
© Marcel Drawe
Stadtwerke-Tochter trennt sich nach Abrechnungsfirma-Pleite von 12000 Strom- und Gaskunden
Lekker Energie statt Kleiner Racker
Der „Kleine Racker“, eine in Kamen ansässige Billigtochter von acht Stadtwerken, ist auf die Nase gefallen. Weil ein Abrechnungsdienstleister pleite ging, verabschiedet sich der Anbieter von 12.000 Strom- und Gaskunden.
Der Stadtwerke-Energieverbund (SEV), der hinter der Marke „Kleiner Racker“ steht, verabschiedet sich unter turbulenten Umständen aus seinem Geschäft mit Strom- und Gaskunden bundesweit. Zum Jahreswechsel erreichte Geschäftsführer Jochen Grewe die Hiobsbotschaft, dass der beauftragte Abrechnungsdienstleister Insolvenz angemeldet hat. Damit wackelte plötzlich die wichtigste Säule des Geschäftsbetriebs, denn der „Kleine Racker“ selbst verfügt als schlank strukturierte Internetmarke außer über einen Geschäftsführer nur noch über zwei weitere Mitarbeiter. Fast alle Tätigkeiten sind ausgelagert.
Das Unternehmen
Kleiner Racker
„Kleiner Racker“ ist eine Strom- und Erdgas-Vertriebsmarke der Stadtwerke Energie Verbund SEV GmbH (kurz: SEV), die im Haus der Gemeinschaftsstadtwerke Kamen-Bönen-Bergkamen (GSW) an der Poststraße in Kamen ansässig ist. Hinter dem Verbund stehen außer den GSW noch die Stadtwerke Fröndenberg, Hamm, Ahlen, Wickede (Ruhr), Haltern am See, Herten und Emmerich. Der „Kleine Racker“ hat sich seit dem Start des Online-Vertriebs in seinen ersten Lebensjahren durch ein zu schnelles Wachstum einige blaue Flecken geholt, entwickelte sich aber insgesamt zufriedenstellend. Zwischenzeitlich musste er von den Müttern mit einem Millionen-Darlehen durchgefüttert werden, warf aber zuletzt Gewinn von einer halben Million Euro ab. Der Umsatz belief sich laut Geschäftsbericht 2017 auf 15,9 Millionen Euro - bei 10.229 belieferten Strom- und 6381 Erdgaskunden. Zum Vergleich: Die GSW haben 21 000 Gaskunden und 64 000 Stromkunden.
Der Segen wurde zum Fluch
Kleiner Racker
„Kleiner Racker“ ist eine Strom- und Erdgas-Vertriebsmarke der Stadtwerke Energie Verbund SEV GmbH (kurz: SEV), die im Haus der Gemeinschaftsstadtwerke Kamen-Bönen-Bergkamen (GSW) an der Poststraße in Kamen ansässig ist. Hinter dem Verbund stehen außer den GSW noch die Stadtwerke Fröndenberg, Hamm, Ahlen, Wickede (Ruhr), Haltern am See, Herten und Emmerich. Der „Kleine Racker“ hat sich seit dem Start des Online-Vertriebs in seinen ersten Lebensjahren durch ein zu schnelles Wachstum einige blaue Flecken geholt, entwickelte sich aber insgesamt zufriedenstellend. Zwischenzeitlich musste er von den Müttern mit einem Millionen-Darlehen durchgefüttert werden, warf aber zuletzt Gewinn von einer halben Million Euro ab. Der Umsatz belief sich laut Geschäftsbericht 2017 auf 15,9 Millionen Euro - bei 10.229 belieferten Strom- und 6381 Erdgaskunden. Zum Vergleich: Die GSW haben 21 000 Gaskunden und 64 000 Stromkunden. Was sich in den neun Jahren seit dem Start des kommunalen Internet-Energieanbieters als Kostenvorteil erwies, wurde nun zum Riesennachteil. Durch die Pleite des wichtigsten Partners, der Abrechnungsdaten erhebt und Zahlungen abwickelt, drohte plötzlich ein Schreckenszenario platzender Abrechnungen und ein schwerer Imageschaden für den Stadtwerke-Energieverbund.
Krisengespräche zwischen Grewe und den Chefs der acht Stadtwerke aus dem Verbund führten zu der gemeinsamen Entscheidung, dass „wir in der kurzen Zeit nicht in der Lage sind, die Risiken abzuwenden“, erläutert Grewe. Der Ausweg ist eine Art Notverkauf des gesamten Kundenstamms an einen seriösen, verlässlichen und erfahrenen Käufer. „Es macht mehr Sinn, wenn unsere Kunden bei einem großen Energieversorger mit unterkommen und dann zu den bestehenden Konditionen dort weiter versorgt werden können“, erklärt Grewe.

