Private Haushalte haben im vergangenen Jahr so viel wie niemals zuvor für Energie ausgegeben. Doch nun gibt es wieder deutlich günstigere Konditionen für Strom und Gas. Die Tarife rutschen sogar unter die Werte für die staatlich festgesetzten Preisbremsen. Wir erläutern, was Verbraucher und Verbraucherinnen jetzt beachten müssen.
Wie teuer war Energie im vorigen Jahr?
Die privaten Haushalte haben allein für Strom 2022 knapp 54 Milliarden Euro gezahlt, ein Drittel mehr als im Vorjahr, und zwar trotz eines leicht gesunkenen Stromverbrauchs und trotz des Wegfalls der EEG-Umlage. Dies geht aus Berechnungen des Verbraucherportals Check 24 hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegen. Grund für den Anstieg seien die hohen Gaspreise durch den Krieg in der Ukraine gewesen, so Steffen Suttner von Check 24. Gaskraftwerke sind essenziell für die Versorgung, da sie Schwankungen bei der Stromerzeugung der erneuerbaren Energien ausgleichen.
Wie war bislang die Entwicklung im neuen Jahr?
Das Vergleichsportal Verivox teilte auf RND-Anfrage mit, dass aktuell das „günstigste empfehlenswerte Neukundenangebot“ für elektrische Energie im Bundesdurchschnitt bei 38,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) liegt. Der reine Arbeitspreis, der Tarif für jede verbrauchte Kilowattstunde, liegt sogar bei nur 34 Cent. Was deutlich weniger ist als die staatlich garantierte Preisbremse von 40 Cent, die für 80 Prozent des Verbrauchs gilt. Mit 44,76 Cent im Schnitt liegt hingegen der Arbeitspreis des Grundversorgungstarifs deutlich höher. Das ist der Tarif, der jedem Kunden vom jeweils größten Versorger in seiner Region zur Verfügung gestellt werden muss.
Was sollen Verbraucher jetzt tun?
Aktuell lohne sich der Anbieterwechsel wieder, vor allem, wenn Strom und Gas beim örtlichen Versorger bezogen würden, erläutert Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox. Beim Gas liegen günstige Offerten derzeit mit einem Arbeitspreis von 11,4 Cent ebenfalls unter dem Deckel (12 Cent). Ähnlich wie beim Strom ist auch hier die Grundversorgung (16,72 Cent) deutlich teurer. Wobei für das Wechseln prinzipiell gilt, dass Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen zu beachten sind.
Wie verhalten sich die Verbraucher?
Die Verbraucher und Verbraucherinnen zeigen sich preisbewusst. Innerhalb weniger Wochen ist das Wechselvolumen nach den Worten einer Check-24-Sprecherin deutschlandweit deutlich gestiegen. „Im Januar war die Anzahl der Wechsel sogar auf Rekordniveau und ähnlich hoch wie im Januar 2021“, fügt sie hinzu. Seit Oktober hätten sich die günstigsten Strompreise auf ihrem Portal halbiert, und beim Gas sei der Preissturz mit etwa 60 Prozent sogar noch höher.
Was spricht gegen einen schnellen Wechsel?
Dass die Tarife noch günstiger werden. Schließlich liegen die Preise insgesamt noch erheblich über dem Niveau früherer Jahre, als es zum Beispiel Gas für 5 bis 6 Cent pro kWh gab. Deshalb empfehlen Verbraucherschützer, vorsichtig zu sein und die Preisentwicklung genau zu beobachten. Wer jetzt einen Vertrag mit der üblichen Mindestlaufzeit von zwölf oder 24 Monaten abschließt, wird sich ärgern, wenn es in einigen Monaten noch einmal deutlich billiger wird.
Für eine solche Entwicklung spricht zumindest der Trend: Im Großhandel mit Gas sind die Notierungen seit Anfang Dezember konstant gefallen, und zwar um mehr als 60 Prozent. Das hat damit zu tun, dass sich der Gasmarkt „normalisiert“. Der milde Winter hat dazu beigetragen, dass die Gasspeicher noch sehr gut gefüllt sind. Das verringert den Druck, in den nächsten Monaten auf „Teufel komm raus“ Reserven für den Winter 2023/2024 einzukaufen. Zudem verbessert sich die Versorgungslage durch die neuen Terminals für verflüssigtes Gas (LNG).
Wie sieht es bei der Elektrizität aus?
Wegen der großen Bedeutung der Gaskraftwerke hat der flüchtige Brennstoff auch Einfluss auf die Großhandelspreise an der Strombörse. Doch beim Strom sind Prognosen besonders schwierig, weil noch viel mehr Faktoren mit ins Spiel kommen. So hatten die Höchstpreise im vorigen Sommer auch damit zu tun, dass französische Atomkraftwerke abgeschaltet waren und es mit dem Nachschub für Kohlekraftwerke haperte.
Bei der Preisgestaltung für Gas und Strom kommt hinzu, dass Versorger Mischkalkulationen machen. Da spielen nicht nur langfristige Lieferverträge und kurzfristige Geschäfte eine Rolle. Hinzu kommt, dass viele Energieunternehmen im vorigen Jahr wegen verzögerter Preisanpassungen zeitweise draufzahlen mussten. Sie holen sich jetzt nachträglich das Geld bei ihren Kunden. Und nicht zuletzt hängt die Preisentwicklung auch vom Verhalten der Verbraucher ab.
Aber was geschieht, wenn die Beschaffungspreise für die Versorger doch wieder steigen?
Tatsächlich liegt hier ein Risiko. Die extrem schnellen Anstiege führten 2022 zu Insolvenzen und zur Einstellung der Belieferung von Kunden. In so einem Fall rutschen Verbraucher zunächst in die üblicherweise teure Ersatzversorgung, sie können sich dann aber „jederzeit einen neuen Anbieter suchen“, so Verivox-Experte Storck. Zudem gilt: Wenn der Versorger die Preise erhöht, hat der Kunde ein Sonderkündigungsrecht für seinen Vertrag – auch wenn die Mindestlaufzeit noch nicht erreicht ist.
Ferner gilt, von Verträgen mit Vorauszahlung in jedem Fall die Finger zu lassen. Bei der Suche auf einem Internetportal sollten die Verbraucher die Suchfilter möglichst präzise entsprechend dem eigenen Verbrauchsprofil einstellen. Natürlich ist auch wichtig, Vertragsbestimmungen genau zu prüfen – insbesondere Bonusregelungen. Und: „Wer Sorge hat, ob der neue Energieversorger auch zuverlässig ist, sollte sich die Kundenbewertungen des Anbieters im Internet anschauen“, so Storck.
RND
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