„Seneca“ Was Roms Denker über die Welt von heute sagt

Von Kai-Uwe Brinkmann
„Seneca“: Was Roms Denker über die Welt von heute sagt
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Welch origineller Film: Robert Schwentke holt den alten Seneca aus der Mottenkiste der Denker von anno Tobak, wo er zwischen allerlei Bildungsgerümpel verstaubte. Wer gleich war Seneca? Latinum hin und her - schlag nach bei Dr. Google: Philosoph und Berater Kaiser Neros, im Jahr 65 nach Christi durch erzwungenen Selbstmord gestorben.

Hat der Mann etwas zu sagen, das man auf die Welt von heute münzen kann? Aber ja, meint Schwentke, der das Drehbuch zu „Seneca“ gemeinsam mit Matthew Wilder geschrieben hat. Was der Römer damals über Tugenden guter Herrscher zu sagen hatte („De Clementia“), würde man Politikern unserer Tage gern ins Stammbuch schreiben.

Brechungen ins Moderne

Schwentkes „Seneca“ sieht in Dekor und Setting nach antikem Kostümfilm aus, befleißigt sich aber moderner Sprache und ironischer Brechungen, die auf die Jetztzeit verweisen.

Der irre Nero spielt E-Gitarre, zumindest hört sein Instrument sich danach an. An einer Festungsmauer prangt ein Panzer-Graffito, Bilder von Ölquellen, Müllhalden, schmelzendem Polareis blitzen auf. Und ein römischer Offizier reitet am Ende unter Starkstrommasten.

Samuel Finzi als Statius (l) und John Malkovich als Seneca
Samuel Finzi als Statius (l) und John Malkovich als Seneca in einer Szene des Films „Seneca“. Der Film kommt am 23.03.2023 in die deutschen Kinos. © dpa/Weltkino

Eine Ohrfeige für Politiker

„Seneca“ taugt zur cineastischen „Philosophie für Dummies“ (wie die Buchreihe). Der Film funktioniert als höhnischer Kommentar zum Zustand eines geschundenen Planeten, er lässt sich als Ohrfeige für Diktatoren und Anführer im Größenwahn interpretieren, denen er mit dem durchgeknallten Nero einen Spiegel vorhält.

Man kann auch sagen, Schwentke habe im Geiste Schlingensiefs und in der Optik eines Terry Gilliam eine rabenschwarze, grausame Horrorkomödie gedreht. Mit einem brillanten John Malkovich als Seneca, mit Geraldine Chaplin, Julian Sands und einem starken deutschen Ensemble aus Samuel Finzi, Wolfram Koch, Lilith Stangenberg, Alexander Fehling und anderen.

Sie spielen Senecas Gefolge. Der bekam Neros Suizid-Befehl und holt zur letzten Rhetorik aus. Zur Abrechnung mit den Mächtigen und der Menschheit. Ein bitterböser Spaß auf ganz hohem Niveau.

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