Christian Runge vor dem Haus Dortmunder Straße 11

Christian Runge freut sich: Das Gerüst ist weg, die Vorderfassade des Hauses Dortmunder Straße 11 ist wiederhergestellt. © Christian Pozorski

Die Runges hauchen dem Recklinghäuser „Braumeisterhaus“ neues Leben ein

rnAltbausanierung – mit Video

Solche Leute braucht die Stadt: Hella und Christian Runge nehmen sich eines fast schon aufgegebenen Gebäudes an der Dortmunder Straße an und renovieren es im besten Wortsinn.

RE-Ost

, 04.07.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Als die Überlegungen der Eheleute Runge konkret wurden, das Haus an der Dortmunder Straße 11 zu sanieren, erdachte sich Christian Runge einen kleinen Marketing-Gag: „Wir nennen es das Braumeisterhaus“, so seine Idee. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zur einstigen Brauerei, die dort bis 1979 stand. Umso größer war seine Verblüffung, als er bei späteren Recherchen im Stadtarchiv feststellte: „Es war ein Braumeisterhaus.“ Und zwar nicht irgendeines: Josef Kipp, der mehr als 50 Jahre bei der Schlegel-Brauerei gearbeitet und diese 39 Jahre lang als Direktor geleitet hatte, hat an der Dortmunder Straße 11 gewohnt. Und nicht ganz ohne Grund hat die Stadt später ein paar Hundert Meter weiter eine Straße nach ihm benannt, die Josef-Kipp-Stiege.

Für Christian Runge und seine Frau Hella war das nur eine zusätzliche Motivation, dem verfallenden Gebäude neues Leben einzuhauchen. Dass es überhaupt dazu kam, ist einem Zufall zu verdanken. Denn es ist nicht das erste Haus in Recklinghausen, das das Ehepaar aus Münster wieder mit viel eigenem Gestaltungswillen und einer Menge helfender Hände in einen zeitgemäßen Zustand versetzt: Das Gebäudeensemble Castroper Straße 1 und 3 hatte es den Runges angetan, ein grundfester Bau aus dem Jahr 1928. „Daraus lässt sich doch was machen“, sagten sie unisono. Inzwischen ist dort fast alles geschafft, die Wohnungen haben Balkone und Hausinternet erhalten, und alle 14 Einheiten sind wieder vermietet.

„Manche haben uns für bescheuert erklärt“

Und ein Nebeneffekt war: „Wir sind auf dem Weg dorthin immer wieder an dem Haus an der Dortmunder Straße 11 vorbeigekommen. Und wir waren uns einig: Es ist doch viel zu schade, dass das verfällt.“ So handelte man schließlich: Als die Sparkasse Vest das Gebäude zur Versteigerung freigab, schlugen die Runges im Jahr 2020 zu: „Dabei hatten uns so einige Leute davon abgeraten, manche haben uns gar für bescheuert erklärt.“

Rot umkreist zeigt sich das Haus an der Dortmunder Straße 11 neben der Schlegel-Brauerei (M.).

Historische Einordnung: Rot umkreist zeigt sich das Haus an der Dortmunder Straße 11 neben der Schlegel-Brauerei (M.). © Stadtarchiv

Das Haus stammt aus dem Jahr 1899, es hat einen Anbau von 1905, und es war komplett zugewachsen mit Eiben und ganz viel Unkraut. Im Januar 2021 hat man dort angefangen, knapp 18 Monate später ist ein erster Meilenstein erreicht: Die Vorderfassade zur Dortmunder Straße hin ist fertig, sie soll ab sofort als Aushängeschild dienen, das Gerüst wurde in diesen Tagen abgebaut.

Und während die Handwerker noch im Beisein von Hella Runge den Etappenerfolg mit Gegrilltem und Bierchen begehen, erläutert Christian Runge den aktuellen und zukünftigen Gebäudezustand.

Blick auf eine Decke im Haus Dortmunder Straße 11.

