
Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr an der Augustastraße in Herten-Süd: In Schutzanzügen tragen die Einsatzkräfte mögliche Beweismittel aus einem Haus auf die Straße. © Meike Holz
Suche nach Gefahrstoffen und Waffen: SEK-Einsatz in Herten – Polizei zieht Bilanz
Großeinsatz
Ausnahmezustand in Herten: Spezialeinheiten der Polizei stürmen ein Haus. Ein Mann wird verdächtigt, Waffen und Chemikalien zu besitzen. Nach dem Großeinsatz zieht die Polizei jetzt Bilanz.
Update Mittwoch, 5.10., 13.50 Uhr
Einer der größten SEK-Einsätze seit Jahren hat sich am Dienstagnachmittag in Herten abgespielt – und das an zwei Schauplätzen. Während Dutzende Spezialkräfte von Polizei und Feuerwehr in Herten-Süd ein Mehrfamilienhaus stürmten und durchsuchten, wurden auf dem Hof der Feuerwache in Herten-Mitte von weiteren Feuerwehrleuten und Polizisten, ausgerüstet mit ABC-Schutzanzügen und Atemschutzgeräten, Beweismittel gesammelt und gesichtet.
Nach dem Einsatz, der bis in die Nacht dauerte, zieht die Polizei jetzt Bilanz. Da zunächst von der Möglichkeit einer erheblichen Gefährdungslage ausgegangen wurde, hatte – wie in solchen Fällen üblich – der Leitungsstab des Polizeipräsidiums Münster die Federführung übernommen. Wie Behördensprecherin Vanessa Arlt am Mittwochmittag mitteilte, haben Polizisten mehrere „Anscheinswaffen“ in der betreffenden Wohnung in einem Sechs-Parteien-Haus an der Augustastraße gefunden. Bei den Waffen handelt es sich um nicht funktionsfähige Repliken beziehungsweise Modelle aus Pappmaschee.
Die Polizei hatte im Vorfeld – nach unbestätigten Angaben von einem US-Geheimdienst – Hinweise erhalten, dass der Wohnungsinhaber Waffen und gefährliche Chemikalien besitze. Die Beamten durchsuchten neben den Wohnräumen des Betroffenen auch einen allgemein zugänglichen Dachboden und einen Kellerraum. Gefahrenstoffe oder Hinweise auf diese fanden sie jedoch letztlich nicht.
49-Jähriger Hertener aus dem Gewahrsam entlassen
Der Tatverdächtige, ein 49-jähriger Hertener, war am Nachmittag ins Polizeigewahrsam gebracht worden. Er wurde jedoch am frühen Abend entlassen. Die Bewohner des evakuierten Mehrfamilienhauses mussten bis in die Dunkelheit auf der Straße warten und konnten erst in den Abendstunden in ihre Wohnungen zurückkehren.
Unser Bericht von Dienstag, 4.10., 21.55 Uhr:
Anwohner der Augustastraße in Herten-Süd sitzen am Dienstagabend frierend auf der Straße vor dem Flatterband, mit dem ein Bereich abgesperrt ist, der voller Polizei- und Feuerwehrautos steht. Eine junge Mutter aus Afghanistan schaukelt ihr Baby. Es ist kalt, jemand organisiert eine Decke für das Kind. Uniformierte Polizisten und Feuerwehrleute in Schutzanzügen laufen hin und her. Stundenlang geht das nun schon so, doch in ihre Wohnungen dürfen die Menschen selbst nach Einbruch der Dunkelheit nicht hinein. Einer ihrer Nachbarn in dem Haus mit dem gekachelten Eingang soll ein Schwerkrimineller sein.

Ein großes Aufgebot von Einsatzfahrzeugen blockiert die Augustastraße am Dienstagnachmittag. © Meike Holz
Der Verdacht, dass hier in der einfachen Wohnstraße im äußersten Süden der Stadt Herten ein gefährlicher Verbrecher wohnt, hat am Dienstagnachmittag (4.10.) zum Großeinsatz eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei geführt. Schwer bewaffnet und in Schutzmontur verschaffen sich die Elitekräfte Zugang zu einer Wohnung in einem Sechs-Familien-Haus und nehmen dort einen Mann fest. Er wird verdächtigt, Waffen und Chemikalien - womöglich zum Bombenbau - zu horten.

