Ohne ihn würde es den schrägen Comedypreis „Recklinghäuser Hurz“ gar nicht geben. Bei der achten Preisverleihung am 18. März im Ruhrfestspielhaus ist Hape Kerkeling erstmals mit von der Partie. Der Recklinghäuser Komiker, Schauspieler und Autor freut sich über die Auszeichnung und das „Familientreffen“ in der Festspielstadt, spricht im Interview mit dieser Zeitung aber auch Klartext: zu Antisemitismus, Rassismus und Homophobie, zur aktuellen Krise der Demokratie, ihre Verursacher und inkompetente „Retter“ in der Politik.
Hallo Herr Kerkeling, Recklinghausen freut sich „wie Bolle“ auf Sie. Stimmt es, dass Ihre gute Freundin Isabel Varell, die in diesem Jahr für Lisa Feller auf der Jury-Couch sitzt, Ihnen den letzten Stups gegeben hat?
Ich freue mich jedenfalls, in diesem Jahr dabei zu sein. Tatsächlich habe ich aber mit der eigentlichen Veranstaltung nichts zu tun, außer deren Namensstifter zu sein.
Sie kennen sich seit über 40 Jahren. Wie haben Sie sich kennengelernt, was verbindet sie beide und was schätzen Sie an Isabel Varell?
Wir kennen uns seit 1984 und sind seitdem eng befreundet. Isabel ist eine große Versöhnerin. Und abgesehen davon, dass sie eine gute Schauspielerin ist, ist sie inzwischen auch eine tolle Autorin.
Mit Achim Hagemann ist nicht nur Ihr Hurz-Partner, sondern auch ein weiterer langjähriger Freund dabei, mit dem sie schon als MCG-Schüler in Ihrer Band „Gesundfutter“ in Recklinghausen die Bühne gerockt haben. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Gesundfutter war ja damals im Kreis Recklinghausen geradezu Kult. Daran hat die Recklinghäuser Zeitung übrigens immer konstruktiv und fördernd mitgewirkt. Dafür nachträglich noch ein Dankeschön! Das hat mich gut auf meine spätere Karriere vorbereitet. Die Erinnerungen an unsere Auftritte sind heute noch lebendig. Den wummernden Sound habe ich heute noch im Ohr.
Das hört sich doch nach einem schönen „Familientreffen“ an. Wissen Sie, ob auch andere Weggefährten von damals beim „Hurz“ im Publikum sitzen?
Zwei Cousins werden da sein. Darauf freue ich mich. Meine herzallerliebste Stiefschwester wird da sein. Mal gucken, wer noch so kommt. Hoffentlich keine bösen Überraschungen!
Gemeinsam mit Achim Hagemann erhalten Sie in diesem Jahr den „Total-Normal-Hurz“. Sie haben in Ihrem Leben unzählige große Preise bekommen, 2021 sogar den Deutschen Fernsehpreis für Ihr Lebenswerk. Hat diese Auszeichnung in Ihrer Heimatstadt trotzdem eine besondere Bedeutung für Sie?
Es ist ein bisschen verrückt, einen Preis in meiner Heimatstadt zu erhalten, der gewissermaßen nach mir benannt ist. Es fühlt sich schräg und besonders an. Dafür bin ich dankbar.
Sie haben Ihren Traum verwirklicht, haben mit Ihrer Kunst Karriere gemacht, Millionen von Zuschauern unterhalten, Riesensäle mit Figuren von Hannilein bis Horst Schlämmer zum Glucksen gebracht. Beim Hurz geht es auch um Talentförderung. Was würden Sie den jungen Kolleginnen und Kollegen, die um den Hurz-Nachwuchspreis antreten, mit auf den Weg geben? Gibt es ihn, den Schlüssel zum Erfolg?
Diesen Weg muss jeder selber finden. Es hat durchaus auch mit Glück zu tun. Aber man sollte immer nah bei sich selbst bleiben und die Disziplin eines Zinnsoldaten mitbringen.
Der Humor hat sich verändert. Sie selbst haben gesagt, dass eine Figur wie Horst Schlämmer heute nicht mehr funktionieren würde. Darf Humor in diesen schwierigen Zeiten einer Destabilisierung der Demokratie nicht mehr alles?
Humor kann nicht schaden bei der Rettung der Demokratie, ist aber wohl nicht die entscheidende Waffe. Russland arbeitet konkret durch einen hybriden Krieg an der Zerstörung unserer westlichen Demokratien. Die AfD ist da nur Mittel zum Zweck. Die Marionetten Putins. Aber ich will die Stimmung nicht unnötig verderben.
Seit Bekanntwerden der Remigrationspläne der AfD gehen die Menschen auf die Straße, um für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. In Recklinghausen kamen bei der ersten Großdemo 12.000 Teilnehmer. Auch am Tag gegen Rassismus hat sich die Festspielstadt an diesem Wochenende wieder mit Aktionen beteiligt. Wie wichtig ist dieser Aufstand der Zivilgesellschaft aus Ihrer Sicht?