Das Potenzial ist nicht nur für Fachleute erkennbar: Blick auf eine Decke mit Rundbögen. © Christian Pozorski

Was man noch nicht sehen kann: Das Haus wird einen Außenaufzug erhalten, der nicht nur allgemein für die nötige Barrierefreiheit sorgt, sondern auch dem „Penthouse“ im Dachgeschoss ein exklusives Entree verschaffen wird. Was hingegen schon fast fertig ist: Das Gebäude wird künftig geothermisch beheizt. Die nötigen Bohrungen hinter dem Haus sind längst erledigt, die Technik ist bereits eingebaut.

Blick in die Wohnung im ersten Stock an der Dortmunder Straße 11.

Man ahnt es hier schon, wie großzügig manche Räume sein werden. © Christian Pozorski

Überhaupt gilt: „Wir bauen so um, dass wir auch selbst einziehen würden“, sagt Christian Runge. Entstehen werden drei große Wohnungen auf drei Etagen – so ist zumindest der Plan: Da kommen im Erdgeschoss und in der ersten Etage jeweils 139 Quadratmeter mit Balkon zusammen.

In voller Pracht: die sanierte Fassade.

In voller Pracht: die sanierte Fassade. © Christian Pozorski

Und protzen werden die Wohneinheiten nicht nur mit viel Platz, sondern auch mit dem, was Altbauten zu bieten haben: „Wir wollen den Original-Holzfußboden erhalten, und die Räume werden eine Höhe von 3,70 Meter erhalten“, sagt Christian Runge. Und im üppigen Wohn-/Essbereich wird zudem das vorhandene Holzständerwerk aufbereitet. Aber grundsätzlich ist es auch möglich, auf diesen beiden Etagen kleinere Bereiche als Apartments abzutrennen. „Das entscheiden wir nach Bedarf.“

Das Dachgeschoss wird zum Prachtgeschoss

Zum echten Prachtstück wird schließlich das Dachgeschoss, in dem sich eine Wohnung entfalten soll, die inklusive einer Dachterrasse auf 180 Quadratmeter kommen wird. Und dabei bleibt es nicht: Mithilfe einer Wendeltreppe werden noch weitere 20 Quadratmeter im Zwerchhaus erschlossen: „Für Gäste oder als Arbeitsbereich“, kann sich Christian Runge vorstellen. Obendrein wird es im Souterrain noch eine kleine, feine Gewerbeeinheit geben – zum Beispiel ein Weingeschäft könnten sich die Bauherren hier vorstellen.

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Doch warum stürzen sich die Runges überhaupt in so eine Aufgabe? Tatsächlich kommen die beiden nicht aus der Branche, sie haben eigentlich eine Firma mit dem Namen „African Water“. Und das passt: Dr. Hella Runde ist Geologin, ihr Mann Christian Kaufmann. So führten sie gemeinsam ein Brunnenbohrunternehmen, das auch lange das erfolgreich erledigte, was es konnte: Trinkwasserversorgung in Drittweltländern, auch und gerade in großen Flüchtlingslagern. Doch damit war Ende 2013 Schluss: Quasi in letzter Sekunde konnten beide aus dem Bürgerkriegsgebiet im Südsudan fliehen. Allerdings mussten sie alles zurücklassen, und die Hoffnungen, wieder dorthin zurückzukehren, zerschlugen sich.

Bislang existiert er nur visualisiert: der künftige Außenaufzug.

Bislang existiert er nur visualisiert: der künftige Außenaufzug. © Christian Runge

Immerhin hatten sie Häuser in Deutschland, die sie durchaus rentabel vermieten konnten, und so entschloss man sich, diese Richtung einzuschlagen: „Weil auch die Kinder aus dem Gröbsten raus sind und ich nichts anderes mehr zu tun hatte“, sagt Christian Runge und grinst. Sein ausdrückliches Lob gilt der Recklinghäuser Bauordnung, „die immer lösungsorientiert gehandelt hat“.

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Was bleibt, ist die Frage, wer in Zukunft dort wohnen soll – als Mieter oder Eigentümer: „Ich könnte mir den Millionär aus Oer-Erkenschwick vorstellen, dem seine 400-Quadratmeter-Villa mit Garten zu groß geworden und der gerne stadtnah in Recklinghausen leben würde“, sagt Christian Runge und grinst schon wieder: „Aber vielleicht gibt’s den auch gar nicht.“

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