Tipps von Jennifer Angersbach Streiten Paare um Geld, geht’s auch um Wertschätzung und Macht

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Von der Frage, wer die Rechnung beim ersten Date zahlt, über das Aufsetzen eines Ehevertrags bis schlimmstenfalls zur Scheidung und Unterhaltszahlungen: Neben Untreue kann wohl kaum etwas so belastend für eine Beziehung werden wie Streit ums Geld. „Der beste Tipp ist, darüber zu reden“, sagt Paartherapeutin Jennifer Angersbach aus Unna. Dabei gehe es in vielen Fällen gar nicht nur um den Wert des Geldes an sich, sondern auch um Macht und Wertschätzung.

Wenden sich viele Paare an Sie, bei denen es Streit oder andere Probleme beim Umgang mit Geld gibt? Und wenn ja, was sind die häufigsten?

Das ist in der Regel nicht der Hauptgrund für das Anliegen und dennoch spielt Geld oft eine größere Rolle, als viele Paare glauben. Ihnen ist anfangs kaum bewusst, dass Sie über Geld – auch in Form von Wertschätzung und Macht – streiten.

Geld ist noch immer ein Tabuthema und schambehaftet. Das erschwert transparente und offene Kommunikation; in der Paartherapie wird es gerne ausgeklammert.

Bei Paaren mit Kindern geht es häufig um die Absicherung der Frau, die weniger oder kaum einer „Lohnarbeit“ nachgeht. Unabhängig vom gemeinsamen Konto oder Haushaltsgeld, was ebenfalls zu Konflikten führen kann, geht es innerhalb der Krise auch um existenzielle Nöte: Geringe Rente, kaum Erspartes, usw. Geld ist häufig ein klassisch männlich konnotiertes Machtmittel, während bei Frauen eher die Kinder (oder auch Sexualität) als Machtmittel identifiziert werden können.

Aber auch Paare ohne Kinder haben Schwierigkeiten Konsens zu finden, sei es bei Geschenken, Urlauben, oder auch bei Anschaffungen für eine gemeinsame Wohnung. Ein Paar um die 80 war auch mal bei mir. Hier ging es eher um ein Erbe und die Absicherung – ohne Trauschein – falls einer stirbt.

Jennifer Angersbach ist Paartherapeutin und Lebensberaterin aus Unna.
Jennifer Angersbach ist Paartherapeutin und Lebensberaterin aus Unna. Sie beantwortet für die Leserinnen und Leser von Hellweger Anzeiger und Ruhr Nachrichten regelmäßig Fragen rund um die Liebe. © Montage Verena de Azevedo

Wie kann man den Druck aus „Finanzthemen“ nehmen, und dafür sorgen, dass es nicht unangenehm wird?

Es wird unangenehm, so oder so, das einmal in Kauf zu nehmen. Und sich darüber bewusst zu sein, nimmt den Druck raus. Es muss nämlich nicht dauerhaft unangenehm bleiben, wenn ein Paar klar darüber kommuniziert: Was bedeutet Geld für dich? Wie wichtig ist dir finanzielle Absicherung? Lebst du eher sparsam, oder kaufst du dir gerne was, wenn das Geld da ist?

Aber auch ganz pragmatisch sollten Paare ein ungefähres Limit für Geschenke festlegen, die Finanzen offen legen und bei Urlauben/Anschaffungen eine Lösung finden, die auf beide machbar und gerecht wirkt.

Wenn jemand weniger verdient als der/die andere, dann kämen gewisse Urlaube oder auch Möbel für beispielsweise die Frau finanziell nie infrage, für beispielsweise den Mann schon. Hier dann die Kosten durch zwei zu teilen, ist zu kurz gedacht und geht mit Scham oder auch dem Gefühl der Unter- oder Überlegenheit einher.

Bei Familien wird das nochmal komplexer. Die meisten Aktivitäten erlebt man gemeinsam und viele Kosten verursachen die Kinder. Wer dennoch an getrennten Finanzen festhalten möchte, sollte sich die Mühe machen, alles einmal aufzuschlüsseln (Steuervorteil, Rentenversicherung, Lohnarbeit vs. Carearbeit…) und dann eine Lösung finden und Geld als das sehen, was es ist: Eine Form der Wertschätzung. Gerade Frauen wollen unabhängig bleiben oder schämen sich als Hausfrau und Mutter. Hier kann es hilfreich sein, sich über den eigenen Bezug zu Geld im Klaren zu sein.

Haben Sie Tipps, beziehungsweise kann man Paaren überhaupt einheitlich etwas beim Umgang mit dem eigenen und/oder gemeinsamen Geld empfehlen?

Einheitliche Empfehlungen sind grundsätzlich nicht so meins und gerade beim Thema Finanzen extrem schwer. Bei diesem Thema alle Sorgen, Ängste, Wünsche und Befindlichkeiten zu berücksichtigen, ist kaum möglich. Denn unabhängig vom finanziellen Status geht es weniger um Wohlstand, sondern immer auch um Sicherheit, Wertschätzung, Augenhöhe und Gerechtigkeit. Sich als Paar oder Familie grundsätzlich damit zu beschäftigen kann vor größeren oder auch tiefergehenden Verletzungen und Konflikten schützen und für „wunde Punkte“ sensibilisieren.