Verwirrung in der Zechensiedlung Was der eine Nachbar darf, darf der andere noch lange nicht

Hiberniasiedlung: Was der eine Nachbar darf, darf der andere noch lange nicht
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Über unseren anonymen Briefkasten, den wir anbieten, damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, ausdrücklich auch ohne Namensnennung auf Missstände aufmerksam machen können, erreichte uns folgende Nachricht eines verstimmten Anwohners: „Nachdem die Handwerker offensichtlich wieder Termine haben und Baumaterialien zur Verfügung stehen, ist in Recklinghausen-Ost rund um Dortmunder Straße, Johannes- und Hiberniastraße eine regelrechte Sanierungswut ausgebrochen. Überall werden Häuser neu gestrichen oder umgestaltet, Vorgärten bis vorne zugepflastert oder hohe Sichtschutzzäune um komplette Grundstücke errichtet. Ich frage mich beim Gang durch diese schöne ehemalige Zechensiedlung immer wieder, ob dies alles mit der geltenden Bauordnung zusammenpasst, die doch extra erstellt wurde, um den Siedlungscharakter zu erhalten. Vielleicht können Sie herausfinden, ob es die Stadt schlicht ignoriert, was dort für wilde Sanierungen stattfinden, oder ob die eigene Bauordnung der Stadt keinen Pfifferling mehr Wert ist.“

Zunächst einmal hat unsere Redaktion die Situation vor Ort selbst in Augenschein genommen, und es war recht schnell erkennbar, welche „wilden Sanierungen“ der Hinweisgeber wohl gemeint hat. Allerdings: So einfach, wie möglicherweise gedacht, sind die Verhältnisse dort nicht.

Dieser Zaun in Recklinghausen ist zu hoch.
Hier gilt: Der Zaun, also die sogenannte Einfriedung, ist zu hoch. © Ralf Wiethaup

Tatsächlich gibt es bereits seit Ende 2007 eine sogenannte Gestaltungssatzung für die dortige ehemalige Zechensiedlung, die wegen der zentralen Lage der Hiberniastraße gerne auch Hiberniasiedlung genannt wird. Und in der genannten Satzung ist so einiges festgeschrieben, um den Charakter des gesamten Viertels zu erhalten: Das geht von Art und Farbe der Fassadengestaltung über die Größe der Fenster- und Türöffnungen und die Art der Bedachung bis hin zu den Einfriedungen, die auch in Größe und Material limitiert sind. Das alles ist im Bebauungsplan 267 - Hiberniastraße geregelt.

Und insofern scheint es recht naheliegend, dass ein Gebäude an der Hiberniastraße 23 schräg gegenüber der Einmündung Johannesstraße, dem ganz aktuell eine graue Klinker-Optik verpasst wird, gegen die bestehende Satzung verstößt. Doch das ist ein Irrtum: Denn auf dieser Seite der Hiberniastraße gilt ab der Einmündung Thorner Straße anderes Recht – sprich: Hier kommt der Bebauungsplan Nr. 39, Teilplan 1 – Canisiusstraße zur Anwendung.

Versiegelter Vorgarten in Recklinghausen mit einem Metallzaun.
Heikel: Der Zaun sieht nicht schlecht aus, ist aber eigentlich nicht zulässig. Die Versiegelung des Vorgartenbereichs verstößt gegen die Baunutzungsordnung. © Ralf Wiethaup

Und dieser zeigt sich bei der Wahl der Gestaltungsmöglichkeiten wesentlich „toleranter“: Zwar gibt es auch hier textlich formulierte Regelungen, aber „diese betreffen nur die Dachgestaltung, nicht die Fassadengestaltung“, sagt Stadtsprecherin Anna Ludewig: „Aus diesen Gründen kann der Fachbereich Stadtplanung der Stadt Recklinghausen keinen Verstoß gegen das Planungsrecht für Fassadenarbeiten am Gebäude Hiberniastraße 23 feststellen.“ Was zu der vermeintlichen absurden Situation führt, dass man dasselbe auf der anderen Straßenseite nicht machen darf, weil dort ein anderer Bebauungsplan gilt.

Einfriedung des Vorgartens in Recklinghausen ist zu hoch.
Hinten ist die Einfriedung des Vorgartens definitiv zu hoch. © Ralf Wiethaup

Aber: Es gibt in der unmittelbaren Nachbarschaft tatsächlich ein paar „Gestaltungssünden“, die so nicht existieren sollten. In mindestens zwei Fällen ist die Einfriedung zu hoch, die zur Straße hin nicht die Höhe von einem Meter überschreiten sollte. In einem weiteren Fall ist nicht die Höhe der Einfriedung, sondern das Material entscheidend: Im Bereich des Bebauungsplans 267 sind lediglich grüne Stahlmattenzäune oder Hecken erlaubt. Auch eine vorhandene Komplett-Versiegelung eines Vorgartens widerspräche als sogenannte Nebenanlage der Baunutzungsverordnung und wäre damit unzulässig. Aber das sei alles ohne Gewähr, so die Stadt: „Genauere Aussagen können erst nach einer eingehenderen Prüfung getroffen werden.“

Bebauungspläne rund um die Hiberniastraße in Recklinghausen
So ist die Bebauungsplanlage: Die Hiberniastraße wird wie der Drissenplatz quasi geteilt. © Stadt RE
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