Bewohner des Hauses an der Augustastraße, in dem der Verdächtige wohnt, warten darauf, dass sie in ihre Wohnungen zurück dürfen. © Carola Wagner
US-Geheimdienst soll Hinweis gegeben haben
Eine Boulevardzeitung will Kenntnis davon haben, dass der US-amerikanische Geheimdienst den Hinweis auf den 49-jährigen Mann gegeben hat. Angeblich sei er auf Internet-Videos mit Waffen und dem Nervengift Rizin zu sehen und stünde unter Terror-Verdacht. Ein Hintergrund, den die Polizei am Dienstag nicht bestätigen will. Sie teilt nur mit, dass es Hinweise gebe, dass möglicherweise in einer Wohnung in dem Mehrfamilienhaus gefährliche Stoffe gelagert werden oder dort mit solchen Stoffen umgegangen wird. Offensichtlich ist: Der Verdacht wiegt schwer, und die Ereignisse überschlagen sich förmlich.

Einsatzkräfte in Schutzanzügen stehen im Innenhof der Feuerwache in Herten-Mitte. © Carola Wagner
Sowohl für die Recklinghäuser Polizei als auch für die Hertener Feuerwehr kommt der Einsatz, der von der Polizeibehörde in Münster koordiniert wird, überraschend. Einsatzkräfte aus dem Ruhrgebiet sind in Herten-Süd auf den Beinen, durchsuchen die Wohnung und das ganze Haus, stellen mutmaßliche Beweismittel sicher. Die Sachen werden zur Polizeiwache in Herten-Mitte gebracht, wo bald der Innenhof voller Plastiksäcke mit Beweismitteln und Uniformteilen liegt. Männer in weißen Schutzanzügen und SEK-Kräfte eilen umher. Die Hertener Wehrleute stehen beobachtend am Rande, auch Feuerwehrchef Stefan Lammering kann nur zuschauen, was da auf seinem Gelände vor sich geht.
Chorsänger kehren um, Menschen dürfen nicht heim
Währenddessen wird im Wohnhaus des 49-Jährigen von Spezialisten der Essener Feuerwehr das Unterste zuoberst gekehrt. Immer mehr Menschen sammeln sich vor den Absperrbändern. Mitglieder des Shanty-Chors wollen zur Probe in die evangelische Johanneskirche, doch die ist vorerst nicht erreichbar. Sänger Jürgen Ziolek schaut irritiert auf die vielen Polizei- und Feuerwehrautos, spricht kurz mit einem Beamten. „Da habe ich mich wohl umsonst auf den Weg gemacht“, sagt der Senior und kehrt wieder heim. Kinder biegen auf Fahrrädern in die Auguststraße ein, wollen nach Hause zu ihren Eltern, doch auch sie müssen warten.

Arbeitsmaterial der Einsatzkräfte, die die Wohnung an der Augustastraße nach gefährlichen Stoffen durchsuchen. © Meike Holz
Betreuungskräfte sprechen immer wieder mit den direkten Nachbarn des Verdächtigen, die seit Stunden im Freien ausharren. Braucht jemand Medikamente oder sonst etwas? Das Deutsche Rote Kreuz in Herten wird vorsorglich kontaktiert für den Fall, dass die Menschen untergebracht werden müssen. Eine Anwohnerin der Augustastraße, die ebenfalls durch die Aktion vorübergehend ausgesperrt ist, schüttelt den Kopf. Das Haus sei ihr eh nicht geheuer, erzählt sie. Dort sei schon einmal jemand abgeführt worden.

Hinter dem Flatterband wimmelt es von Feuerwehrleuten und Polizisten, die mit der Beweisaufnahme beschäftigt sind. © Meike Holz
Abends teilt die Sprecherin der Polizei mit, in der Wohnung seien zunächst keine gefährlichen Stoffe gefunden worden. Die Ermittlungen der Kripo dauern an.
Mein Journalistinnen-Herz schlägt für Herten und die Menschen vor Ort. Hier bin ich aufgewachsen, hier lebe und arbeite ich - letzteres als Lokalredakteurin und stellv. Redaktionsleiterin der Hertener Allgemeinen. Ich liebe meine Familie, Italien, Kunst, Sprache, Pferde, reise viel und koche mit Leidenschaft. Leserinnen und Leser finden bei mir immer ein offenes Ohr: für Anregungen, Fragen, Probleme und Sorgen ebenso, wie für kuriose, schöne oder spektakuläre Geschichten. Rufen Sie mich an oder schreiben Sie mir. Ich bin für Sie da - jederzeit.
Kind des Ruhrgebiets, aufgewachsen in Herten und Marl. Einst Herausgeber einer Schülerzeitung, heute Redaktionsleiter, Reporter, Moderator. Mit Leidenschaft für hintergründigen, kritischen Journalismus – mit Freude an klassischer Zeitung – mit Begeisterung für digitale Formate – mit Herz für Herten. Unterwegs mit Block und Kamera, Smartphone und Laptop in allen Themenfeldern, die die Menschen bewegen. Besonders gerne hier: Politik, Stadtentwicklung, öffentliche Daseinsvorsorge, Energiewirtschaft, Gesundheitswesen, Digitalisierung, Blaulicht.