Friedrich Gratzki (75) sitzt auf dem Sofa, vor sich den Tropf mit der Flüssignahrung, die durch eine Sonde in seinen Magen läuft. Der ehemalige Bergmann hat 40 Jahre als Hauer auf Schlägel & Eisen malocht.
Jetzt ist er schwer krank. „Das Herz und die Lunge sind kaputt“, sagt er und ringt nach Luft. Ein Sauerstoffgerät hilft ihm beim Atmen.
„Ich hab doch nur noch eine Niere“
Der alte Mann sitzt auf einem Heizkissen. Er erklärt: „Ich hab doch nur noch eine Niere, auf die muss ich aufpassen.“ In der Wohnung an der Straße Am Knie auf dem Paschenberg in Herten, die er seit 52 Jahren mit seiner Ehefrau Angelika (72) bewohnt, ist es bitterkalt. Seit über zwei Wochen ist die Heizung nun schon außer Betrieb. Ihre Vermieterin, die Wohnungsgesellschaft LEG, lässt die Senioren frieren.
Seit dem 1. Dezember ist die Heizung aus und die Temperatur in der kleinen 60-Quadratmeter-Wohnung liegt bei 17 bis 18 Grad. Je kälter es draußen wird, desto frostiger wird es drinnen. Friedrich Gratzki erzählt, dass er bei der Störungsstelle der LEG angerufen und um Reparatur gebeten habe. „Tatsächlich kam dann auch ein Monteur“, sagt er. Der habe festgestellt, dass das Warmwassergerät im Bad funktioniert, der Wandthermostat, mit dem die Heizung geregelt wird, jedoch kaputt sei. „Eine Kleinigkeit. Er wollte es melden, damit das Teil ausgetauscht wird“, so der Mieter.
Zur Sicherheit habe er selbst seit dem 2. Dezember jeden Tag bei der LEG angerufen und um Reparatur ersucht. „Mal hieß es, wir kämen auf die Notfallliste, mal sollte angeblich in spätestens 24 Stunden jemand kommen – alles nur Blah Blah.“ Zuletzt habe er am 12. Dezember eindringlich um Hilfe gebeten – ohne Erfolg. In seiner Not wandte sich der treue Leser unserer Zeitung ratsuchend an die Redaktion.
Pflegedienst kommt schon lange nicht mehr
Bei unserem Besuch sitzen die frierenden alten Leute zwischen Bergen von Hausrat, Büchern, Medikamenten und allem möglichen Zeug. Alles ist zugepackt, sogar die Badewanne. „Wir wissen selbst, dass das hier eine Messi-Wohnung ist“, sagt Friedrich Gratzki verschämt. „Hier muss dringend entrümpelt werden.“ Er schaffe jedoch aufgrund seiner Erkrankungen leider gar nichts mehr. Ehefrau Angelika, wie er Diabetikerin und herzkrank, plage eine fortschreitende Demenz, die auch ihr das Putzen und Aufräumen unmöglich mache.
Der 75-Jährige hat nach einem langen Krankenhausaufenthalt Pflegestufe 1. „Eine Zeitlang kam der AWO-Pflegedienst wegen der Sonde und einem Dekubitus, den ich aus dem Krankenhaus hatte“, berichtet er. Doch nun seien die Zwei auf sich allein gestellt.

Einsamkeit zwischen Bergen von Unrat
Die Gratzkis fristen ein trauriges Dasein. Kinder haben sie keine. Nur die Nachbarin schaut ab und zu vorbei und bringt dann und wann etwas zu essen. Ihr Auto haben sie abgeschafft, zum Einkauf geht es nun unter großer Anstrengung mit dem Taxi.
Auch Angelika Gratzkis kleines Plätzchen auf dem Sofa ist von Gerümpel umgeben. Früher hat sie als Frisörin gearbeitet. Trotz all ihrer Handicaps besitzt sie keine Pflegestufe. Beim Messen des Blutzuckers und der Insulingabe unterstützt sie ihr Ehemann, der selbst auch Diabetiker ist. Die demente Frau lächelt scheu. Traurig sagt sie: „Wir sind hier die ganze Zeit allein.“
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