Sonnebergs Landrat muss in den Demokratiecheck Kritik von Verfassungsrechtler

Sonnebergs Landrat muss in den Demokratiecheck : Kritik von Verfassungsrechtler
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Als im Kreis Sonneberg das Ergebnis der Landratswahl feststand, feierte die AfD Robert Sesselmann als ersten Landrat in der Geschichte der Partei. Doch möglicherweise kam die Freude zu früh: Denn Sesselmann muss zum Demokratiecheck. Thüringens Innenstaatssekretärin Katharina Schenk kündigte am Dienstag an, dass von Amts wegen geprüft werde, ob der AfD-Politiker sich zur demokratischen Grundordnung bekennt.

Grund für die Überprüfung ist das Thüringer Kommunalwahlgesetz. Dort steht geschrieben, dass nicht gewählt werden kann, „wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt“. Einfach gesagt: Wer für ein kommunales Amt gewählt werden will, muss sich zur Demokratie bekennen. Weil der Landrat ein Wahlbeamter ist, muss er außerdem die „persönliche Eignung für eine Berufung in ein Beamtenverhältnis“ mitbringen.

„Wer sich aufstellen lässt, muss immer bestimmte formelle Voraussetzungen erfüllen“, erklärt Michael Brenner, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Jena. Dazu gehöre zum Beispiel eine Mindestzahl an Unterstützungsunterschriften. „In Thüringen hat man es zur weiteren Voraussetzung gemacht, dass die kommunalen Wahlbeamten auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müssen. Damit will man verhindern, dass wie 1933 Verfassungsfeinde auf legalem Wege in ein Amt kommen können.“

Unklar, was vor Wahl überprüft wurde

Der Thüringer AfD-Landesverband gilt laut Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“. Ist das schon ein Hinweis darauf, dass die im Gesetz genannten Bedingungen von Sesselmann nicht erfüllt werden? Vor der Wahl hätten sich der zuständige Wahlausschuss und dessen Wahlleiter Andreas Höfner diese Frage wohl stellen müssen. Denn sie waren zuständig für die Überprüfung der Wahlvorschläge und müssen das Thüringer Wahlgesetz und die Kommunalwahlordnung einhalten.

„Bei einer Nähe zu den rechten Strömungen der Partei und als Mitglied des Thüringer AfD-Landesverbandes hätte man bei einer Prüfung wahrscheinlich zum Schluss kommen müssen, dass Sesselmann nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht“, glaubt Jurist Brenner. Wäre der Politiker deshalb nicht zur Wahl zugelassen worden, wäre der Fall wahrscheinlich vor Gericht gelandet – mit offenem Ausgang.

Ob es eine Überprüfung gab, beantwortete das Landratsamt am Dienstag auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) nicht. Medienberichten zufolge hat der Wahlleiter alle formellen Bedingungen für eine Kandidatur Sesselmanns als erfüllt gesehen. Was konkret dafür geprüft wurde, ist unklar. Auch das Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde der gesamten Kommunalverwaltung in Thüringen reagierte nicht auf eine RND-Anfrage.

„Sesselmann aus dem Amt zu entfernen wird schwierig“

„Die Prüfung nach der Wahl kommt zu spät“, sagt Brenner. „Sesselmann ist gewählt. Ihn aus dem Amt zu entfernen wird rechtlich sehr schwierig.“ Der Jurist kritisiert: „Die Rede von einem ‚Demokratiecheck‘ ist zunächst nur ein politisches Zauberwort. Es dürfte sehr fraglich sein, ob sich für diese nachträgliche Prüfung eine rechtliche Entsprechung im Gesetz finden lässt.“

Ein Angriffspunkt könnte aber die Doppelrolle des Landrats sein: „Dieses Amt ist janusköpfig. Zum einen ist der Landrat der Repräsentant des Landkreises als Gebietskörperschaft. Zum anderen steht er aber auch an der Spitze einer staatlichen Behörde, dem Landratsamt. Und insbesondere der zweite Aspekt könnte vor Gericht von grundlegender Bedeutung sein“, vermutet Brenner.

Hätte das SPD-geführte Thüringer Innenministerium Erfolg, wäre das Amt des Landrats zunächst unbesetzt. „Dass ein Stellvertreter einspringt – wie zum Beispiel beim Tod eines Landrats – wäre in diesem Fall auf Dauer wohl nicht möglich“, glaubt Brenner. Die Wahl müsse dann wiederholt werden – ohne Sesselmann und die AfD.

Bis dahin könnte Sesselmann wahrscheinlich sein Amt als Landrat ausüben. Weil sein Vorgänger bereits im Ruhestand ist, kann der AfD-Politiker mit der Arbeit beginnen, sobald das Wahlergebnis amtlich ist – voraussichtlich im Juli – und er die Wahl angenommen hat.

RND

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