Unsere erste Einschätzung war nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig: In Recklinghausen blieb nach dem Verschicken des Jahresbescheids für Grundbesitzabgaben die ganz große Empörung aus, weil in Recklinghausen, anders als in allen (!) Nachbarstädten, ein gesplitteter Hebesatz bei der Grundsteuer B erhoben wurde, der Wohngrundstücke (vergleichsweise) moderat belastet. Doch wir hatten dazu aufgefordert, uns besonders krasse Fälle von gestiegenen Steuerforderungen zu schicken, und tatsächlich: Da haben uns böse, aber auch kuriose Einzelfälle erreicht.
Barbara Ellinghaus beispielsweise hat hoffentlich gesessen, als sie die Post von der Stadt geöffnet hat. Sie erhält stets zwei Bescheide, die in ganz unterschiedlicher Weise unangenehm waren. Für ihr Wohnhaus samt kleinerem Grundstück wurden ihr diesmal 1042 Euro statt vorher 530 Euro berechnet, was schon ärgerlich genug ist. Extrem happig wurde es dann aber bei der Besteuerung eines großen Grundstücks, auf dem nur noch nicht mehr genutzte Gewächshäuser stehen: „2024 musste ich noch 881 Euro zahlen, jetzt verlangt man 5767 Euro.“ Was mal eben eine Erhöhung von mehr als 650 Prozent ausmacht.

Für die 81-Jährige ist das eine erhebliche Belastung, zumal es sich um ein Erbpachtgrundstück handelt, für das sie ohnehin noch einen jährlichen Erbpachtzins von 4000 Euro zahlen muss. Zähneknirschend hat sie einen ersten Teil bereits überwiesen, aber: Widersprüche an die Stadt und das Finanzamt sind raus, bislang ohne Reaktion.
Etliche weitere Zuschriften haben uns erreicht, für die ein Fall aus Speckhorn exemplarisch ist: Die Eheleute Jung haben bis 2024 knapp 200 Euro an Grundsteuer gezahlt, doch jetzt ist auf einmal eine vierfache Summe (808 Euro) fällig, obwohl der Hebesatz von 695 % auf 663 % gesunken ist. Ganz klar: In nahezu allen Fällen ist es der vom Finanzamt festgelegte neue Grundsteuerwert (oder letztlich der Messbetrag), der für die Erhöhung sorgt.
Bund der Steuerzahler gibt wichtige Tipps
Erste Anlaufstelle für potenzielle Beschwerden ist hier die Grundsteuer-Hotline des Recklinghäuser Finanzamtes (Tel.: 02361/583-1959), die in der Woche von 9 bis 13 Uhr besetzt ist. Das Finanzamt weist darauf hin, dass man sein Aktenzeichen bzw. die Einheitswertnummer bereithält. Und wenn man dort auf Granit beißt und dennoch meint, dass nicht alles korrekt ist, dann weist der Bund der Steuerzahler darauf hin, dass man eine „fehlerbeseitigende Wertfortschreibung“ beantragen soll. Diese dient der Berichtigung von Fehlern: egal, ob diese durch den Steuerzahler selbst oder das Finanzamt verursacht worden sind.

Ein wenig anders, aber nicht weniger haarsträubend, ist ein Fall aus Suderwich, den Stefan Benner von der Isselstein-Benner Hausverwaltungs GmbH schildert: „Ich möchte Ihnen gerne die Zahlen für ein uns gehörendes Mehrfamilienhaus geben: 30 Seniorenwohnungen, alle öffentlich gefördert, das heißt: sogenannte Sozialwohnungen, zwei Gewerbe (ein Getränkemarkt und eine Physiopraxis). Da es sich hier um ein gemischt genutztes Objekt handelt, wurde der erhöhte Hebesatz von 1173 angewendet, mit dem Ergebnis, dass sich die Grundsteuer von 8786,82 Euro in 2024 auf 15.443,13 Euro in 2025 erhöht hat. Die Mehrbelastung für eine Singlewohnung beträgt also rund 135 Euro im Jahr und für eine Wohnung für zwei Personen rund 195 Euro.“
Was bedeutet: Hier trifft es welche, die es ohnehin nicht dicke haben. Für Benner ein Unding: „Und das soll Steuergerechtigkeit sein? Die Politiker, die das ausgeheckt haben, sollten sich schämen.“ Wobei ausdrücklich betont werden soll: Hier ist nicht allein die Politik verantwortlich. Schnelle Hilfe ist vermutlich ohnehin nicht zu erwarten, da eine Mischkalkulation, bei der Gewerbe- und Wohneinheiten, die sich in einem Gebäude befinden, unterschiedlich bewertet werden, nicht vorgesehen ist.
Grundsteuer ist höher als der Wert des Grundstücks
Und einen ganz merkwürdigen Fall beschreibt schließlich Torsten Struck: Dieser muss für ein Zweifamilienhaus nunmehr 961 statt 396 Euro zahlen, wodurch sich eine Mehrbelastung von 565 Euro ergibt. Doch wirklich kurios wird es bei einem unbebauten Gartenland-Grundstück, für das die Grundsteuer B von 134 auf 507 Euro angestiegen ist. Laut der amtlichen nordrhein-westfälischen Bodenrichtwertkarte (Boris-NRW) hat der Quadratmeter auf diesem Grundstück aber nur einen Wert von 70 Cent. Demnach hätte das 723 Quadratmeter große Grundstück also nur einen Gesamtwert von 506 Euro, für das nunmehr jährlich 507 Euro an Grundsteuer bezahlt werden müssen.