Thyssenkrupp-Demo in Duisburg Heil fordert Stahl-Konzepte vom Management

Thyssenkrupp-Beschäftige kündigen massiven Widerstand an: Protest am Dienstag geplant
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Update, 30.4., 13.34 Uhr: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat das Management von Thyssenkrupp im Namen der Bundesregierung aufgefordert, Konzepte für die Stahlsparte vorzulegen. Diese müssten Perspektiven für alle Standorte enthalten, auch für den Duisburger Stahlhersteller HKM, sagte Heil am Dienstag in Duisburg bei einer Protestkundgebung vor Tausenden Beschäftigten aus der Stahlindustrie.

Der Betriebsrat der Stahlsparte und die IG Metall protestierten bei der Veranstaltung gegen das Vorgehen des Managements beim jüngst verkündeten Deal mit dem neuen Miteigentümer EPCG. Sie warfen dem Konzernvorstand um Vorstandschef Miguel López vor, die Arbeitnehmerseite im Vorfeld der Vereinbarung über den Verkauf eines Stahlsparten-Anteils übergangen zu haben. Thyssenkrupp weist die Vorwürfe zurück.

„Dies ist die Stunde der Sozialpartnerschaft und auch der Montanmitbestimmung“, sagte Heil. Niemand könne und dürfe über die Köpfe der Beschäftigten hinweg entscheiden. „Das geht nie gut. Wir sind eine soziale Marktwirtschaft, deshalb gibt es Lösungen nur mit Sozial- und Betriebspartnerschaften und mit Mitbestimmung“, sagte Heil weiter.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht bei einer Protest-Kundgebung von Beschäftigten der Thyssenkrupp-Stahlsparte. Die Stahlarbeiter wollen gegen das Vorgehen des Managements beim Deal mit dem neuen Miteigentümer EPCG demonstrieren. Aufgerufen haben der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall. Es werden mehr als 10.000 Teilnehmende erwartet.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht bei einer Protest-Kundgebung von Beschäftigten der Thyssenkrupp-Stahlsparte. Die Stahlarbeiter wollen gegen das Vorgehen des Managements beim Deal mit dem neuen Miteigentümer EPCG demonstrieren. Aufgerufen haben der Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall. Es werden mehr als 10.000 Teilnehmende erwartet. © picture alliance/dpa

Zum Einstieg der EPCG-Holding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky sagte Heil, dass niemand etwas gegen Investitionen aus dem Ausland habe, wenn es um langfristiges Interesse am Stahl gehe und nicht nur um kurzfristige Profite. „Aber dafür muss Vertrauen geschaffen werden. Wenn Investoren hier antreten, dann müssen sie ihre Interessenlagen klar benennen und müssen auch an den Konzepten mitwirken.“

Der Vorsitzendes des Gesamtbetriebsrats der Thyssenkrupp Stahlsparte, Tekin Nasikkol, wiederholte die „roten Linien“, die bei den anstehenden Verhandlungen über einen Kapazitätsabbau in Duisburg nicht überschritten werden dürften. Die bestehenden Tarifverträge müssten Bestand haben. Betriebsbedingte Kündigungen müssten ausgeschlossen sein. Außerdem bräuchten alle Standorte eine Standortgarantie. Schließlich dürfe es keinen Stopp bei Investitionen „in die grüne Zukunft“ geben. Zum geplanten EPCG-Einstieg sagte er: „Gegen Milliardäre haben wir nichts, solange er Geld in den Stahl investiert, aber das muss er uns erst noch beweisen.“

Bei der Kundgebung sprachen auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die ihren Wahlkreis in Duisburg hat, sowie Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zu den Beschäftigten.

