Schon bislang waren Vorranggebiete für Windenergie in den Kommunen des Kreises Unna festgelegt worden. Mit dem amtlichen Siegel als „Beschleunigungsgebiet“ geht Windkraft nun nicht nur anderen Nutzungen vor, sondern ihr Ausbau ist auch von etlichen Umweltprüfungen befreit – ein beabsichtigter Schub für die regenerative Energieform.
Warum gibt es Beschleunigungsgebiete für Windkraft?
Im Regionalplan Ruhr, den der Regionalverband Ruhr (RVR) für und mit den Verbandskommunen aufstellt, waren schon bisher in sämtlichen Kreisen und kreisfreien Städten Windenergiebereiche ausgewiesen, sogenannte Vorrangzonen.
„Windkraft hat hier Vorrang vor allen anderen Nutzungen“, erläutert Markus Gerber im Gespräch mit dieser Redaktion. Gerber ist Referatsleiter Regionalplanung beim RVR in Essen.
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU verpflichtet alle Mitgliedstaaten, „so viel wie möglich dieser Vorrangzonen als Beschleunigungsgebiete auszuweisen“, erklärt Gerber. In NRW ist daher 2022 das Wind-an-Land-Gesetz beschlossen worden. Das Land muss bis 2027 zunächst 1,1 Prozent und bis 2032 dann 1,8 Prozent seiner Fläche für die Windenergie ausweisen. Für das Ruhrgebiet hat der RVR diesen Auftrag umgesetzt. Ziel ist, kurz gefasst, dass in den EU-Staaten der Anteil von erneuerbaren Energien an Gesamtproduktion und -verbrauch steigt.
Was bewirken Beschleunigungsgebiete für Windräder?
Wer Windkraftanlagen errichten will, benötigt dazu eine Baugenehmigung. Die Erlaubnis kann künftig viel schneller erteilt werden. „Umweltrechtliche Prüfungen entfallen mehr oder weniger“, so Markus Gerber.
Auch beim Bau in einer Vorrangzone mussten bisher weiterhin zum Beispiel eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Artenschutzprüfung von den Behörden vorgenommen werden. Diese aufwändigen Untersuchungen dauern in der Regel viele Monate, manchmal auch Jahre. Das zögerte den Bau neuer Windräder oft lange hinaus oder hemmte bereits die Ambitionen von Unternehmen.
Spielt Umweltschutz künftig keine Rolle mehr?
Doch. Schon im Regionalplan werden künftig bestimmte Bedingungen für den Betrieb neuer Windkraftanlagen festgelegt, „damit Natur und Umwelt nicht hinten rüber fallen“, wie Markus Gerber betont.
Ein besonderer Schutz gilt den von Windrädern besonders beeinträchtigten Flugtieren wie Fledermäusen und Vögeln. So soll etwa auf die Brutzeit von heimischen Vögeln Rücksicht genommen werden, indem die Bauzeit für neue Anlagen eingeschränkt werden kann.
Von Fledermäusen sind spezielle Flugzeiten bekannt, die berücksichtigt werden müssen. „Die Windkraftanlage muss dann abgeschaltet werden“, so Gerber.
Sind alle Vorrangzonen nun Beschleunigungsgebiete?
Fast alle bisher schon festgelegten Windenergiebereiche konnten die Planer des RVR auch als Beschleunigungszonen ausweisen – mit zwei Ausnahmen: eine betrifft den Kreis Wesel und die andere den Kreis Unna.
So hat man ein Gebiet am Vogelschutzgebiet „Hellwegbörde“ in Fröndenberg, an der Stadtgrenze zu Unna, nicht für ein beschleunigtes Verfahren vorgeschlagen. Diese Vorrangzone eigne sich zwar weiterhin auch für den Bau von Windkraftanlagen. „Aber es muss näher hingeschaut werden“, sagt Markus Gerber. Werde für diese Zone ein Bauantrag gestellt, müssten sich die örtlichen Behörden in besonderem Maße mit Artenschutz und Umweltverträglichkeit befassen, bevor sie hier Windräder genehmigen dürfen.
Wo liegen die Beschleunigungszonen im Kreis Unna?
Die Experten haben 22 Windenergiebereiche untersucht. Von den 21 als Beschleunigungszonen ermittelten Gebieten liegen die meisten am Nordrand an der Grenze zum Münsterland, wo allein in Selm zwei und in Werne vier Gebiete festgelegt wurden. Außerdem sind die Höhenlagen ganz im Süden stark vertreten, so sind allein in Schwerte sechs Beschleunigungszonen ausgewiesen worden. In den anderen Kommunen gibt es nur ein bis zwei Zonen, nur in Holzwickede keine. Die Zonen sind beim RVR lediglich in eine Landkarte eingezeichnet worden; die exakten Koordinaten oder Namen der Gemarkungen waren nicht zu erfahren.
Das Landesamt für Umwelt und Verbraucherschutz NRW hatte zuvor in einer eigenen, gröberen Potenzialanalyse rund 245 Hektar Fläche, also 2,45 Quadratkilometer, für Windkraftanlagen im Kreis Unna ermittelt.
Wie wird künftig Wohnbebauung geschützt?
Es muss ein Abstand von mindestens 440 Metern zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlagen eingehalten werden. Diese Größe ergibt sich daraus, dass die Distanz prinzipiell mindestens das Zweifache der Anlagenhöhe betragen muss.
Die Planer haben eine Anlagenhöhe von 220 Metern zugrunde gelegt. Dieser Windradtyp werde aktuell am häufigsten genehmigt. Der Kreis Unna habe im Ruhrgebiet zwar relativ viel Potenzialfläche für Windenergie. So gebe es im dicht besiedelten mittleren Ruhrgebiet so gut wie keine Vorrangzonen; im Münsterland oder Paderborner Land aber gebe es deutlich mehr Flächen.
Allerdings habe sich der RVR lediglich Flächen mit einer Mindestgröße von rund 10 Hektar angesehen und eingestuft. Den Kommunen sei es zudem unbenommen, in ihre Flächennutzungspläne weitere Gebiete für Windkraftanlagen einzuzeichnen.
Sind die Festlegungen bereits geltendes Recht?
Nachdem sich der Planungsausschuss des RVR am 13. November mit den Beschleunigungszonen befassen wollte, wird die RVR-Verbandsversammlung am 13. Dezember – mit oder ohne Änderungen – beschließen.
Im Januar 2025 beginnt ein Beteiligungsverfahren, bei dem Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen, weitere Behörden und Verbände Stellungnahmen abgeben können. Die Ergebnisse müssen die Regionalplaner um Markus Gerber anschließend auswerten und bei Stichhaltigkeit ihre Pläne abändern.