilfen ein und überlässt die Ukraine ihrem Schicksal. Das ist barbarisch.
„Alle Grenzen des Rechts und Anstands sprengendes Verhalten“
Die Angriffe von Trump und Vance auch auf unsere Demokratie passen in dieses Schema. Seit Jahren kritisiert Trump zu niedrige Verteidigungsausgaben der EU. Da ist was dran. Wenn er aber behauptet, die USA habe die Ukraine stärker unterstützt als Europa, ist das glatt gelogen: Zählt man alles zusammen, hat die EU der Ukraine mehr geholfen als die USA.
Dann der Vorwurf, in Deutschland herrsche keine Meinungsfreiheit. Absurd. Richtig ist: In Europa ist auch das Internet kein rechtsfreier Raum. Es gibt Grenzen, wenn es um Kinderpornografie, Waffen, Drogen, Hetze, Wahlmanipulationen und anderes geht. Und das ist gut so.
Aber solche Grenzen durchkreuzen die Wirtschaftsinteressen der US-Social-Media-Riesen wie Meta und X. Trump macht sich zum Lakai der Milliardärs-Elite um Elon Musk. Ist die nicht längst mächtiger als Trump selbst? Dass ausgerechnet Trump uns mangelnde Meinungsfreiheit vorwirft, ist bizarr. Trump, der die Nachrichtenagentur AP aussperrt, weil sie Golf von Mexiko schreibt? Der Behörden nötigt, Kritiker zu verfolgen? Sein alle Grenzen des Rechts und Anstands sprengendes Verhalten macht sprachlos.
Wehklagen nutzt nichts. Wir müssen uns schütteln und einsehen: Unser Ex-Freund bedroht uns. Europa und Deutschland sind Trump egal, sobald er einen „Deal“ wittert, bei dem die Kasse stimmt. Putin kommt vor Lachen nicht in den Schlaf. Die USA haben die Seiten gewechselt. Wenn wir nicht zwischen Amerika und Russland zerrieben werden wollen, muss Europa sich sofort radikal umkrempeln und in Eintracht handeln.
„Die EU zu lange als lukrativer, aber lästiger Verteilungsclub betrachtet“
Zu lange haben zu viele die EU als einen wirtschaftlich lukrativen, aber im Übrigen lästigen Verteilungsclub für Subventionen betrachtet. Das ist vorbei, auch wenn das noch nicht jeder glauben mag.
Mir kommt es vor, als handle man irrational, wie im Angesichts eines Tsunamis. Die EU-Staaten streiten sich so lange, ob sie ihre Häuser mit gelben oder roten Brettern vernageln, bis der Tsunami sie überrollt. Und in Deutschland treffen CDU, CSU und SPD zwar erste Absprachen zu neuen Schulden für Verteidigung und Infrastruktur, aber eine stabile Regierung steht noch lange nicht. Dabei ist der Trump-Tsunami längst unterwegs.
Wenn die Länder Europas jetzt nicht nationale Eitelkeiten hinten anstellen, reißt die „Abrissbirne“ Trump unsere freiheitliche Gesellschaft in den Abgrund. Und ganz ehrlich: Wenn Ungarn sich querstellt, dann soll sich Ungarn doch in Putins Arme werfen und der Rest Europa ein eigenes, geschlossenes Verteidigungsbündnis schmieden. Es bleibt keine Zeit, einen verstockten Viktor Orbán zur Vernunft zu bringen.
In dieser dramatischen Lage müssen CDU/ CSU und SPD sich sofort im Turbo-Tempo (warum erst Ostern?) sortieren, Eitelkeiten zurückstellen, Kompromisse schließen und energisch gegenüber Trump und Putin klarstellen: Europa lässt sich nicht zum Erfüllungsgehilfen Trumps oder Putins degradieren.
Das ist jetzt die wichtigste Aufgabe. Deutschland muss mit Frankreich und Großbritannien (ja, auch den Brexit-Briten) zur Spitze eines in Einheit handelnden Europas werden. Versau’s nicht, Europa. Es ist deine einzige Chance!