Teure Krankenkassen, unsinnige Leistungen Gesundheitskosten kann jeder sparen

Teure Krankenkassen, unsinnige Leistungen: Gesundheitskosten kann jeder sparen
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Ulrich Breulmann

Ich fühle mich der Krankenkasse ausgeliefert. Zum 1. Januar ist die Krankenversicherung für die meisten von uns wieder teurer geworden. Was lässt sich dagegen tun?

Der gesetzliche Beitragssatz von 14,6 Prozent blieb zwar stabil, aber die meisten gesetzlichen Krankenkassen haben den Zusatzbeitrag deutlich erhöht. 2015 betrug der Zusatzbeitrag bei der TK, der größten Krankenkasse, 0,8 Prozent. Heute beträgt er 2,49 Prozent. Die Barmer, zweitgrößte Kasse, erhöhte den Zusatzbeitrag von 0,9 auf 3,29 Prozent. Und die Nummer drei, die DAK, von 0,9 auf 2,8 Prozent.

Ein Ausweg könnte der Wechsel in eine andere Kasse sein. Die preiswerteste ist zurzeit die BKK firmus (0,5 Millionen Mitglieder) mit 1,84 Prozent, die teuerste die Knappschaft (1,4 Millionen Mitglieder) mit 4,4 Prozent.

Ein Wechsel ist praktisch risikolos möglich, denn: Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ist zunächst überall gleich. Ein Blick ins Kleingedruckte empfiehlt sich dennoch, denn: Einige Leistungen, die nicht zur Pflicht gehören, erstattet die eine Kasse, die andere nicht. Da sollte jeder abwägen: Lohnt sich dieses Extra-Bonbon für mich?

Sparen beim „Igeln“, das oft mehr schadet als nutzt

Es gibt noch einen zweiten Weg, wie jeder und jede Geld sparen kann. Ich rede von den „Igeln“, den „Individuellen Gesundheitsleistungen“. Das sind medizinische Leistungen, die die Kasse nicht bezahlt, die man also selbst tragen muss.

Beliebt sind etwa zusätzliche Ultraschall-Untersuchungen der Gebärmutter und Eierstöcke, der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs und das Hautkrebsscreening außerhalb der Hautkrebsvorsorge der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ich will niemandem zu nahe treten, aber viele Ärztinnen und Ärzte empfehlen teure Extra-Leistungen unter dem Motto „Muss nicht sein, wäre aber vielleicht besser...“ Das überzeugt sehr viele Patienten. Wer knausert schon, wenn’s um die Gesundheit geht? 2023 gaben Versicherte mehr als 2,4 Milliarden Euro für diverse „Igel“ aus. Das geht aus dem „Igel-Report 2024“ hervor. Erstellt hat ihn eine Expertenorganisation der 15 Medizinischen Dienste der Kranken- und Pflegekassen der Länder.

Extra-Kosten würde ein Patient sicher ohne Murren zahlen, wenn er dann auch besser versorgt würde. Doch das Gegenteil ist zu oft der Fall. „Der Igel-Report belegt, dass in den ärztlichen Praxen in großem Umfang Leistungen verkauft werden, deren möglicher Schaden den Nutzen deutlich überwiegt“, schreiben die Herausgeber des Reports.

Konkret: Von 56 bewerteten individuellen Gesundheitsleistungen wurden 30 entweder mit „tendenziell negativ“ oder „negativ“ bewertet. Bei 23 Leistungen blieb offen, ob sie nutzen oder schaden. Das Prädikat „tendenziell positiv“ erhielten nur drei Leistungen, keine einzige bekam die Note „positiv“.

Es wird Zeit, dass Mediziner strenger verpflichtet und kontrolliert werden, neutral über Nutzen und Risiken aufzuklären. Und Patienten sei angeraten, kritisch nachzufragen und sich auch außerhalb der Arztpraxis schlau zu machen, bevor sie einem „Extra“ zustimmen.

Es gibt noch weiteres Einsparpotential. Die Kosten für medizinische Hilfsmittel – von Bandagen über Gehilfen bis zu „Vakuum-Erektionshilfen“ (kein Witz) – sind in den vergangenen 15 Jahren explodiert. 2008 gaben die Kassen dafür 5,7 Milliarden Euro aus, 2023 waren es mit 11,2 Milliarden Euro fast doppelt so viel. Wo soll das hinführen?

Warum werden Hilfsmittel, wo immer das geht, nicht nur verliehen, statt sie zu übereignen? AOK und TK antworteten, dass die Rücknahme und Wieder-Aufbereitung in vielen Fällen – etwa bei Gehhilfen – wirtschaftlich unsinnig sei, da die Kosten höher als ein Neukauf sei.

Auf einen anderen Punkt wies Jana Hegemeister vom Gesetzlichen Spitzenverband der Krankenkassen GKV hin: „Ob ein Hilfsmittel grundsätzlich wiederverwendbar ist oder nicht, entscheidet das herstellende Unternehmen ... und in Einzelfällen entscheiden es auch die Leistungserbringer wie Sanitätshäuser etc.“ Nicht zu glauben. Welches Interesse haben Hersteller und Händler, dass Hilfsmittel wiederverwendet werden, wenn das hygienisch vertretbar ist? Das sollten definitiv andere entscheiden.

Das Krasseste zum Schluss. Seit 2019 gilt in Deutschland ein „Ausschreibungsverbot für medizinische Hilfsmittel“. Den Krankenkassen ist untersagt, etwa einen über ein Jahr laufenden Liefervertrag für eine bestimmte Menge an Gehhilfen, Rollstühlen oder Bandagen auszuschreiben und den günstigsten Anbieter auszuwählen.

Wie bitte? In Deutschland müssen Behörden teils sogar die Lieferung von Klopapier ausschreiben. Hier aber sind Kosten sparende Ausschreibungen verboten? Verrückt. Die großen Krankenkassen und der GKV haben schon im Herbst 2023 ein Ende des Ausschreibungsverbots gefordert. Ohne Erfolg. Das Ergebnis sehen wir jetzt auf unseren Lohn- und Gehaltsabrechnungen. Dieser Unfug muss aufhören.