Demonstration in Essen am 23. Mai geplant

Update, 30.04., 13.30 Uhr: Der Vorsitzendes des Gesamtbetriebsrats der Thyssenkrupp Stahlsparte, Tekin Nasikkol, kündigte für den 23. Mai eine Demonstration in Essen an. Dann wolle man López zeigen, „wo der Stahlhammer hängt“. In Essen sitzt die Thyssenkrupp-Konzernzentrale. Für den 23. Mai ist die nächste Aufsichtsratssitzung der AG angesetzt. Beobachter gehen davon aus, dass das Gremium dann über den Einstieg von EPCG entscheiden wird.

Existenzsorgen: Von der Leyen will Dumping bekämpfen

Update, 20.4., 11.38 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wirbt angesichts der Existenzsorgen von Stahlarbeitern in Nordrhein-Westfalen für ein stärkeres Vorgehen gegen Billigimporte aus Ländern wie China. „Wir müssen mehr tun, um zu verhindern, dass europäische Unternehmen durch unfaires Dumping aus dem Markt gedrängt werden, und wir müssen gegen durch massive Subventionen getriebene Überkapazitäten auf dem Weltmarkt angehen“, sagte sie am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Sie unterstütze die Idee einer Zukunftsstrategie zur Sicherung von wettbewerbsfähigem, sauberem Stahl für strategische Branchen in Europa. „Die Stahlproduktion ist ein unverzichtbarer Sektor für Europa. Sauberer Stahl ist die Zukunft, er muss und wird seinen Platz in Europa haben“, argumentierte sie.

Arbeitnehmervertreter verschärfen Ton deutlich

Mit großer Schärfe haben Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp Steel auf die Ankündigung des Mutterkonzerns vom Freitag reagiert, der Holding EPCG einen 20-Prozent-Anteil zu verkaufen. Die Nachricht habe eingeschlagen wie eine Bombe, hieß es in einem veröffentlichten Flugblatt der IG Metall. „Das ist ein Skandal, denn Vorstandschef Miguel López und Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm haben die Mitbestimmung einmal mehr umschifft und uns somit bewusst vor den Kopf gestoßen.“

Der Steel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol wird mit den Worten zitiert: „Wir werden von diesen Herren kein Stück weit mehr informiert, als das Gesetz es vorsieht. Dies ist für einen traditionell mitbestimmten Konzern wie den unseren mehr als eine Provokation. Es ist eine kalkulierte Kampfansage.“

Der Bezirksleiter der IG Metall NRW, Knut Giesler, kündigte „massiven Widerstand“ der Gewerkschaft an. In der Stahlsparte des Thyssenkrupp-Konzerns arbeiten rund 27.000 Menschen, davon 13.000 in Duisburg. Fast alle Standorte liegen in Nordrhein-Westfalen.

Dienstag Protest-Kundgebung statt Belegschaftsversammlung

Gesamtbetriebsrat und IG Metall hätten daher entschieden, eine für Dienstag angesetzte Belegschaftsversammlung abzusagen und stattdessen zur Teilnahme an einer öffentlichen Protest-Kundgebung vor der Steel-Hauptverwaltung in Duisburg aufzurufen, teilte der Betriebsrat mit. Sie soll unter dem Motto „Zukunft statt Kündigung“ stehen. „Die 27.000 Beschäftigten im Stahl werden ihren Protest lautstark zum Ausdruck bringen und um eine gute Zukunft für den Stahl kämpfen“, so der Betriebsrat weiter.

Zur Teilnahme aufgerufen sind auch die Beschäftigten des Stahlhersteller HKM in Duisburg, an dem die Thyssenkrupp-Stahlsparte zu 50 Prozent beteiligt ist. HKM beschäftigt rund 3000 Menschen. Zu der zunächst geplanten Belegschaftsversammlung in einem Stadion waren rund 10.000 Beschäftigte erwartet worden

Wüst zu Thyssenkrupp: „Stahl hat auch in Nordrhein-Westfalen eine Zukunft“

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat vom Thyssenkrupp-Vorstand eine Einbindung der Arbeitnehmer bei der Zukunftsstrategie für die Stahlsparte gefordert. „Ich erwarte, dass die Unternehmensführung einen Zukunftsplan aufstellt, der sich an der erfolgreichen Tradition unseres Landes orientiert: Einbindung der Mitbestimmung, enges Miteinander zwischen den Sozialpartnern“, sagte Wüst der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag).

