Schauspiel Essen „Der Reisende“ war ein Start in dies Saison, der nachdenklich macht

Von Petra Zimmermann
Schauspiel Essen: „Der Reisende“ war ein Start in dies Saison, der nachdenklich macht
Lesezeit

Otto Silbermann ist auf der Flucht. Er entkommt den Nazi-Häschern dank seines „arischen“ Aussehens und fährt im Zug kreuz und quer durch Deutschland, rastlos, Frieden suchend.

Am Ende wird er nahezu rasend, besteht, wie einst Michael Kohlhaas, auf seinem Recht als deutschem Bürger, verlangt Schutz gegen SA und SS, und wird inhaftiert.

Anderssein 1938 und 2024

Eigene Texte im Tagebuch

Am Schauspiel Essen richtet Hakan Savaş Mican den Roman von Ulrich Alexander Boschwitz für die Bühne ein und ergänzt den Stoff mit Texten aus seinem eigenen Reisetagebuch.

Als Türke reiste er durch Europa und fing die Stimmung der Gegenwart ein. Es ist beklemmend, wie sehr sich die Gefühle des Andersseins gleichen, 1938 und 2024.

Banale Grausamkeiten

Die Zuschauer im Grillo-Theater sehen eine offene Bühne, in deren Zentrum Musikinstrumente stehen. Rechts ein kleiner Schreibtisch, links am Bühnenportal ein 30er-Jahre-Telefon. Herein kommt Mathias Znidarec, der einen beeindruckenden Silbermann spielt und die Erzählerfigur übernimmt.

Der Kniff mit der Erzählerfigur ist perfekt, denn so kann Mican in intimen Szenen an Individuen die banale Grausamkeit des Antisemitismus darstellen, ohne dass der Zusammenhang verloren geht.

Gegen rechte Gewalt

Znidarec trägt außerdem Micans persönliche Texte vor. Alle weiteren Figuren werden von Lene Dax (Elfriede Silbermann), Alexey Ekimov (Eduard Silbermann) und Philipp Noack (Kommissar Turner) dargestellt.

Mit den beiden Musikern Ceren Bozkurt und Kai Weiner übernimmt das Ensemble auch die hervorragende musikalische Begleitung – Lene Dax singt betörend schön!

Das Publikum sieht einen faszinierenden, kurzweiligen und wichtigen Abend, bestens inszeniert und gespielt und erschreckend aktuell. Da passt es, dass nach dem Applaus ein Aufruf verlesen wird, mutig zu sein und aufzustehen gegen rechte Gewalt. Sehr richtig.

Zum Thema

Termine: 21. / 22. 9. , 10. / 24. 10.; Karten: Tel. (0201) 812 22 00Hier gibt es Karten:

Intendantin dreht durch: Schauspiel Dortmund eröffnet Saison mit Stückentwicklung

„Zauberflöte“ wird zur Spielshow auf Leben und Tod: Mozart-Oper im Aalto-Theater

Literaturpreis Ruhr geht an Necati Öziri für „Vatermal“: Shooting-Star der Literaturszene