Rund 3400 Menschen: So viele Mitglieder soll die Reichsbürger-Szene laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in Nordrhein-Westfalen haben. Der Wert beruht auf Rechnungen der Sicherheitsbehörden.
Dabei sei nach bisherigen Erkenntnissen die große Mehrheit nicht in festen Organisationsstrukturen verankert. Dennoch weise die Szene ein „erhebliches Gefahrenpotenzial“ und die potenzielle Bereitschaft zu „schweren Gewalttaten“ auf. Polizei und Verfassungsschutz in NRW würden die Szene sehr genau beobachten, sagte Reul im Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf am Donnerstag.
Reul: „Mischszene“
„Rechterrorismus“ würde das Land „mit aller Konsequenz“ verfolgen. Das Gefährliche sei laut Reul, dass sich mehrere Szenen vermischen, verbinden und vernetzen. Daraus könnten feste Organisationsstrukturen oder -bindungen entstehen, die Gewalttaten planen oder den Sturz des Rechtsstaates beabsichtigen. Reul kündigte hierbei „null Toleranz“ an.
Neben Rechtsextremisten, Anhängern von Verschwörungsmythen oder -theorien sowie renitenten Staatsleugnern sind laut NRW-Verfassungsschutz-Chef Jürgen Kayser auch Menschen aus der bürgerlichen Mitte, Corona-Leugner oder Bewegungen wie die „Vereinten Patrioten“ der sogenannten Reichsbürger-Szene zuzurechnen. Reul sprach von einer „Mischszene“.
Bei der Mehrzahl der 3400 Menschen fehle zwar die Organisationsbindung, das mache sie aber nicht weniger gefährlich. 185 davon sollen rechtsextrem sein. „Auf jeden bizarren Kopf passt ein bizarres Deckelchen“, sagte Reul.
Viele besitzen eine Waffe
Ein Thema nach seinem Bericht im Innenausschuss war auch die Bewaffnung in der Szene. Laut Sicherheitsbehörden haben 123 Menschen aus der „Reichsbürger“-Szene in NRW eine waffenrechtliche Erlaubnis, 37 sogar eine Waffenbesitzkarte. 118 Personen, die eine waffenrechtlich Erlaubnis haben, wurden oder werden überprüft. Die Widerrufsverfahren laufen zum großen Teil noch. „Wer „Reichsbürger“ ist, darf keine Waffe besitzen“, forderte FDP-Fraktionschef Marc Lürbke.

In der vergangenen Woche hatte es eine bundesweite Razzia in der „Reichsbürger“-Szene mit Durchsuchungen und vielen Festnahmen gegeben. NRW war dabei kein Schwerpunkt, hier wurden drei Objekte von zwei Personen durchsucht. Darunter war eine Polizistin aus dem Kreis Minden-Lübbcke, deren Wohnung und Arbeitsplatz durchsucht wurden. Sie wird in dem Verfahren als Beschuldigte geführt und ist vom Dienst suspendiert.
Die Behörde hatte am Mittwoch (7.12.) 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten den Angaben zufolge als Unterstützer. Unter ihnen sind unter anderem der Adlige Heinrich XIII. Prinz Reuß sowie das AfD-Mitglied und Richterin Birgit Malsack-Winkemann.
„Reichsbürger“ sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene bundesweit rund 21.000 Anhänger zu.
dpa
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