Sie hat das Hospiz nach einem Jahr lebend verlassen So geht es Uschi Pathmann heute

Nach einem Jahr im Hospiz genießt Uschi Pathmann ihr „zweites Leben“
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Da sitzt sie also, die Frau, die eigentlich seit eineinhalb Jahren tot sein müsste, und sieht munter aus. Putzmunter. „Ja“, sagt Uschi Pathmann und lächelt, „das ist ein Ding.“ Zwölf Monate lebte die vermeintlich Sterbenskranke im Hospiz an der Feldstraße, bevor sie es im vergangenen Sommer überraschend verlassen musste, da sich ihr Gesundheitszustand verbessert hatte. Für die 72-Jährige brach damals eine Welt zusammen. Jetzt wohnt sie, nicht weit entfernt von Recklinghausen, in einem Herner Seniorenheim. Doch wie geht es ihr fünf Monate nach dem Umzug?

Nach dem Umzug bleibt eine „tiefe Traurigkeit“

Eins steht fest: Sie ist nicht mehr verzweifelt. Die Seniorin mit den kurzen, weißen Haaren nickt. „Das stimmt, aber eine tiefe Traurigkeit bleibt trotzdem. Es war ein Schock, als die Kasse auf einmal nicht mehr zahlte“, erinnert sie sich, und ein Schatten zieht über ihr schmales Gesicht. Denn Uschi Pathmann war – was für viele vermutlich unvorstellbar ist – glücklich im Hospiz. „Dort arbeiten wunderbare Menschen. Ich habe mich geborgen und umsorgt gefühlt.“ Doch fangen wir vorne an.

Uschi Pathmann steht vor einer Tür mit ihrem Namensschild und der Aufschrift „Audienz nur auf Nachfrage".
„Audienz nur auf Nachfrage": So steht es auf Uschi Pathmanns Zimmertür im Seniorenheim. Obwohl sie das geliebte Hospiz verlassen musste, hat die 72-Jährige ihren Humor nicht verloren. © Ulrike Geburek

„Alles ging ganz schnell“, erzählt sie. Da war plötzlich diese schreckliche Atemnot. „An diesem Tag war sie besonders schlimm. Da habe ich die 112 gewählt.“ Zurecht. Denn der Zustand der Seniorin war so besorgniserregend, dass ihr die Ärzte im Krankenhaus mitteilten, sie werde das Prosper-Hospital nicht mehr lebend verlassen. Diagnose: Lungenfibrose. „Meine Lungenbläschen verkleben, und mein Blut wird nicht mehr genug mit Sauerstoff versorgt“, berichtet sie sachlich, „das ist unheilbar!“ Pause. „Aber ich bin noch da“, sagt sie erleichtert. Zumal: „Ich habe fast keine Schmerzen, da ich gut mit Medikamenten eingestellt bin.“

Den neuen Anzug sofort im „Kost-Nix-Laden“ abgegeben

Immer wieder ist Uschi Pathmann überrascht, wie schnell sich ihr Leben radikal verändert hat. Zum Glück war ein Platz im Hospiz frei. In kürzester Zeit hat die Recklinghäuserin mithilfe ihres Sohnes das Nötige geregelt. Er löste für sie die Wohnung im Haus an der Herner Straße auf, in dem sie bereits als Kind gelebt hatte. Als erste Reaktion auf die grausame Diagnose rief Uschi Pathmann ihre Freundin Irene an, die Schwiegermutter ihres Sohnes, und bat sie, den neuen, roten Anzug im „Kost-Nix-Laden“ auf dem Gertrudisplatz abzugeben. „Ich dachte, ich brauche ihn nicht mehr.“ Dann schmunzelt sie: „Später musste Irene mir vieles neu kaufen.“

Giovanni Zarrella spricht mit Uschi Pathmann auf dem Konzertgelände vor einem Zelt.
Da war ihre Welt noch in Ordnung: Nachdem Superstar Giovanni Zarrella Uschi Pathmann im Hospiz besucht hatte, lud er sie zum Konzert nach Bochum ein. Kurz darauf musste sie ausziehen. © Hospiz

Entspannt sitzt Uschi Pathmann im schicken, grünen Outfit in ihrem neuen Zuhause. Familienbilder hängen an den Wänden, ebenso ein Poster vom Pilsumer Leuchtturm in Ostfriesland, wo sie Urlaub gemacht hat. Und ganz wichtig: Fotos von ihrem Lieblingssänger Giovanni Zarrella. Noch schmücken Weihnachtswichtel die Fenster. Leise blubbert der große Behälter, der sie über zwei Schläuche in der Nase mit Sauerstoff versorgt. Doch dieses Geräusch hört Uschi Pathmann schon lange nicht mehr.

