Rettungshubschrauber, aber kein Patient Wie die Kreisleitstelle Unna Christoph 8 alarmiert

Rettungshubschrauber ohne Patient: Wie Christoph 8 alarmiert wird
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Carsten Kreutzer ist Lagedienstführer im Zentrum für Gefahrenabwehr an der Florianstraße in Unna. Nach zwei Einsätzen von Christoph 8 in Bergkamen und in Fröndenberg im Mai, bei denen der Rettungshubschrauber letztlich keine Patienten an Bord nahm, klärt der Brandamtmann über die Alarmierung auf.

Was passierte bei den beiden Einsätzen genau?

Als am 8. Mai eine Lagerhalle in Bergkamen brannte, flog der Rettungshubschrauber den Notarzt zum Brandort. Erst auf dem Rückweg nutzte der Notarzt den Notarztwagen; der Helikopter flog direkt weiter zu einem anderen Einsatz, ohne in Bergkamen Patienten aufgenommen zu haben.

In Fröndenberg landete am 23. Mai nach einem Verkehrsunfall mit einem Kind „zur Erstversorgung“ ein Rettungshubschrauber, wie es in einer Pressemitteilung der Polizei hieß. Ein Rettungswagen brachte anschließend zwei Verletzte zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus.

In welchen Fällen wird Christoph 8 alarmiert?

Bei der Kreisleitstelle sind verschiedene Einsatzstichpunkte hinterlegt, die die Alarmierung des Rettungshubschraubers auslösen. Diese Stichworte sind, typisch für die rationell arbeitende Feuerwehr, sehr kurz gehalten.

Heißt es zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn „Person klemmt“, weiß der Disponent in der Leitstelle, dass mit Schwer- oder Schwerstverletzten gerechnet werden muss – ein Fall für Christoph 8.

Bei der Abwägung könne, so Carsten Kreutzer, auch der Einsatzort eine Rolle spielen: Ist ein Unfall in einem abgelegenen Gelände passiert oder wäre der Einsatzort im Berufsverkehr auf sehr vollen Straßen schwierig zu erreichen, könnte auch oder zusätzlich der Hubschrauber alarmiert werden.

Kürzlich etwa sei Christoph Dortmund „tief im Wald“ bei einem Reitunfall im Ennepe-Ruhr-Kreis eingesetzt worden. Zudem verfüge dieser Hubschrauber über eine Außenwinde, was die Rettung der Verletzten wesentlich erleichtere.

„Ein Rettungshubschrauber hat einen weiteren charmanten Vorteil: Er fliegt ruckelfrei“, sagt Kreutzer. Bei schwer Wirbelsäulenverletzten könne dieser Faktor ebenfalls eine Rolle spielen.

Ebenfalls von Bedeutung: Aus dem Rettungshubschrauber könne sich die Besatzung einen besseren Überblick verschaffen, z. B. über die Lage eines verunglückten Fahrzeugs, den andere Einsatzkräfte oft erst später erhielten.

Lagedienstführer Carsten Manfred Kreutzer (l.) und Dienstgruppenleiter Thorsten Glogner betrachten in der Leistelle von Feuerwehr und Rettungsdienst des Kreises Unna eine Karte mit einsatzbereiten und schon alarmierten Rettungshubschraubern und Rettungstransportwagen.
Lagedienstführer Carsten Manfred Kreutzer (l.) und Dienstgruppenleiter Thorsten Glogner betrachten in der Leitstelle von Feuerwehr und Rettungsdienst des Kreises Unna eine Karte mit einsatzbereiten und schon alarmierten Rettungshubschraubern und Rettungstransportwagen. © Marcus Land

Welche Ärzte sitzen im Rettungshubschrauber?

Anders als Notarztwagen sind Rettungshubschrauber mit Ärzten besetzt, die eine Zusatzqualifikation als Intensivmediziner haben. „Sie bringen auch immer einiges aus ihrer klinischen Erfahrung mit“, weiß Carsten Kreutzer.

Dagegen meldeten sich für den Einsatz als Notarzt Mediziner unterschiedlicher Fachrichtung. Im Märkischen Kreis, wo Carsten Kreutzer bis zum vergangenen Jahr tätig war, habe er es u.a. auch mit Gynäkologen oder Urologen zu tun gehabt.

Es handele sich um sehr engagierte Ärzte. Ein Internist, Anästhesist oder Chirurg kenne sich aber in der Regel im Trauma-Management nicht so gut aus wie ein Intensivmediziner. Hierauf komme es bei Unfällen aber überwiegend an.

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Christoph 8 fliegt seit fast 50 Jahren

  • Christoph 8 ist vor fast genau 50 Jahren, am 23. Dezember 1974, am Standort in Lünen in Dienst gestellt worden. Die Ärzte werden durch die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Klinikums Lünen St.-Marien Hospital gestellt. Seit dem 1. April 2005 wird die Station von der ADAC-Luftrettung gGmbH betrieben.
  • Neben dem ADAC betreiben auch die DRF Luftrettung sowie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Rettungs- bzw. Zivilschutzhubschrauber.

