Wer an Weihnachten Single ist, sieht sich oftmals mit bohrenden Fragen der Familienmitglieder konfrontiert oder wird (unfreiwillig) in eine Opferrolle gesteckt. Dass Single-Sein gerade zur Weihnachtszeit seine Vorteile haben und man auch ohne Partnerin oder Partner ein tolles Fest feiern kann, erzählt Marina Völkel (32), Leiterin der Ehe-Familien-Lebensberatung (EFL) auf der Kemnastraße 7 in Recklinghausen, im Interview.
Ist es etwas „Schlimmes“ an Weihnachten Single zu sein?
Da müsste es ein Umdenken geben, dass das etwas Schlimmes ist, Single zu sein. Gerade an Weihnachten kann es auch als Paar ziemlich anstrengend sein. Man muss Kompromisse eingehen, schauen, wann man bei welcher Familie ist. Oder mit der Erwartungshaltung umgehen, sich eigentlich nichts zu schenken, und dann enttäuscht zu sein, wenn wirklich nichts da ist. Paar-Sein ist auch nicht so leicht, aber es wird immer idealisiert.
Als Single guckt man immer auf die „glücklichen“ Paare und auf die Vorteile am Paar-Sein und vergleicht sich. Dabei sind das zwei so unterschiedliche Situationen, die man gar nicht miteinander vergleichen kann – und auch das Single-Dasein hat Vorteile.
Die da wären?
Man kann in der Weihnachtszeit bewusst auf seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse eingehen. Das geht in einer Partnerschaft nicht immer. Ich kann mir mein Lieblingsessen zubereiten, mir Zeit für Kultur nehmen und ins Theater oder Kino gehen. Einfach darauf achten, die Weihnachtszeit für Dinge zu nutzen, die mir persönlich guttun.
Also ist das Thema vielleicht auch eine Frage der Perspektive?
Ja, das hat viel mit Einstellungen zu tun. Ich kann sagen, das Single-Sein ist scheiße und Weihnachten ist scheiße. Ich kann aber auch gucken, was das Ganze für Vorteile hat und für mich das Beste daraus machen. Weihnachten wird als Single vielleicht anders, aber anders heißt nicht unbedingt, dass es schlechter wird. Es sollte weniger um den Status gehen als darum, eine glückliche Weihnachtszeit zu haben.

Wie könnte diese glückliche Weihnachtszeit aussehen?
Ich kann selbst in die Hand nehmen, wie sie wird. Wenn ich an Heiligabend bis mittags im Pyjama bin und „Kevin allein in New York“ schaue, dann habe ich das eben so für mich entschieden. Single-Sein bedeutet aber auch Ungebunden-Sein. Daher kann ich über Weihnachten auch eine schöne Reise planen oder an Heiligabend feiern gehen.
Wenn ich sage, dass Weihnachten die Zeit der Liebe ist, würde ich in erster Linie Zeit mit meinen Herzensmenschen verbringen – das muss nicht zwingend ein Partner oder eine Partnerin sein. Das kann die Familie sein, mit der man ein tolles Fest hat, die Oma, die man besucht oder die Freunde, mit denen man loszieht. Familie schließt nicht nur einen selbst und den Partner ein. Von diesem Konstrukt sollte man sich frei machen. Letzten Endes geht es an Weihnachten darum, eine schöne Zeit zu haben und da ist es egal, ob man die als Paar, mit Freunden, der Familie oder allein hat.
Wie geht man an den Feiertagen denn mit löchernden Fragen der Verwandten um?
Vielleicht muss man dann einfach mal zurückfragen: „Es ist spannend, dass du dich dafür interessierst, aber warum ist dir gerade wichtig, das zu wissen?“ Damit spielt man den Ball zurück und derjenige muss überlegen, was er antwortet. Wenn ich weiß, dass solche Fragen auf mich zukommen, kann ich mir im Vorfeld gute Antworten parat legen.
Oder man muss klarmachen, dass es zwar schön ist, dass das Gegenüber sich für einen interessiert, man das ganze aber gerne in einem privateren Rahmen besprechen würde. Die Frage ist ja auch, ob man sich überhaupt für seine Situation rechtfertigen muss, oder ob man sagen kann, dass man glücklich ist.
Sind solche Fragen überhaupt angebracht?
Das hat etwas mit Grenzen zu tun. „Wie sieht es beim Thema Partnerschaft aus?“, „Warum bist du noch Single?“ – das sind ja sehr intime Fragen. Ich frage meine Verwandten ja auch nicht über den Tisch „Habt ihr im Moment viel Streit?“, „Wie läuft das Sexleben?“, „Wie laufen die Finanzen?“. Solche Fragen stellt man nicht und ebenso stellt man keine Fragen in die andere Richtung, außer es sind gute Freunde oder die Mutter und man ist in einer angemessenen Situation.

Was raten Sie Menschen, die mit Sorgen auf die Weihnachtszeit blicken?
Diejenigen, die wissen, dass Weihnachten für sie schwierig wird, sollten die Tage im Voraus für sich planen. Es gibt sicherlich Menschen im Bekannten- oder Freundeskreis, die an Weihnachten auch allein sind und dann lohnt es sich, mutig zu sein und zu fragen, was der- oder diejenige macht und ob man nicht Zeit zusammen verbringen möchte. Das sollte man natürlich bewusst im Vorfeld machen, denn wenn ich warte und dann niemand mehr Zeit hat, habe ich natürlich die selbst erfüllende Prophezeiung und bin an Weihnachten allein.
Wie können Sie von der EFL helfen?
Wenn Leute das Gefühl haben, mit ihrer Situation nicht klarzukommen und sich vielleicht fragen, warum sie so lange Single sind, dann finden sie in der EFL einen Ort, an dem sie mit jemandem auf ihre Geschichte gucken können – persönlich, am Telefon, im (Video-)Chat oder per Mail.
Dass Leute konkret wegen der Feiertage kommen, ist eher selten der Fall, aber es kommen Menschen, die einsam sind oder Leute, die frisch getrennt sind und zum ersten Mal wieder an Weihnachten allein sind. In diesen Fällen schauen wir dann individuell mit jeder Person, was Sinn macht.
Beratungsstelle Recklinghausen
Kemnastraße 7, Telefon: 02361 59929, Mail: efl-recklinghausen@bistum-muenster.de
Offene Telefonsprechstunde: mittwochs, 10 bis 11 Uhr
Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 20.12.2022.
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