Tierschutz-Skandal bei Prott Wende bei Ermittlungen gegen Amtsveterinäre des Kreises Unna

Tierschutz-Skandal bei Prott: Ermittlungen gegen Amtsveterinäre dauern an
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Die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen Amtsveterinäre des Kreises Unna dauern an. Auslöser für das Tätigwerden der Anklagebehörde ist eine Strafanzeige, die der Soko Tierschutz e.V. im Zuge des Tierschutzskandals bei dem Schlachtbetrieb Prott in Selm im April 2021 erstattet hat.

Die bundesweit tätige Tierschutzorganisation aus München hatte nach eigenen verdeckten Recherchen am 18. März 2021 zunächst Strafanzeige gegen das Unternehmen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz erstattet.

Strafanzeige gegen Amtsveterinäre

Rund drei Wochen später, am 7. April, ließ der Verein aus München eine Anzeige gegen namentlich nicht benannte „Amtsveterinäre im Sachgebiet Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung des Kreises Unna“ folgen, die für die Kontrolle des Selmer Betriebs zuständig waren.

Die Rechtsanwaltskanzlei Röttgen, Kluge und Hund aus Berlin begründete im Namen von Soko-Tierschutz-Vorstandsmitglied Friedrich Mülln die Strafanzeige in einem weiteren Schriftsatz vom 12. April in großer Ausführlichkeit.

Friedrich Mülln vom Soko Tierschutz e.V.
Friedrich Mülln vom Soko Tierschutz e.V. hat maßgeblich zu einer strafrechtlichen Verfolgung von Bediensteten des Schlachtbetriebs Prott in Selm sowie von Amtsveterinären des Kreises Unna beigetragen. © Jörg Heckenkamp (A)

Gemeinsamer Hintergrund der Verfahren ist das illegale Schächten von Schlachttieren ohne Betäubung in dem Betrieb in Selm. Mitglieder des Soko Tierschutz e.V. hatten über einen längeren Zeitraum verdeckt in dem Betrieb gefilmt und damit den Anstoß für das Verfahren gegeben. Mittlerweile ist vor wenigen Monaten ein erstinstanzliches Urteil gegen drei frühere Beschäftigte der Firma Prott ergangen.

Ein ehemaliger Mitarbeiter war wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer dreijährigen Haftstrafe, zwei Aushilfen zu je zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden.

Illegales Schächten ohne Betäubung

In dem Schlachthof in Selm sollen in einem Zeitraum von rund drei Wochen 188 Schafe und Rinder illegal geschächtet worden sein – und das auf eine brutale Art und Weise. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, weil die Angeklagten Berufung einlegten. Ein Termin für das Berufungsverfahren steht noch nicht fest.

Die Anwälte stützten sich bei ihrem Vorwurf gegen die Amtsveterinäre ebenfalls auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. So seien die Tierärzte und „alle anderen in Betracht kommenden Personen“, wie es in dem Schriftsatz heißt, wider besseres Wissen nicht gegen das Schächten von unbetäubten Rindern und Schafen bei dem Schlacht- und Fleischzentrum Prott eingeschritten.

Das Tierschutzgesetz ahndet mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe, wenn einem Wirbeltier „aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zugefügt werden. Aus Sicht der Rechtsanwälte haben die Amtsveterinäre von dem Schächten, ohne dass hierfür eine Ausnahmegenehmigung vorgelegen habe, bereits seit 2002 gewusst. Als Amtsveterinäre sei es aber ihre Pflicht gewesen, einzuschreiten. Insofern hätten sie sich wegen Unterlassung strafbar gemacht.

Urteil gegen Beschäftigte von Prott

Wie die Staatsanwaltschaft Dortmund auf Nachfrage mitteilt, ziehen sich die Ermittlungen gegen die Amtsveterinäre hin. Zunächst hätten die Haupttatvorwürfe gegen die Beschäftigten von Prott aufgeklärt werden müssen. Das Urteil gegen die Mitarbeiter war am Amtsgericht Lünen am 15. September 2023 ergangen.

Der komplexe Sachverhalt, so Pressestaatsanwalt Tobias Wendt, habe inzwischen aber andere Tatvorwürfe ergeben. So ermittle die Anklagebehörde mittlerweile wegen des Verdachts der Falschbeurkundung im Amt gegen die Tierärzte.

Tor zum Firmengelände des Schlachtbetriebes Prott in Selm
Das in der Schlachterei Prott aufgenommene Videomaterial ist im Vorfeld des Prozesses gegen die beschuldigten Mitarbeiter von der Staatsanwaltschaft gesichtet worden. © Archiv/Marie Rademacher

Es werde geprüft, ob die Beschuldigten Gefälligkeitsgutachten verfasst haben und über Abrechnungen von Leistungen getäuscht haben, die sie in Wirklichkeit nicht erbracht haben. Nach Darstellung der Berliner Rechtsanwaltskanzlei bestand die dienstliche Aufgabe der Amtsveterinäre u.a. darin, im Fall ihnen bekannt werdender Verstöße gegen das Tierschutzrecht einzuschreiten.

Im strafrechtlichen Sinne seien sie Beschützergaranten für die Tiere gewesen und hätten sich wegen ihres Nichteinschreitens des Unterlassens schuldig gemacht. Denn nach Überzeugung des Soko Tierschutz e.V. hatten die Tierärzte positive Kenntnis von den illegalen Schächtungen ohne Ausnahmegenehmigung und vor allem ohne vorherige Betäubung der Rinder und Schafe.

Veterinäramt nicht direkt betroffen

Bei den Ermittlungen stünden aktuell aber weniger Verstöße gegen das Tierschutzgesetz im Vordergrund als die genannten Betrugsvorwürfe, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Die Dortmunder Behörde betont zudem, dass es sich bei den Amtsveterinären nicht um Bedienstete des Kreises handele.

Vielmehr sei den grundsätzlich privat tätigen Tierärzten eine hoheitliche Aufgabe übertragen worden; man spricht insofern von Beliehenen ähnlich wie bei den Mitarbeitern des TÜV. „Es ist also falsch zu sagen, dass sich die Ermittlungen gegen das Veterinäramt richten“, so Staatsanwalt Wendt.

Landrat Mario Löhr hatte sich bereits im April 2021 dagegen verwahrt, dass Veterinäre des Kreises Unna pauschal beschimpft würden. Der Kreis Unna konnte bei einer Anfrage am Freitagmittag nicht sagen, ob die beschuldigten Tierärzte noch Aufgaben des Kreisveterinäramtes übernehmen.

Das Rind hängt kopfüber in der Schlachthalle.
Das Rind hängt kopfüber in der Schlachthalle. Eigentlich müsste es längst betäubt sein. Das Bild ist mit versteckter Kamera im Frühjahr 2021 aufgenommen worden. © Soko Tierschutz (Archiv)