„Reichsbürger“: Debatte um Extremisten im Staatsdienst „Konsequenteres Durchgreifen notwendig“

„Reichsbürger“: Debatte um Extremisten im Staatsdienst: „Konsequenteres Durchgreifen notwendig“
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Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen mutmaßliche Verschwörer aus der "Reichsbürger"-Szene hat die Debatte über Extremisten im Staatsdienst zusätzlich befeuert. Ein Generalverdacht gegen Angehörige der Sicherheitsbehörden und der Streitkräfte sei zwar unangebracht, sagte der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg.

Notwendig sei jedoch ein "viel konsequenteres Durchgreifen" gegen Menschen wie einen der Festgenommenen, einen Ex-Offizier. Dieser sei bekannt für seine Einstellungen, gegen ihn gebe es Strafverfahren, "und trotzdem läuft er weiterhin in Uniform durchs Land und verbreitet seine kruden Theorien und dies bei vollen Pensionsbezügen". Solche Menschen müssten viel schneller aus dem Dienst entfernt werden samt Streichung der Privilegien, die Staatsbediensteten gewährt werden.

"Zweitens brauchen wir mehr Sensibilisierungsmaßnahmen in den robusten Einheiten von Bundeswehr, Polizei und anderen Sicherheitsbehörden", sagte Sensburg. Die Mitglieder des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr und von Spezialeinsatzkommandos der Polizei hätten einen harten Job, seien schwer bewaffnet und sähen sich zu Recht als Elite. "Das kann aber dazu führen, dass sie abheben, sich für etwas Besseres jenseits der üblichen Regeln halten", warnte der Reservistenverbandschef. Das dürfe nicht passieren.

Auch ehemalige Offiziere unter den Festgenommenen

Die Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten. "Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen.

Zu den Beschuldigten gehört auch ein Beamter des Staatsschutzes beim Landeskriminalamt (LKA) in Niedersachsen, der wegen strafrechtlicher Ermittlungen vom Dienst freigestellt wurde. Das niedersächsische Innenministerium hatte am Freitagabend mitgeteilt, der Beamte habe «bereits längerfristig keine Dienstgeschäfte für das LKA Niedersachsen mehr ausgeübt». Nach dpa-Informationen ist unter den Festgenommenen auch ein bereits aus dem Dienst entlassener Polizist. Der Mann, der auch als Corona-Leugner bekannt war, hatte gegen ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover Berufung eingelegt.

Mehr Handlungsmöglichkeiten nötig

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein Gesetz zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung geben, das die Entlassung von Extremisten aus dem Beamtenverhältnis beschleunigen soll. Dabei geht es dem Vernehmen nach unter anderem darum, dem jeweiligen Dienstherrn mehr direkte Handlungsmöglichkeiten einzuräumen.

"Auf allen Ebenen des Staates braucht es hohe Sensibilität hinsichtlich der Verfassungstreue der Staatsdiener", sagte der Unionsinnenpolitiker Christoph de Vries (CDU) am Samstag. Seine Fraktion werde aber auch darauf achten, "dass rechtsstaatliche Prinzipien nicht verletzt und Beamte nicht voreilig und leichtfertig aus dem Staatsdienst entfernt werden können".

Die im Zuge der jüngsten Ermittlungen aufgedeckten Umsturzpläne zeigten, dass die sogenannten Reichsbürger eine echte Bedrohung seien, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete. Deshalb sei es nicht akzeptabel, dass Informationen über die bevorstehenden Razzien frühzeitig und breit "gestreut wurden". Es stehe zu befürchten, dass auch Beschuldigte Wind von den geplanten Durchsuchungen bekommen hätten und damit womöglich auch die Gelegenheit, Waffen oder andere Beweismittel beiseite zu schaffen.

dpa

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