Von Kai-Uwe Brinkmann
Aus Frankreich kommt „Rodeo“, ein Spielfilm voll rotziger Energie, der das Lebensgefühl junger Biker semidokumentarisch einfängt und das Zeug zur authentischen Sozialballade hat.
Das Kinodebüt von Lola Quivoron taucht ein in das Milieu von Jugendlichen mit migrantischen Wurzeln, die Hauptfigur unter den Laiendarstellern ist ein Mädchen: Julia (wunderbar glaubwürdig: Julie Ledru) sucht Freiheit und Bestätigung unter wilden Kerlen mit Motorrädern, die sie bewundert.
Julia ist taff
Sie ist dort, wo die Jungs sich austoben, auf dem Hinterrad fahren und ihre besten Tricks zeigen. Wird jemand patzig, zahlt Julia mit gleicher Münze zurück. Ohne nachzudenken haut sie „Hau ab, du Hässlicher“ raus. So taff wie du bin ich längst, soll das heißen.
Klauen und verscherbeln
Dass viele Biker von krummen Dingern leben, Motorräder klauen oder Teile verscherbeln, nimmt Julia nicht bloß in Kauf, sondern als Ansporn. Sie will mitmischen, und das tut sie bald. Erst hält sie nur Kontakt zu den „B-More“-Boys, treibt sich in deren Schrauber-Garage herum.
Später mopst sie Zweiräder, die man der vermeintlichen Käuferin zur Probefahrt überließ. In der Achtung der Jungs ist sie gestiegen, die planen schon einen Coup, wo Julia vom Quad aus das Türschloss eines rollenden Lastwagens knacken wird.
Die Kamera ist dicht dran
Die Kamera von Raphael Vandenbussche ist immer dicht dran an Julia und den anderen. Das stellt eine Direktheit und Nähe zum Leben her, wie man sie im Kino selten sieht.
Look und Inszenierung dieser französischen Milieustudie von der Straße erinnern an Mathieu Kassovitz und sein stilprägendes Asphaltstück „Hass“.
Julia bleibt geheimnisvoll
Auch Yuri Ancaranis „Atlantide“ (2022) kommt einem in den Sinn. Der Film spielt unter Speedboot-Freaks in Venedig und weigerte sich, den Charakter seiner Zentralfigur aufzubrechen.
Lola Quivoron macht es ähnlich und lässt Julia einen Rest von Geheimnis. Von ihrer Biografie hören wir wenig, dafür sehen wir, was sie treibt. Tempo, Verve und Überschwang von „Rodeo“ sind sensationell. Eine rare Kino-Perle.
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