Diese Demonstrationen zeigen, wie stark die Zivilgesellschaft diese widerwärtige Politik der AfD ablehnt. Jedoch die Entscheidung darüber, was aus unserem Land wird, fällt nicht auf der Straße, sondern an der Wahlurne. Die AfD sollte allein deshalb verboten werden, weil sie Teil des hybriden Krieges Russlands gegen unsere Freiheit ist.
Tatsächlich geht es darum, welchen Weg Europa für das Jahrhundert einschlägt. Wir werden unsere Freiheit vermutlich mit Krallen und Zähnen gegen Extremisten und Russlands Einfluss verteidigen müssen. Die Regierungspolitik der vergangenen 20 Jahre war von großer Naivität getragen. Eigentlich sollten die, die maßgeblich für diese fatale Fehleinschätzung mitverantwortlich sind, nicht mehr in Amt und Würden sein. In einer Demokratie gehört es sich nun einmal, nach Fehlern verantwortlich zurückzutreten.
Den Veranstaltern in Recklinghausen geht es auch darum, Flagge für Toleranz, Diversität und das Miteinander einer bunten Gesellschaft zu zeigen. Sie haben Berlin schon vor längerer Zeit mit Ihrem Ehemann Dirk verlassen, leben inzwischen in Köln, weil die Atmosphäre in der Hauptstadt inzwischen deutlich homophober sei. Jetzt verschärft sich der Ton immer mehr, auch gegen die queere Szene. Wie erleben Sie als homosexuelles Paar die Situation heute ganz persönlich?
Die Stimmung wird radikaler. Dagegen muss jeder, der noch bei Verstand ist, seine Stimme erheben.
Sie haben schon 2021 vor der Zunahme der Diskriminierung gewarnt. Wir alle müssten jetzt „den Arsch hoch kriegen“, damit Antisemitismus, Rassismus und Homophobie nicht weiter salonfähig werden. Was haben wir, was hat die Politik in den letzten Jahren falsch gemacht? Wie müssten wir, wie müsste die Politik jetzt in Zeiten einer erstarkenden AfD Ihrer Meinung nach dringend gegensteuern?
Tatsächlich hilft nur vernünftige und klare Regierungspolitik. Die fehlt schmerzlich. Ein Bundeskanzler, der sich in Untersuchungsausschüssen nicht erinnert und nicht weiß, wohin die Reise insgesamt gehen soll, ist der demokratischen Sache wenig zuträglich. Aber auch die demokratische Opposition eiert herum. Der CDU würde eine Erneuerung gut zu Gesicht stehen. Mensch, werdet endlich wach! Der Eisberg ist schon in Sicht und wir steuern mit Volldampf darauf zu!
Zurück zu den schönen Themen. Wunderbar, dass Sie auch ein großer Panda-Fan sind, wo der Panda doch seit Jahrzehnten das Maskottchen des Medienhauses Bauer ist. Gerade ist Teil 4 von „Kung Fu Panda“ in den Kinos angelaufen. Sie geben Panda Po wieder Ihre Stimme.
Ja, ich liebe meinen Kung Fu Panda Po! Er ist eine der schönsten Rollen, die ich verkörpern darf.
Im letzten Jahr haben Sie uns erzählt, dass Sie gerade an einem neuen Buch, einem Film und einer Doku arbeiten. Wann können Ihre Fans was sehen oder lesen?
Im Herbst erscheint mein neues Buch. Darauf freue ich mich ganz besonders.
Reisen Sie wieder mehr, seitdem Corona nicht mehr den Spielverderber gibt? Wo geht es als Nächstes hin?
Ich war gerade mal wieder in den USA. Was für ein tolles Land. Mal sehen, wo es als Nächstes hingeht. Wahrscheinlich Italien.
Mit 50 haben Sie den Rückzug von der Bühne angekündigt, war das im Nachhinein die richtige Entscheidung?
Weniger ist mehr. Je ne regrette rien.
Im Dezember werden Sie 60, Herr Kerkeling. Sie haben mit Ihren Figuren immer wieder dafür gesorgt, dass es Spaß macht, mit Ihnen älter zu werden. Jetzt kommt also die 60. Nur eine von vielen Zahlen oder ein Horrordatum?
Opa Hape!? Klingt doch gut. Es hat auch Vorteile, dass Gehör und Sehkraft ganz langsam schwinden.
Nur, damit wir schon mal vorgewarnt sind: Wird es zum runden Geburtstag wieder eine besondere Nachricht von Hape Kerkeling geben?
Ich befürchte ja! Aber es ist tatsächlich Zufall.
Hinweis der Redaktion: Dieses Interview erschien ursprünglich am 18. März 2024.