Mit einem Gläschen alkoholfreien Sekt stößt sie nun auf ihr „zweites Leben“ an. „Hilft ja nichts“, sagt sie pragmatisch. Zeit für eine erste Bilanz. „Die Köche sind nett, die Pfleger und Pflegerinnen ebenfalls. Eine nennt mich Engelchen.“ Die Freude darüber ist der 72-Jährigen anzumerken. Keine Frage: Die Uschi hat auch hier Herzen erobert und fühlt sich mittlerweile relativ wohl.

Warten auf den Strandkorb und den Solar-Leuchtturm

Dann zeigt sie aus dem Fenster und erzählt gut gelaunt: „Bald stehen da hinten wieder der Strandkorb und ein großer Solar-Leuchtturm, den mir mein Sohn geschenkt hat.“ Im vergangenen Sommer hat sie im Garten „jeden Sonnenstrahl mitgenommen und richtig Farbe bekommen“. Trotzdem vermisst Uschi Pathmann das Hospiz. Natürlich hält sie den Kontakt, war schon einige Male dort. „Aber als Besucherin ist es etwas völlig anderes“, berichtet sie und seufzt. „Es tut immer noch sooooooooo weh.“

Zumal an der Feldstraße ein großer Traum in Erfüllung gegangen ist. Das Team machte das Unmögliche möglich: Plötzlich klopfte Giovanni Zarrella höchstpersönlich an Uschi Pathmanns Zimmertür. „Wahnsinn“, meint sie kopfschüttelnd. Die Krönung: Der Entertainer lud sie zu seinem Konzert nach Bochum ein. Und passend zum flotten Hosenanzug färbte sich die Seniorin eine Strähne ihres Haares in Violett.

Uschi Pathmann steht mit ihrem Rollator vor dem Eingang eines Seniorenheims.
Sie hat ein neues Zuhause gefunden: Uschi Pathmann zog vom Recklinghäuser Hospiz in ein Herner Seniorenheim. Nach anfänglichen Problemen hat sie sich dort mittlerweile eingewöhnt. © Ulrike Geburek

Glücklicherweise ist Uschi Pathmann nicht allein. Da sind Sohn Daniel, die Schwiegertochter und die drei Enkelkinder. Nicht zu vergessen: ihre geliebte Irene. Erst vor wenigen Tagen waren sie auf einem großen Flohmarkt in Gelsenkirchen. „Mit dem Rollator und einem mobilen Sauerstoffgerät habe ich das gut geschafft“, erklärt sie. Und wie war die Ausbeute? „Zwei Gürtel und ganz viel Obst“, verrät sie grinsend.

Außerdem steht Uschi Pathmann in engem WhatsApp-Kontakt mit 25 Freunden und Bekannten. Die möchten jeden Tag wissen, wie es ihr geht. Zudem spielt sie mit Leidenschaft online Rom­mé und schaut im Fernsehen die tägliche Kochshow „Küchenschlacht“.

Optimismus siegt: Das Leben ist immer noch reizvoll

Trotzdem hätte die 72-Jährige im Seniorenheim gerne eine Freundin. So eine, wie es die Silvi im Hospiz für sie war. Im Gegensatz zu Uschi ist diese Frau vor Kurzem dort gestorben. „Ich war vorher noch da“, erzählt Uschi Pathmann leise und sieht dabei traurig aus. Doch schnell wischt sie die negativen Gedanken beiseite. Der Optimismus siegt. Denn das Leben geht weiter und ist immer noch reizvoll. „Der Tod soll warten“, sagt sie lachend.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 9. Januar 2025.