Uschi Pathmann ist traurig. So traurig. Dabei hat sie allen Grund zur Freude. Denn die Seniorin mit den weißen Haaren und der lilafarbenen Strähne gehört zu den wenigen Patienten, die das Hospiz in Recklinghausen jemals lebend verlassen haben, die trotz der negativen Prognose nicht gestorben sind. Auch nicht nach einem Jahr. Aber die Recklinghäuserin wäre gerne geblieben. „Das war leider nicht möglich. Die Kasse zahlt nicht mehr.“ Erschöpft hält sie inne, so als habe sie immer noch nicht begriffen, was passiert ist. „Welch ein Schock“, sagt sie verzweifelt, „dann ging alles ganz schnell.“ Pause. „Und nun wohne ich hier.“ Unglücklich schaut sich Uschi Pathmann im Zimmer des Herner Pflegeheims um.
„Die Menschen im Hospiz sind wunderbar“
Seit Anfang September ist das ihr neues Zuhause, rund vier Kilometer von „ihrem“ Hospiz in Süd entfernt. „Viele Leute konnten nicht verstehen, dass ich mich dort wohlfühlte. Sie haben mich gefragt, wie ich das aushalte, all die Leute um mich herum sterben zu sehen.“ Uschi Pathmann wischt sich eine Träne fort, sucht nach Worten. „Hier sterben sie doch auch, es dauert nur länger“, meint sie. Resignierend zuckt die 72-Jährige mit den Schultern. Dann seufzt sie und betont: „Die Menschen im Hospiz, die waren so wunderbar.“ Sie machten Uschi Pathmanns Leben an der Feldstraße schön.

Blicken wir zurück: Sommer 2023. Da war auf einmal diese schreckliche Atemnot. „Beim Treppensteigen musste ich immer schon nach Luft schnappen. Aber an diesem Tag war es besonders schlimm. Da habe ich sofort die 112 gewählt.“ Zurecht. Denn der Zustand der Patientin war so besorgniserregend, dass ihr die Ärzte im Krankenhaus mitteilten, sie werde das Prosper nicht mehr lebend verlassen. Diagnose: Lungenfibrose.
„Meine Lungenbläschen verkleben“, erklärt Uschi Pathmann sachlich. „Das ist unheilbar!“ Nur die Schläuche in ihrer Nase, die sie mit Sauerstoff versorgen, sind ein Indiz dafür, dass es ernst um sie steht. „Ohne geht es nicht. Doch ich bin gut mit Medikamenten eingestellt und habe kaum Schmerzen“, berichtet die Recklinghäuserin, die auf der Hillerheide aufgewachsen ist.
Im Hospiz fühlte sie sich geborgen und umsorgt
Uschi Pathmann war froh, dass sie sofort einen Platz im Hospiz bekam. „Hauptsache, es geht schnell, und ich muss nicht leiden“, erzählte sie damals. Und: Angst vor dem, was da komme, habe sie nicht. „Ich hoffe, dass ich ins Licht gehe und nicht in ein dunkles Loch falle.“ Aber der Tod ließ auf sich warten. Die Sterbenskranke dachte nicht ans Sterben. Im Gegenteil. „Es war eine gute Zeit. Die Schwestern und Ehrenamtlichen erfüllten mir jeden Wunsch und waren immer für mich da“, sagt sie, und da huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. An diesem Ort, der nur wenige Kilometer entfernt liegt, fühlte sie sich geborgen und umsorgt.

Und dort erfüllte sich auch ein großer Wunsch. Zum Geburtstag überraschten die Pflegekräfte Uschi Pathmann mit einer Autogrammkarte Giovanni Zarrellas – ihr Lieblingssänger. „Das war verrückt“, erinnert sie sich. Und es kam noch besser. Plötzlich stand der Superstar höchst persönlich vor der Tür. Susanne Schreiber, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Hospizes, hatte den Prominenten angeschrieben und gefragt, ob er mal vorbeischauen könne. Und er konnte. Auf einmal war Uschi dann doch dem (siebten) Himmel ganz nah.
Wiedersehen mit dem Superstar in Bochum
Zum Abschied schenkte Giovanni Zarrella ihr und dem Team Eintrittskarten für ein Konzert im August in Bochum. „So lange musste ich also noch durchhalten. Das hatte ich ihm versprochen“, verrät die Seniorin mit dem sympathischen Lachen. Sie hielt tatsächlich durch und war der „glücklichste Mensch auf der Welt“. „Der Tag war toll. Wir haben Giovanni sogar hinter der Bühne getroffen“, erzählt Uschi Pathmann begeistert. Aber die Freude war nicht von Dauer, denn kurz darauf erfuhr die 72-Jährige, dass sie ausziehen musste. „Ich dachte, ich falle tot um, aber er hat mich immer noch nicht geholt“, erklärt sie verzweifelt und blickt dabei kurz nach oben.

„Jetzt bin ich hier.“ Trauer und Schmerz liegen in ihrer Stimme. Die Familienfotos hängen bereits an den Wänden, ebenso das große Bild vom Pilsumer Leuchtturm in Ostfriesland, wo sie schon mal war, und natürlich das von Giovanni Zarrella. Nur für ihren Lieblingsstuhl war leider kein Platz. Doch viel mehr zählen die Menschen. „Ich bin schließlich nicht allein“, sagt Uschi Pathmann tapfer. Bestimmt werden Mitarbeiterinnen und Ehrenamtliche aus dem Hospiz sie besuchen und ihre Freundin Irene sowieso.
Solar-Leuchtturm ist ein Zeichen der Hoffnung
Außerdem steht Uschi Pathmann in engem WhatsApp-Kontakt mit 32 Freunden oder Bekannten. Und täglich telefoniert sie mit ihrem Sohn. Der hat ihr sogar einen neuen, einen viel größeren Solar-Leuchtturm geschenkt, der draußen im Garten des Pflegeheims neben einem Strandkorb steht. Bereits im Hospiz sendete ein kleineres Exemplar seinen Lichtstrahl in die dunkle Nacht. Ein Zeichen der Hoffnung. Die will die Recklinghäuserin nicht verlieren, obwohl sie nun in Herne lebt – und irgendwann auch stirbt.