Wüst sagte: „Stahl wird weltweit gebraucht - und Stahl hat auch in Nordrhein-Westfalen eine Zukunft.“ Diese Zukunft könne vor allem gelingen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Weg gemeinsam gingen. „Ich gehe davon aus, dass die Führung von Thyssenkrupp das bei den anstehenden Aufgaben berücksichtigt. Dies ist unser klarer Anspruch.

Laumann: Landesregierung stehe an Seite der Arbeitnehmer

Auch Nordrhein-Westfalens Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat das Management des Industriekonzerns Thyssenkrupp aufgefordert, die Sozialpartnerschaft zu achten. „Es gibt wenige Unternehmen in Deutschland, die so stark mitbestimmt sind wie Thyssenkrupp und bei denen die Sozialpartnerschaft eine so große Tradition hat“, erklärte Laumann am Dienstag vor einer Protestkundgebung von Thyssenkrupp-Stahlarbeitern in Duisburg auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Diese Tradition habe das Unternehmen stark gemacht und durch Krisen getragen.

„Ich erwarte, dass sich die Unternehmensführung ihrer Verantwortung bewusst ist, die sie für unser Land und die Menschen im Ruhrgebiet trägt. Und dass sie die sozialpartnerschaftliche Tradition nicht mit Füßen tritt, sondern die Belegschaft miteinbezieht, damit klar ist: Hier in Duisburg geht es weiter mit einer Strategie zur Zukunft des nordrhein-westfälischen Stahls.“ Die Landesregierung stehe an der Seite der Stahlarbeiterinnen und Stahlarbeiter und kämpfe mit ihnen für die Zukunft des Stahls in Nordrhein-Westfalen, versprach er.

Laumann will am Vormittag auch bei der Kundgebung zu den Beschäftigten sprechen. Die Landesregierung habe Thyssenkrupp zusammen mit dem Bund eine Förderung von rund zwei Milliarden Euro zukommen lassen, erklärte Laumann weiter. Die bis zu 700 Millionen Euro von NRW seien die größte Einzelförderung in der Geschichte des Bundeslandes. „Das haben wir getan, um die Transformation in der Stahlindustrie zu unterstützen und den Stahl grün und zukunftssicher zu machen.“

Man habe das Geld auch deshalb in die Hand genommen, „damit die Beschäftigten in der Stahlindustrie, den Zulieferindustrien und weiterverarbeitenden Betrieben hier eine Zukunft haben und nicht, um Konten von Investoren zu füllen“, so Laumann weiter. Duisburg sei das Herz der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie. Von dort gehe Stahl in alle Welt und das müsse auch in Zukunft so bleiben. „Nur mit einer starken Stahlindustrie kann Nordrhein-Westfalen das wichtige Industrieland bleiben, das es ist“, sagte Laumann.

Abbau bei Thyssenkrupp Steel

Thyssenkrupp Steel hatte vor kurzem einen deutlichen Abbau von Stahlerzeugungskapazitäten am Standort Duisburg angekündigt, der auch zu einem weiteren Stellenabbau führen wird. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Bei der ursprünglich geplanten Belegschaftsversammlung sollte es um diese Pläne gehen.

Am Freitag hatte Thyssenkrupp dann mitgeteilt, dass die Stahlsparte ein Energieunternehmen zunächst als 20-Prozent-Miteigentümer bekommt: die Holding EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky. Ziel ist die Bildung eines selbstständigen Gemeinschaftsunternehmens, an dem beide Partner je 50 Prozent halten. Arbeitnehmervertreter kritisieren, dass sie erst kurz vor Veröffentlichung davon erfahren hätten. Sie forderten die Einhaltung von Tarifverträgen, die betriebsbedingte Kündigungen bis Ende März 2026 ausschließen.

dpa/seh

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