
Das Erreichen mancher Ziele ist unmöglich. Sinnfrei sind solche Ziele dennoch nicht. Ein Beispiel: 2018 hat sich die Europäische Union 2018 vorgenommen, die Zahl der Verkehrstoten in Europa bis 2030 gegenüber 2019 (damals starben 22.756 Menschen) zu halbieren. Bis 2050 solle es praktisch keine Verkehrstoten mehr geben.
Wer sich solche Ziele setzt, kann ihnen nur mit rigorosen Maßnahmen nahekommen. Deshalb sah der Entwurf für eine neue Führerscheinrichtlinie harte Einschnitte vor. So sollten sich Menschen ab 70 einer Verkehrstauglichkeitsprüfung unterziehen. Zudem sollten sie ihre Führerscheine alle fünf Jahre verlängern müssen. Das fand keine Mehrheit im EU-Parlament.
Geplant war, die Richtlinie bis Ende 2024 zu verabschieden. Jetzt haben wir 2025 und noch ist nichts passiert. Und schon gar nicht haben die Staaten die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die ursprünglich angedachten Maßnahmen sind schon jetzt stark entschärft. Große Ziele werden verkündet. Zeigt die Umsetzung, dass alles seinen Preis hat, beginnt – wie so oft – der Rückzug.
Unstrittig ist, dass die Zahl der Verkehrstoten noch immer viel zu hoch ist. 2023 starben 20.400 Menschen auf Europas Straßen. In Deutschland waren es 2024 rund 2.760 Verkehrstote. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Sicherheit auf den Straßen stark verbessert hat. Die meisten Verkehrstoten gab es bei uns 1970 mit 21.332 Toten. 1990, im Jahr nach der Wende, starben 11.046 Menschen im Verkehr. Heute also nur noch ein Viertel, aber noch immer zu viel.
Was also müsste geschehen? Italien setzt aktuell auf drakonische Strafen. Einige Beispiele: Wer mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut hat, riskiert ein Bußgeld bis zu 2.000 Euro und einen Führerscheinentzug bis zu sechs Monaten. In Deutschland beginnt das Bußgeld bei 500 Euro. Dabei starben hier 2023 allein 198 Menschen bei alkoholbedingten Unfällen.
Oder: Wer in Italien am Steuer das Handy benutzt, dem drohen bis zu 1.000 Euro Bußgeld, im Wiederholungsfall 1.400 Euro und bis zu drei Monate Führerscheinentzug. In Deutschland beträgt die Handy-Strafe 100 Euro, nur im Einzelfall kann das Bußgeld höher ausfallen.
Wer in Italien mehr als 10 Kilometer pro Stunde zu schnell unterwegs ist, muss mit einer Strafe bis zu 700 Euro rechnen. In Deutschland zahlt man außerorts bei einer Überschreitung bis 20 km/h zwischen 20 und 60 Euro, innerorts zwischen 30 und 70 Euro.
Auch in anderen Ländern sind die Bußgelder bei Verkehrsverstößen teils um ein Vielfaches höher als bei uns. Wer etwa seinen Sicherheitsgurt nicht anlegt, zahlt, wenn er ertappt wird, bei uns 30 Euro, in Holland 180, in Dänemark 200 und in Griechenland 350 Euro.
Alles in allem liegt Deutschland mit seinen Bußgeldern eher im unteren Bereich. Ob schärfere Strafen dazu führen würden, dass Menschen vorsichtiger fahren? Norwegen mit seinen scharfen Strafen hat jedenfalls die geringste Zahl von Verkehrstoten pro eine Million Einwohner. 2023 lag der Wert bei 19,9. In Deutschland waren es 34 Verkehrstote pro eine Million Einwohner.
Ob das nur an den hohen Strafandrohungen liegt? Oder vielleicht am Tempolimit von 90 bis 110 km/h auf Autobahnen und Tempo 80 auf Landstraßen? Oder liegt es an beidem?
Das wäre eine Untersuchung wert. Klar ist, dass eine Diskussion sowohl über den Bußgeldkatalog als auch über Temporegelungen angesagt wäre. Wenn sich Deutschland schon gegen Gesundheitschecks und befristete Führerscheine wehrt, sollte es wenigstens prüfen, ob die hohe Zahl von 2.800 Verkehrstoten im Jahr nicht anders gesenkt werden kann.
Übrigens: Wer im Ausland ein Knöllchen kassiert, sollte es lieber rasch begleichen, rät der ADAC. Der Grund: Strafen aus fast allen EU-Ländern können inzwischen auch in Deutschland vollstreckt werden. Dabei gibt es eine Bagatellgrenze: Strafen aus dem EU-Ausland werden erst ab 70 Euro in Deutschland verfolgt. Und: Strafen aus Nicht-EU-Ländern wie England werden in Deutschland gar nicht eingetrieben.
Wer jetzt glaubt, kleinere Knöllchen oder solche aus Nicht-EU-Ländern ignorieren zu können, dem sei gesagt: Rechtskräftige Bußgeldbescheide verjähren in einigen Ländern erst nach vielen Jahren. Da kann es passieren, dass man bei der nächsten Urlaubsreise etwa nach Italien, Spanien oder England richtige Probleme bekommt. Wissen sollte man, dass nur Behörden in Deutschland Bußgelder eintreiben dürfen, Inkassounternehmen dürfen das nicht.
Warum erzähle ich das alles? Weil es wunderbar wäre, wenn die Zahl der Verkehrstoten im noch jungen Jahr 2025 deutlich sinken würde. Das aber kann nur geschehen, wenn sich alle anstrengen. Vernünftige Autofahrer halten sich an die Regeln. Wer dagegen nicht mit der Gabe der Einsicht gesegnet ist, muss eben zu seinem Glück gezwungen werden. Alles hat seinen Preis.