
Höhere Ausgaben, weniger Einkommen: Werkstatt-Mitarbeiter Benedikt Clement sorgt sich um seine Zukunft. © Alexander Spieß
Höhere Preise, weniger Lohn: Benedikt Clement sorgt sich um seine Zukunft
Inflation
Benedikt Clement muss mit wenig Geld auskommen. Bald bekommt der Mitarbeiter der Diakonie-Werkstatt wohl noch weniger Lohn. Zugleich wird alles teurer. Der 33-Jährige macht sich große Sorgen.
Benedikt Clement ist sauer. Der junge Mann gehört zu den Leistungsträgern in der Diakonie-Werkstatt an der Hubertusstraße. In der dortigen Holzwerkstatt baut er Kisten zusammen, bedient Kreissäge und Akkuschrauber. Viel Geld verdient der 33-Jährige mit seiner Tätigkeit ohnehin nicht. Und ab Januar könnten seine ohnehin schmalen Bezüge noch einmal um rund 140 Euro sinken. Denn: Die Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen will den sogenannten „leistungsbezogenen Steigerungsbetrag“ für die Leistungsträger in ihren elf Werkstätten im Kreis streichen. Hintergrund ist eine vom Bundestag zum Januar beschlossene Erhöhung des sogenannten Grundbetrages für alle Werkstatt-Beschäftigten von derzeit 109 auf 126 Euro.
Diakonie-Geschäftsführerin Christa Stüve argumentiert, dass sich die Diakonie diese Lohnerhöhung für alle nur leisten kann, wenn sie an anderer Stelle einspart. Derzeit laufen Verhandlungen zwischen der Geschäftsführung der Diakonie und dem Werkstattrat als Mitarbeiter-Vertretung. „Ich muss den Fortbestand der gesamten Einrichtung im Auge behalten“, sagt Christa Stüve bei einem Besuch in unserer Redaktion. Für die Sorgen von Mitarbeitern wie Benedikt Clement habe sie durchaus Verständnis. Aber: „2019 lag der Grundbetrag noch bei 80 Euro monatlich pro Mitarbeiter. Mit der jetzt beschlossenen Erhöhung auf 126 Euro steigen für uns die Personalkosten jährlich um fast eine Million Euro.“ Die Coronakrise und der Krieg in der Ukraine hätten zu wirtschaftlichen Unwägbarkeiten geführt. „Ich weiß ja gar nicht, ob wir die Werkstätten im Winter heizen können“, sagt Christa Stüve.

Sieht die Werkstätten vor großen Herausforderungen: Diakonie-Geschäftsführerin Christa Stüve ist Benedikt Clements Arbeitgeberin. © Alexander Spieß
Diakonie im Kirchenkreis will bei Werkstätten sparen
1750 Menschen beschäftigt die Diakonie im Kirchenkreis Recklinghausen nach eigenen Angaben in ihren elf Werkstätten in Recklinghausen, Marl, Herten, Dorsten, Datteln und Waltrop. 350 von ihnen beziehen als Leistungsträger den Steigerungsbetrag. Diese Summe möchte die Diakonie am liebsten einsparen. Betroffen von dieser Maßnahme wären eben Mitarbeiter wie Benedikt Clement. Der Herner brach eine Schreinerlehre ab. Mehrere Todesfälle in der Familie hatten ihn aus der Bahn geworfen. Für den ersten Arbeitsmarkt steht er auch heute nicht zur Verfügung. In der Holzwerkstatt an der Hubertusstraße gehört er jedoch zu den Leistungsträgern. Als Abteilungssprecher trägt er Verantwortung und steht in ständigem Austausch mit der Mitarbeitervertretung.
Benedikt Clement fährt mit dem Auto zur Arbeit. Und er lebt selbstständig in einer eigenen kleinen Wohnung. Das unterscheidet ihn von den meisten seiner Kollegen.
„Wir führen eh schon kein Luxus-Leben“
Clement sagt, er wolle nicht nur für sich sprechen. „Es gibt viele Kollegen, die würde der Wegfall des Steigerungsbetrages noch härter treffen.“ Bei ihm fange die Grundsicherung einen Teil des Verlustes auf. Kollegen mit Erwerbsminderungsrente gingen hingegen leer aus. „Wir führen eh schon kein Luxus-Leben“, sagt der Werkstättler. „Aber jetzt wird auch noch alles teurer.“ Die Schuld an der sich anbahnenden Misere gibt Clement nicht der Diakonie, sondern der Politik: „Die Politiker sollten mal in unserer Situation sein“, meint er.
Christa Stüve fordert ein anderes Finanzierungsmodell für die Werkstätten. Eines, in dem mehr öffentliche Gelder fließen.
Aber profitiert die Werkstatt nicht ohnehin von den vergleichsweise geringen Personalkosten? Im Vergleich zu anderen Betrieben verdienen Werkstattmitarbeiter deutlich weniger. Christa Stüves Rechnung sieht anders aus: „Wir müssen noch weitere Angebote, wie etwa den Fahrdienst, finanzieren. Außerdem sind die meisten unserer Mitarbeiter wegen ihrer Erkrankung oder Behinderung nicht so produktiv wie Mitarbeiter in anderen Betrieben.“ Auch würden die Maschinen nicht rund um die Uhr laufen, sondern nur maximal sieben Stunden am Tag, erzählt Werkstattleiter Thomas Koch. Benedikt Clement kommt auf eine 35-Stunden-Woche. Darin enthalten sind wöchentlich knapp neun Stunden Pause.
Noch laufen die Verhandlungen, aber Benedikt Clement hat sich schon erkundigt, ob er ein Streikrecht hat. Das hat er durchaus, wie jeder Angestellte. Er sagt: „Im Gegensatz zu anderen Leuten raffen meine Kollegen und ich uns jeden Tag auf und fahren zur Arbeit. Das sollte doch honoriert werden.“
Ist davon überzeugt, dass das Leben selbst die besten und bewegendsten Geschichten liefert. Man müsse nur aufmerksam zuhören, beobachten und die richtigen Fragen stellen. Glaubt immer noch, dass es eine gute Idee ist, jenseits der 40 Handball zu spielen. Ist in der Region gerne mit dem Rad unterwegs. Dortmunder Junge, verheiratet, Vater von zwei Söhnen.