Warum kann auch ein Notarzt an Bord sein?

Wie in dem Fall vom 8. Mai in Bergkamen könne Christoph 8 auch als „reiner Notarzt-Zubringer eingesetzt werden, wenn keine RTW verfügbar sind“, erläutert Carsten Kreutzer. Dass der Rettungshubschrauber eingesetzt wird, müsse anhand eines Indikationskatalog zu rechtfertigen sein.

Wenn zum Beispiel der Einsatzort an einer exponierten Stelle sei, die der Notarzt nicht innerhalb der Hilfsfrist erreichen könne und der Verdacht auf Traumata nach Unfall, Verbrennungen oder Ertrinkungsnotfälle gemeldet wurden, könne der Helikopter bei Verfügbarkeit als Zubringer bereitgestellt werden.

„Es ist immer eine Abwägungsfrage und nie Willkür“, betont Carsten Kreutzer. Eben auf diese gewissenhaften Entscheidungen seien die Disponenten geschult. Das sei oft eine Gratwanderung. So sei die Alarmierung „Leitersturz aus drei Meter Höhe“ immer ein Fall für den Rettungshubschrauber. „Aber auch der Sturz aus einem Meter kann tödlich sein“, verdeutlicht Carsten Kreutzer.

Was ist bei zwei Notfällen gleichzeitig?

Stellt sich an einem Einsatzort heraus, dass der Rettungshubschrauber nicht benötigt wird, kann er direkt von dort aus zu einem anderen Alarmierungsort fliegen. Ist er an einem Einsatzort gebunden und wird ein zweiter Unfall im Kreis Unna gemeldet, kommt der „Rescue Track“ zum Zuge.

Das GPS-Trackingsystem für Rettungsmittel zeigt den Disponenten in der Leitstelle rund um die Uhr ihre Verfügbarkeit bzw. ihren aktuellen Einsatzort an. Auch die Kapazitäten sämtlicher Rettungshubschrauber in NRW und in anderen Bundesländern werden dort angezeigt. Es kann also durchaus dazu kommen, dass Christoph 9 aus Duisburg oder Christoph 7 aus Kassel angefordert werden. Zunächst werde aber stets geprüft, ob Christoph 8 sich innerhalb sehr kurzer Zeit für die zweite Alarmierung „freimelden“ könne.

Holger Hoven war bis Oktober 2023 einer der Piloten des Rettungshubschraubers „Christoph 8“ in Lünen.
Holger Hoven war bis Oktober 2023 einer der Piloten des Rettungshubschraubers „Christoph 8“ in Lünen. Der erfahrene Pilot landete mehrfach auf der Kreuzung Wall / Hohe Straße in Dortmund © Archiv/privat

Woher weiß Christoph 8, welche Klinik er anfliegen muss?

Bei größeren Einsätzen gehe es zunächst darum, mehrere Schwerverletzte auf unterschiedliche Kliniken aufzuteilen, um nicht ein Krankenhaus zu überfordern. Außerdem liefert das Informationssystem Gefahrenabwehr NRW (IG NRW) eine Gesamtübersicht aller Kliniken und ihre aktuelle Aufnahmebereitschaft.

Sind Kliniken oder bestimmte Fachabteilungen ausgelastet, werden sie in der Datenbank rot markiert, andernfalls grün. Zudem ist nicht jedes Krankenhaus zum Beispiel auf Brandverletzte spezialisiert. In NRW gibt es rund 30 Verbrennungsbetten, u.a. in Kliniken in Dortmund und Bochum. Auch hier hilft IG NRW mit einem Blick sofort. „Früher hat man schon mal eineinhalb Stunden telefoniert“, erinnert sich Carsten Kreutzer. Der 50-Jährige ist seit drei Jahrzehnten im Geschäft.

Wie schnell ist Christoph 8?

Christoph 8 hat laut seiner Betreiberin, der ADAC Luftrettung, eine Reisegeschwindigkeit von ca. 220 km/h. Eingesetzt wird er in einem Radius von 50 Kilometern um seinen Standort am Klinikum Lünen.

Abgedeckt werden damit das nordöstliche Ruhrgebiet und Teile des Münsterlandes und des Sauerlandes. Einsatzbereit ist er von Sonnenaufgang, frühestens 7 Uhr, bis Sonnenuntergang.

„Fliegt er in den Hochsauerlandkreis, ist er natürlich lange unterwegs“, gibt Carsten Kreutzer zu bedenken. Der Förderverein Luftrettung Sauerland macht sich daher für einen neuen Standort eines weiteren Intensivtransport-Hubschraubers am Flugplatz Meschede-Schüren stark.