Rheder Ärztin Laura Dalhaus hat einen Podcast „Das System bricht zusammen“

Rheder Ärztin Laura Dalhaus startet Podcast: „Das System bricht zusammen“
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Der Name sagt viel über ihre Sicht auf das deutsche Gesundheitssystem aus: „5 Minus“ hat die Rheder Ärztin Laura Dalhaus ihren wöchentlich erscheinenden Podcast genannt, in Anlehnung an die zweitschlechteste Schulnote. Es sei ein weiterer Schritt in ihrem schon länger andauernden Hilferuf aus dem deutschen Gesundheitssystem. Die niedergelassene Hausärztin ist schon länger auf Social-Media unterwegs und berichtet von einem zusammenbrechenden System und Ärzten und Pflegekräften am Limit. „Angefangen hat alles bei LinkedIn“, erinnert sich die 42-jährige Rhederin. Später folgten TikTok und Instagram, wo der Ärztin inzwischen rund 55.000 Menschen folgen.

Öffentlichkeit für Gesundsheitsthemen schaffen

Gemeinsam mit ihrem Co-Host Dirk Wilmers hat Dalhaus bereits mehrere Folgen veröffentlicht. In den rund halbstündigen Podcasts geht es um die großen und kleinen Probleme aus dem Praxisalltag niedergelassener Ärzte. Aber auch Akteure aus anderen Bereichen des komplexen deutschen Gesundheitssystems kommen zu Wort oder sollen zu Wort kommen. „Fachärzte, Apothekerin, Studenten, wir laden Gäste aus allen Bereichen ein“, erklärt Dalhaus. Ziel sei es, auf die aus ihrer Sicht akuten und umfangreichen Probleme hinzuweisen und eine Öffentlichkeit zu schaffen. „Wie man im aktuellen Wahlkampf gesehen hat, kommen diese Themen viel zu kurz“, moniert die Hausärztin.

„Ich bin einfach wütend“, macht Dalhaus deutlich, wie prekär sie die Lage im deutschen Gesundheitssystem einschätzt. Auf die Frage, wie lange es noch dauere, bis dieses zusammenbreche, antwortet Dalhaus: „Es bricht schon zusammen.“ In ihrer Arbeit sei sie täglich mit den Problemen konfrontiert. „Wir haben es mit einem Systemproblem zu tun, das so groß ist, dass es Jahre dauern wird, das wieder zu beheben“, ist sie sich sicher, dass es keiner kleinen korrigierenden Reformen, sondern eines kompletten Systemwechsels bedarf. Die Probleme, an denen das System gerade zerbreche, seien seit Jahren bekannt, verdeutlicht Dalhaus. „Wir haben ein Umsetzung- und kein Erkenntnisproblem“, fasst sie zusammen.

Enormer Zeitdruck für Ärzte

Ein extremer Faktor seien die enormen Kosten im Gesundheitssystem und eine fatale Mischkalkulation. „Gesunde Patienten finanzieren kranke Patienten quer“, erklärt Dalhaus. Statt die Menschen lange gesund zu halten, sei das System zudem darauf ausgelegt, dass Menschen mit Medikamenten alt werden. Heraus komme aktuell ein Zustand, der Patienten und im Gesundheitswesen Tätige gleichermaßen überfordere. „In Spanien sieht ein Hausarzt am Tag sechs Patienten, soviel muss ich in vierzig Minuten behandeln“, berichtet Dalhaus aus ihrer Praxis. Auch in den Krankenhäusern sei die Überforderung groß, das führe zu Fehlern und dazu, dass Dinge übersehen werden.

Keine Lobby für Kinder und Jugendliche

Besonders prekär sei die Lage für Kinder und Jugendliche, die im Gesundheitssystem keine Lobby hätten. Auch in Rhede war im vergangenen Jahr eine Versorgungslücke bei Kinderärzten entstanden, für diese sei die Lage katastrophal, so Dalhaus. Die Rhederin berichtet von einem Fall einer jungen Patientin, die nach einem Schlaganfall trotz persönlicher Anfrage durch Dalhaus keinen Facharzt finde. „Wie überfordert muss man als Facharzt sein, eine junge, schwer kranke Patientin ablehnen zu müssen?“, fragt Dalhaus. Zudem verweigere die Krankenkasse ihrer Patientin ein wichtiges Medikament, da ihr Zustand nicht akut sei. „Worauf soll das Mädchen warten, auf den nächsten Schlaganfall?“, ärgert sich die 42-Jährige.

Ein weiteres Ärgernis für Ärzte sei das Verhalten einiger Krankenkassen, die teilweise kein Interesse an einer gemeinsam gestalteten guten Gesundheitsversorgung hätten und die Ärzte mit Bürokratie überzögen. „Es gibt Kassen, die überziehen Ärzte mit Regressierungen für Medikamente, obwohl diese indiziert sind“, wirft Dalhaus den Krankenkassen vor. Häufig seien einfach Formfehler der Grund und nicht fehlende medizinische Notwendigkeit.

Auch der Politik stellt Dalhaus kein gutes Zeugnis aus und bemängelt den fehlenden politischen Willen zur Veränderung. Die Probleme seien so komplex, dass es einer großen Reform des gesamten Systems und nicht einzelner Teilbereiche bedürfe. „Das geht nicht ohne Leistungskürzungen und die sind schlecht für die Wiederwahl“, befürchtet die Ärztin, dass die politischen Akteure wenig Interesse an einem radikalen Richtungswechsel und kontroversen gesellschaftlichen Diskussionen haben.

Dieser sei aber dringend notwendig, da das System am Limit sei. Zahlreiche Kollegen spielten mit dem Gedanken, aufzuhören, erläutert die Hausärztin. Auch in der Pflege und den Krankenhäusern und Altenheimen sei die Lage prekär. „Ich schreibe aktuell unglaublich viele Altenpfleger krank“, warnt Dalhaus. Ohne Systemwechsel würden in den kommenden Jahren zahlreiche Ärzte ihre Kassenzulassung abgeben, befürchtet sie. „Ich kann mir den Job in der aktuellen Konstellation auch nicht bis zur Rente vorstellen.“

Es geht um Menschen, nicht um Akten

Für die 43-jährige Rhederin sei das alles so nicht mehr hinnehmbar. Nach jahrelanger Arbeit in den verschiedenen Gremien habe sie sich daher für den öffentlichen Weg in den sozialen Medien und nun den Podcast entschieden. Die Reaktionen aus der Ärzteschaft und von den Patienten seien weitestgehend positiv. „Natürlich hat man hier und da auch einen schweren Stand“, erklärt Dalhaus. Vor allem ihr Ton und die Art ihres Hilferufes werde öfters kritisiert. „Eine gewisse Polemik gehört in diesen Medien aber dazu“, ist sie sich sicher, dass sich die sozialen Medien nicht für eine komplexe Erläuterung eignen. Vielmehr gehe es ihr darum, auf die Probleme aufmerksam zu machen. Da sei ihr auch ein gewisser Gegenwind egal. „Für die Kassen sind die Patienten nur Akten und Fallzahlen, mir sitzen aber Menschen gegenüber“, macht Dalhaus deutlich.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 3. März 2025