Pflegenotstand im Klinikum Vest: Hilfe kommt vom Balkan
Personalsuche im Ausland
Im Kampf gegen den Personalmangel beschreitet Pflegedirektor Christian Fehr neue Wege. Er hat 50 Fachkräfte aus Serbien und dem Kosovo angeworben. Ihre Integration steht an erster Stelle.
„Ich bin ein Recklinghäuser!“ Wenn Christian Fehr, Pflegedirektor des Klinikums Vest, diese Worte von den neuen Kolleginnen und Kollegen aus Serbien und dem Kosovo hört, dann, ja dann hat er sein Ziel erreicht. „Sie alle sollen hier Wurzeln schlagen. Wir hoffen, dass sie glücklich werden.“
Und damit das gelingt, gibt es den Integrationsmanager André Janitschek. Er ist derjenige, der den 50 Fachleuten im Recklinghäuser Knappschaftskrankenhaus und in der Marler Paracelsus-Klinik hilft, sich in ihrer neuen Heimat zurechtzufinden. Außerdem beginnen fünf weitere Bewerber eine Ausbildung im Klinikum Vest. „Das ist ein Kraftakt“, sagt Fehr, „und eine große Verantwortung, denn die Männer und Frauen verlassen ihr Land, ihre Familie und ihre Freunde. Wir werden alles tun, damit sie sich hier wohlfühlen und bleiben.“ Die ersten drei der Verstärkung sind nun eingetroffen.
„Wir nehmen keinem Land die Fachleute weg“
Vorab möchte Christian Fehr aber etwas klarstellen: „Wir nehmen keinem anderen Land die Fachleute weg.“ Das kann Janitschek bestätigen: „Denn auf dem Balkan wird über Bedarf ausgebildet.“ Das Pflegepersonal arbeite häufig in fremden Branchen, etwa als Verkäufer oder in Call-Centern. Überstunden und ein geringer Lohn seien üblich. Fehr: „Darum profitieren beide Seiten.“ Mit der Akquise im Ausland beschreitet er in Zeiten von Fachkräftemangel neue Wege bei der schwierigen Suche nach Personal. Nicht zuletzt auch, um in Zukunft auf teure Leiharbeiter verzichten zu können.
Mithilfe zweier Agenturen knüpften Christian Fehr und sein Team die nötigen Kontakte. Vorstellungsgespräche per Videokonferenz und vor Ort folgten. Bei der Auswahl sei ihnen vor allem die Motivation der Menschen wichtig gewesen. „Sie freuen sich, in ihrem Beruf arbeiten zu können und weiteres Fachwissen zu erwerben“, so der Pflegedirektor, „die wirtschaftliche Situation sollte nicht der Hauptgrund sein.“ Allerdings weiß Fehr, dass der bessere Verdienst in Deutschland ein großer Anreiz ist.
Bei der Auswahl waren auch die Stationsleitungen eingebunden. Alle seien positiv überrascht gewesen und konnten in Marl und Recklinghausen etwaige Vorbehalte entkräften. „Denn manche Mitarbeiter befürchteten Verständigungsprobleme“, erklärt Fehr. Doch die Sorge sei unbegründet gewesen, denn die Bewerber hätten bereits einen Kurs besucht und verfügten über gute Deutschkenntnisse. „Auch wenn sie sich mit der Sprache im Ruhrgebiet noch nicht auskennen“, sagt Janitschek lachend.
Seine Aufgabe ist es, die Männer und Frauen im Alter von Anfang 20 bis Mitte 30 „an die Hand“ zu nehmen, wenn auch nicht jeden Einzelnen. Dabei stehen ihm Mentoren zur Seite. Behörden, Unterkunft, Gesundheit und Freizeit sind die beherrschenden Themen.
Weg durch den „Bürokratie-Dschungel“ braucht Zeit
Etwa zehn Wohnungen hat André Janitschek bereits „in petto“. Und die Suche geht weiter, denn Ende März soll der Letzte der neuen Kollegen eintreffen. Wie schnell das funktioniert, hängt allerdings von den Behörden ab. „Der Einreiseprozess ist gewaltig“, berichtet der Manager. Und dann ist der Weg durch den „Bürokratie-Dschungel“ noch nicht beendet, zumindest nicht für diejenigen, die Ehepartner und Kinder nachkommen lassen.
Ist das vollbracht, folgen die großen und kleinen Dinge des täglichen Lebens, die es zu entdecken gilt. Wo gibt es Ärzte, Banken, wo Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten? „Außerdem ist es wichtig, Freundschaften zu schließen, und zwar nicht nur auf den Stationen“, meint Janitschek, der über eine lange Vereins-Liste verfügt. Auch die ersten Kochabende sind schon geplant. „Trotzdem wird es nicht einfach“, weiß Fehr. Zumal: „Irgendwann kommt das Heimweh.“ Dann wird sich zeigen, ob die Menschen vom Balkan Wurzeln geschlagen haben.
Ich bin neugierig und erzähle gerne Geschichten: Geschichten über die Menschen vor Ort, über ihre Sorgen und ihre Nöte, über ihre Freude und ihr Glück, über all die kleinen und großen Dinge, die das Leben ausmachen.
Christian Fehr, neuer Pflegedirektor des Klinikums Vest, will den Pflegeberuf attraktiver machen. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist ihm wichtig. Um der Pflegekrise ein Ende zu setzen, setzt er auf Von Joachim Schmidt
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