Der SEV-Geschäftsführer Jochen Grewe erfuhr zum Jahreswechsel, dass der beauftragte Abrechnungsdienstleister Insolvenz angemeldet hat. © Stefan Milk
Lekker Energie übernimmt den Kleinen Racker
Kurz vor dem Monatswechsel bekamen die Kunden des „Kleinen Rackers“ überraschende Post. „Als Kunde der Stadtwerke Energie Verbund dürfen wir Sie Tag für Tag mit Energie beliefern“, heißt es dort in einer blumigen Einleitung. „Um unseren Service zukünftig noch weiter zu verbessern, freuen wir uns, Lekker Energie als starken Partner an unserer Seite zu wissen.“ Auf dem Briefkopf prangt schon das Logo des Käufers.
„Lekker Energie“ ist eine hundertprozentige Tochter der Stadtwerke Krefeld und beliefert bundesweit nach eigenen Angaben 340.000 Haushaltskunden mit Strom und Gas. Die in Berlin ansässige Lekker Energie GmbH übernimmt alle rund 12.000 Strom- und Gaskunden der in Kamen angesiedelten Stadtwerke Energie Verbund GmbH, die jetzt nackt ohne einen einzigen eigenen Kunden zurückbleibt. „Ab dem 15.3.2019 wird Lekker Energie Ihren Vertrag übernehmen und Sie zuverlässig beliefern. Für Sie ändert sich nichts“, erfuhren die Kunden.
So läuft der Anbieterwechsel
Jeder Verbraucher kann seinen Strom- und Gaslieferanten frei wählen. Darauf weist die Verbraucherzentrale in einem Ratgeber hin. Die Experten empfehlen vor einem Wechsel, die Preise zu vergleichen. Dabei helfen Tarifrechner im Internet, wie zum Beispiel Verivox. Im zweiten Schritt empfiehlt es sich, die Vertragsbedingungen zu vergleichen. „Je kürzer die Vertragsbindung, umso flexibler bleiben Sie“, so die Verbraucherzentrale. Empfehlenswert seien Vertragslaufzeiten von nicht mehr als einem Jahr sowie kurze Folgelaufzeiten, damit man relativ schnell auf aktuelle Preisentwicklungen reagieren und eventuell zu einem neuen Anbieter wechseln könne. Die Kündigungsfrist sollte nicht mehr als einen Monat betragen. Wer einen neuen Anbieter ausgewählt hat, schickt das ausgefüllte Vertragsformular samt Vollmacht zur Kündigung des Altvertrags an den neuen Strom- bzw. Gasanbieter zurück oder schließt den Vertrag direkt online. Die Vertragslaufzeiten des Altvertrags sind zu beachten. Bei Preiserhöhungen - oder wie im Fall des Verkaufs wie beim Kleinen Racker - greift ein Sonderkündigungsrecht.
Aus dem Elternhaus ausgezogen
Bernd Heitmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Fröndenberg, spricht für die acht Gesellschafter des Stadtwerke-Energieverbunds und kommentiert die Bruchlandung der gemeinsamen Online-Vertriebsplattform mit den Worten: „Der Kleine Racker ist aus dem Elternhaus ausgezogen und bei einer anderen Familie untergekommen.“
Wie viel Geld Lekker für den Kleinen Racker hinblätterte, wurde bislang nicht bekannt gegeben. Die Vertragspartner haben Stillschweigen über die Kaufsumme vereinbart. Der Kleine Racker schrieb zuletzt schwarze Zahlen und entwickelte sich trotz Rückschlägen zufriedenstellend. Ein Schaden für den Stadtwerke-Energieverbund und seine acht Gesellschafter sei nicht entstanden. „Das Geld, was wir reingesteckt haben, haben wir zurückverdient“, sagte Bernd Heitmann als Vorsitzender der Gesellschafterversammlung.
Sonderkündigungsrecht bis 15. März
Auch für die Kunden soll der Wechsel zu Lekker Energie unschädlich sein - sämtliche Vertragskondiditionen und -laufzeiten bleiben bestehen. „Uns war das Interesse der Kunden wichtig“, sagt Jochen Baudrexl, Chef der Gemeinschaftsstadtwerke Kamen-Bönen-Bergkamen (GSW), ebenfalls Verbundpartner. Für Kunden, die den automatischen Wechsel nicht mitmachen wollen, bleiben nur wenige Tage. Am 15. März endet die Frist zur Sonderkündigung.
Jahrgang 1973, aufgewachsen im Sauerland, wohnt in Holzwickede. Als Redakteur seit 2010 rund ums Kamener Kreuz unterwegs, seit 2001 beim Hellweger Anzeiger. Ab 1994 Journalistik- und Politik-Studium in Dortmund mit Auslandsstation in Tours/Frankreich und Volontariat bei den Ruhr Nachrichten in Dortmund, Lünen, Selm und Witten. Recherchiert gern investigativ, zum Beispiel beim Thema Schrottimmobilien. Lieblingssatz: Der beste Schutz für die liberale Demokratie ist die Pressefreiheit.
