Wer ein Grundstück besitzt und möglicherweise auch noch ein Haus darauf, kommt nicht daran vorbei: Er (oder sie) muss Grundsteuer zahlen, die über lange Jahrzehnte mit stoischer Hartnäckigkeit am Anfang des Jahres über einen von der Stadt versendeten Bescheid eingefordert wurde. Dieser Bescheid wird auch Mitte Januar 2025 wieder kommen, aber was dann darin steht, wird nicht zuletzt von einer Entscheidung abhängen, die die lokale Politik am Montag, 2. Dezember, fällt. Es ist tatsächlich ein Vorgang, der in Recklinghausen höchst selten ist: Die Verwaltung hat zwei Vorschläge vorbereitet, der Rat sucht sich einen aus. (Und wenn im Folgenden von Grundsteuer die Rede ist, dann ist Grundsteuer B gemeint. Grundsteuer A gilt für land- und forstwirtschaftliche Betriebe und macht nur 0,4 Prozent aus)
Um in aller gebotenen Kürze zu erklären, wie es zu dieser Situation gekommen ist, muss man ins Jahr 2018 zurückgehen: Da hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die bis dahin geltende Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt. Was bedeutet: Es werden nicht alle gleich behandelt.

Bemessungsgrundlagen waren völlig veraltet
Und tatsächlich war das nicht aus der Luft gegriffen: Die sogenannten Einheitswerte für Grundbesitz, die für die Ermittlung der Grundsteuer entscheidend sind, wurden bis dahin in den „alten“ Bundesländern auf den Werteverhältnissen von 1964 ermittelt, in den „neuen“ Bundesländern war es 1935. Ursprünglich war mal alle sieben Jahre eine Aktualisierung vorgesehen, doch das ist nie geschehen. So wurde der Bund aufgefordert, die Regelung bis Ende 2019 zu reformieren, und so kam es dann auch. Allerdings wurde auch eine Öffnungsklausel eingebaut, die es den Ländern ermöglichte, eigene Regelungen zu treffen. Sicher war nur: Innerhalb von fünf Jahren sollte alles umgesetzt sein, ab 1. Januar 2025 ist das neue Grundsteuerrecht verbindlich.
Und so wurden alle Grundstückseigentümer zunächst bis Ende Oktober 2022 (und später verlängert bis Ende Januar 2023) aufgefordert, Angaben zur Neubewertung ihres Grundbesitzes zu machen. Das Finanzamt legte danach den Einheitswert fest, der jetzt Grundsteuerwert heißt, und verschickte entsprechende Bescheide.

Findige Experten hatten schnell errechnet, dass bei der Neuregelung vor allem die Besitzer von Wohngrundstücken belastet werden, während die Nicht-Wohngrundstücke (vornehmlich Gewerbe) eher verschont bleiben sollten. Was auch daran liegt, dass im Bundesgesetz auch die sogenannte Grundsteuermesszahl für alle Arten von Grundstücken angeglichen wurde, was vorher nicht so war: Da waren Wohngrundstücke deutlich sanfter bewertet worden. Und weil man das nicht hinnehmen wollte, haben einige Bundesländer eigene Wege beschritten, NRW hingegen nicht.
Auch Bürgermeister Christoph Tesche hatte sich in einem Brief ans Ministerium deutlich für eine Veränderung der Steuermesszahlen eingesetzt, doch das wurde letztlich mit der Begründung abgelehnt, dass das organisatorisch nicht mehr möglich sei.
Nun muss man wissen, dass die Grundsteuer so errechnet wird: Grundsteuerwert (früher: Einheitswert) x Grundsteuermesszahl x Hebesatz. Letzterer wird von den Städten selbst festgesetzt, und er galt stets einheitlich für alle Arten von Grundstücken. Doch da hat das Land im Juli mal schnell das NRW-Grundsteuerhebesatzgesetz beschlossen, das den Städten die Chance gibt, unterschiedliche, also differenzierte, Hebesätze festzusetzen – getrennt nach Wohn- und Nicht-Wohngrundstücken.
Und genau da kommt jetzt der Rat ins Spiel, für den Kämmerer Ekkehard Grunwald und Michael Lubrich als Fachbereichsleiter Finanzen eine ganze Menge Lektüre vorbereitet haben: Knapp 200 (!) Seiten umfasst die vorgelegte Ausarbeitung zu diesem Tagesordnungspunkt, was zweifelsfrei rekordverdächtig ist.
Stadtrat hat zwei Optionen zur Auswahl
Tatsächlich werden die Ratsmitglieder bei der Festsetzung des Hebesatzes die Wahl zwischen zwei Optionen haben: Alternative A sieht einen einheitlichen Hebesatz vor, der vom Land in Höhe von 784 v.H. (von Hundert) ermittelt wurde. Alternative B differenziert hingegen: Hier ist ein Hebesatz von 663 v.H. für Wohngrundstücke und 1173 v.H. für Nicht-Wohngrundstücke vorgesehen. Sicher ist: Beide Varianten sorgen für stabile Steuereinnahmen, die in diesem Bereich rund 25 Mio. Euro betragen.
Doch was würde das für die Eigentümerinnen und Eigentümer, die das im Übrigen auf alle Mieter umlegen können, bedeuten? Bei der Alternative A müssten für die insgesamt 33.626 Wohnobjekte in Recklinghausen in jedem dritten Fall weniger als 2024 bezahlt werden. In der Mehrzahl käme es zu recht moderaten Erhöhungen, lediglich acht Prozent müssten über 500 Euro mehr im Jahr zahlen.
Bei der Alternative B kämen die meisten Wohngrundstücksbesitzer hingegen besser weg: Bei rund 52 Prozent würde die Grundsteuer geringer ausfallen, lediglich für 4 Prozent würde es über 500 Euro teurer werden. Anders sieht es bei Nicht-Wohnobjekten, also den Gewerbeeinheiten, aus: Für 35 Prozent würde die Grundsteuer sinken, aber: Für fast 30 Prozent würde der finanzielle Mehraufwand bei über 500 Euro liegen.
Natürlich geht man bei der Stadt davon aus, dass nicht alle zufrieden sein werden und Widersprüche gegen die Bescheide kommen. Das wäre auch jedermanns gutes Recht, aber die Verwaltung weist schon jetzt darauf hin, dass sie allenfalls bei offensichtlichen Rechenfehlern zuständig sei. Ansonsten sei in den allermeisten Fällen wohl das Finanzamt der richtige Ansprechpartner.