Keine Strafe für Schwarzfahrer VKU Kreis Unna sieht eine bessere Lösung für alle

Janke: Bester Schutz vor Schwarzfahrten sind günstige Ticketpreise
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In Deutschland ist das „Erschleichen von Leistungen“ seit 1935 strafbar und wird von Polizei und Justiz auf Antrag verfolgt. Jetzt gibt es erneut einen Vorstoß, das Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln zu entkriminalisieren. VKU-Geschäftsführer Mike-Sebastian Janke findet, „dass diese Diskussion am falschen Ende aufgehängt wird“.

Bundesjustizminister Marco Buschmann schickt sich wie die meisten seiner Vorgängerinnen und Vorgänger im Amt an, das Strafrecht zu modernisieren. Oft geht die Zeit wegen veränderter Moralvorstellungen in der Gesellschaft auch über Straftatbestände hinweg.

Schwarzfahren wird als Bagatelldelikt angesehen

Bis vor einigen Jahren gab es noch das Delikt der „Kindestötung“, wonach Mütter grundsätzlich milder bestraft wurden, die ihr nicht eheliches Kind in oder gleich nach der Geburt töteten – man zollte einem als Schande angesehenen Umstand im Strafrecht Tribut.

Und seit wenigen Jahren wird der Mordparagraph diskutiert, den man in seiner gültigen Fassung für zu unbestimmt hält. Formuliert worden ist er 1941; diese Zeitumstände werden als zusätzliches Argument für seine Reform genannt.

VKU-Geschäftsführer Mike-Sebastian Janke
VKU-Geschäftsführer Mike-Sebastian Janke hält ein verlässliches und preiswertes Ticket für den besten Schutz gegen Schwarzfahren. © Archiv/Udo Hannes

Ein Kapitalverbrechen ist das Schwarzfahren beileibe nicht, eher spricht man von einem Bagatelldelikt, weil in einzelnen Fällen gerade mal ein Schaden von wenigen Euro entstanden sein kann. Wissenschaftler fordern daher, die Strafbarkeit abzuschaffen, weil durch das Busfahren ohne Ticket vor allem mittellose Menschen zu Straftätern würden.

NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hat vor wenigen Tagen in einem Interview mit WDR 5 gar gefordert, künftig das Schwarzfahren weder als Straftat noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.

Die Strafverfolgungsbehörden seien nicht dafür da, private Forderungen einzutreiben. Auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens sei es nicht üblich, dass „der Staat privates Unrecht verfolgt“, so Limbach.

Polizei verfolgt nur angezeigte Schwarzfahrten

Polizeisprecher Bernd Pentrop bestätigt, dass es „Fallzahlen“ im Kreis Unna nur daher gebe, weil etwa VKU oder Deutsche Bahn Fahrscheine kontrollierten und Schwarzfahrten bei der Polizei anzeigten. Kontrollierende Polizeibeamte gibt es jedenfalls nicht. Die Polizei hat ganz andere Schwerpunkte wie zunehmende Kriminalität mit Messern.

Wenig überraschend ist, dass die Aufklärungsquote im Kreis Unna Jahr für Jahr annähernd einhundert Prozent beträgt, wie auch die jüngste Kriminalstatistik für 2023 wieder belegt. Zu den 236 angezeigten Fällen im vergangenen Jahr konnten 228 Tatverdächtige von der Polizei ermittelt werden – 96,6 Prozent.

Das liegt natürlich daran, dass Kontrolleure die Personalien der erwischten Ticketsünder aufnehmen. „Es sei denn, es geht mal jemand flöten, weil er aus dem Bus rennt“, macht es Bernd Pentrop plastisch. Zum Delikt zählen daneben auch das Erschleichen von Leistungen aus Automaten oder des Zutritts zu einer Veranstaltung; diese Tatvarianten sind in den genannten Zahlen nicht enthalten.

Befassen muss sich mit allen Strafanzeigen die Staatsanwaltschaft. Wird die Sache wegen Geringfügigkeit nicht eingestellt und kommt es zur Anklage, wird ein Verfahren vor dem Strafrichter daraus. Weil die Angeklagten oft arbeitslos sind, können Geldstrafen oft nicht aufgebracht werden – dann kommt es zur Ersatzfreiheitsstrafe und zumindest Wiederholungstäter landen mit den Gefängnissen bei einer weiteren Instanz.

Wirtschaftlicher Schaden für VKU erheblich

Verkehrsunternehmen wie die VKU, also die Geschädigten der Schwarzfahrten, haben von diesem ganzen Prozess in der Regel wenig. Mike-Sebastian Janke hält es prinzipiell für richtig, dass der Staat auch die Beförderungserschleichung ahndet. Der schreite ja auch sonst ein, wenn private Interessen verletzt sind, „wenn Ihnen zum Beispiel jemand eine Eintrittskarte für ein Taylor-Swift-Konzert klaut.“

Der Geschäftsführer der VKU lässt keinen Zweifel: „Der wirtschaftliche Schaden ist nicht unerheblich.“ Nicht nur die Kosten für die nicht gelösten Tickets müsse die VKU zum größten Teil abschreiben. Das gelte auch für das „erhöhte Beförderungsentgelt“, das bis zu 60 Euro betragen kann.

„Man greift meistens in leere Taschen“, bestätigt Janke den Befund, dass Menschen überwiegend aus Geldnot keinen Fahrschein kaufen. Daher sehe er die aktuelle Debatte auch vom falschen Ende her geführt.

Günstiges Deutschlandticket als Lösung?

Denn der beste Schutz gegen Schwarzfahrten sei wohl ein verlässlich preiswertes Ticket. Leider gebe es trotz des Deutschland-Tickets immer noch keinen dauerhaft günstigen Fahrausweis. Die Finanzierung für die kommenden Jahre sei ja nicht gesichert. Ein höherer Preis je nach Kassenlage von Bund und Ländern sei durchaus möglich. „Je teurer es wird, umso mehr verliert es seinen Charme“, befürchtet Janke.

Dabei könnte mit diesem Modell vielen Bevölkerungsgruppen unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit der Zugang zum ÖPNV erleichtert werden. „Dann müssten wir uns vielleicht über solche Dinge nicht unterhalten“, spekuliert Janke auf eine Abnahme bei den Schwarzfahrten.

Natürlich sei auch die VKU in der Pflicht, die illegale Nutzung ihrer Busse zu kontrollieren. Angesichts der Masse an Fahrten und Fahrgästen könnten Kontrolleure aber eben nur Stichproben machen.

Zugangssperren zu den Bussteigen wie etwa Schranken vor U-Bahn-Stationen in manchen Großstädten lassen sich praktisch nicht umsetzen. Und den Busfahrern, so Mike-Sebastian Janke, falle kaum jeder Schwarzfahrer auf, weil sie vorn genug zu tun hätten mit Ticketverkäufen oder Fahrplanauskünften.