Ein Chefkoch in Recklinghausen Sittipong Suraudon sorgt im „Baan Sukhothai“ für feurige Schärfe

Chefkoch im Revier: Sittipong Suraudon ist Küchenchef im „Baan Sukhothai“
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Sittipong Suraudon füllt behutsam eine Portion Hackfleisch in die große Wok-Pfanne, an der die blauen Flammen des Gasherds züngeln. Es ist heiß in der Küche. Seine Mitarbeiterin arbeitet gegenüber von ihm, fokussiert auf das Gemüse, das sie für den Küchenchef zubereitet. Die Abläufe sind klar. Die beiden müssen nicht sprechen. Alles läuft kommunikationslos. Plötzlich springt eine riesige Stichflamme aus der Pfanne, verdeckt Suraudon, der kurzzeitig nur noch als Silhouette erkennbar ist. Das ist das Zeichen: Das Hackfleisch ist durch. Nicht mal eine Minute ist seitdem verstrichen. Suraudon kann anrichten für das thailändische Gericht „Pad Krapauw Moo“ mit Jasminreis und dem namensgebenden Königsbasilikum (Krapauw). Und sich direkt der Zubereitung des nächsten Gerichts widmen, während ein Mitarbeiter den Teller zum Gast bringt.

„Das liegt an der Pfanne und an dem Herd“, weiß der Küchenchef des thailändischen Restaurants „Baan Sukhothai“. „Und an der Stichflamme, die den Röstprozess beschleunigt.“ Suraudon arbeitet seit 2019 im Restaurant am Westerholter Weg im Recklinghäuser Westviertel. Dabei hatte er als Teenager ganz andere Berufswünsche.

Hackfleisch brät in einer Pfanne.
Gart in Sekundenschnelle: Hackfleisch für das Gericht "Pad Krapauw Moo", eigentlich ein thailändisches Frühstück. Schärfegrad: 0. © Christian Pozorski

Ausbildung zum Chefkoch in Bangkok

„Als Kind wollte ich erst Soldat werden“, berichtet Sittipong Suraudon, während er parallel mit einer Hand die Pfanne wendet, in der ein Curry-Gericht brutzelt. „So wie mein Vater, der war in der thailändischen Armee.“ Anstatt des Gewehrs ergriff Suraudon aber den Kochlöffel. Warum? Während erster Jobs in thailändischen Küchen lernte er das Kochen lieben, sagt er. „Und wenn die Menschen glücklich waren, nachdem sie mein Essen gegessen haben, war das ein tolles Gefühl.“

Thai-Koch Sittipong Suraudon steht in seiner Küche in Recklinghausen.
Wollte erst Soldat werden: Sittipong Suraudon, der jetzt die Küche im „Baan Sukhothai“ leitet. © Christian Pozorski

Dann folgte die Ausbildung zum Chefkoch an der thailändisch-schweizerischen Kochschule in Bangkok. Neben dem Handwerk an sich lernte er dort auch Betriebswirtschaft oder die Konzeption von Speisekarten. Die Ausbildung sei also in etwa vergleichbar zu der eines Chefkochs in Deutschland, erklärt er. Anschließend arbeitete sich Suraudon in verschiedenen Küchen in Thailand hoch, bis zur Rolle des ersten Küchenchefs, zum „Executive Chef de Cuisine“, wie die gängige internationale Bezeichnung lautet.

Die Organisation einer Thai-Küche ist besonders, läuft sie doch sozusagen einmal um den Herd herum. Für Suraudon ging es ganz am Anfang los, beim „Schnippeln“ und Kochen kleinerer Gerichte. In der Mitte steht der „Angeber“, der direkt dem Küchenchef zuarbeitet, eben vor allem das geschnittene Gemüse angibt. Am Hauptherd arbeitet schließlich der erste Küchenchef, der die großen Gerichte in der Wok-Pfanne vollendet und abschmeckt. Suraudon startete „ganz unten“ auf der gegenüberliegenden Seite und erarbeitete sich über die Jahre die Rolle des „Generalissimus“ in der Küche.

Eine Frau steht im Restaurant Baan Sukhothai in Recklinghausen und bereitet Gemüse vor.
Arbeitsteilung: Suraudons Mitarbeiterinnen bereiten das Gemüse vor, das der Küchenchef anschließend in Sekundenschnelle über dem Gasherd anbrät. © Christian Pozorski

Chefkoch in Dubai und auf den Malediven

Aber Suraudon wollte irgendwann „ein Upgrade“ für sich selbst, so zog es ihn 2013 für zwei Jahre nach Dubai. „Ich wollte neue Erfahrungen sammeln und ein Restaurant in einem anderen Land kennenlernen“, erklärt er die Hintergründe. Dort arbeitete er als erster Chefkoch in einem asiatischen Restaurant, „unweit des Burj Khalifa.“ Nach zwei Jahren auf den Malediven, als Küchenchef in einem Fünf-Sterne-Hotel, ging es für erneut zwei Jahre zurück nach Dubai. Ehe es ihn ins Ruhrgebiet verschlug.

Dirk Montha und Ehefrau Sukanya Montha stehen in ihrem Restaurant Baan Sukhothai in Recklinghausen.
Sie leiten das Restaurant „Baan Sukhothai“: Dirk Montha und Ehefrau Sukanya Montha. © Christian Pozorski

2019 eröffnete das „Baan Sukhothai“

2019 hielten Dirk Montha und seine Ehefrau Sukanya Montha Ausschau nach einem Küchenchef für ihr neues thailändisches Restaurant „Baan Sukhothai“ – was frei übersetzt so viel bedeutet wie „Haus des Wohlbefindens“. Was den Inhabern am Herzen lag: Sie wollten authentische Thai-Gerichte anbieten. Suchten also einen erfahrenen Koch, der die thailändische Küche aus dem Effeff beherrscht, sagt Dirk Montha rückblickend. Sittipong Suraudon überzeugte, hinzu kamen im Laufe der Jahre vier weitere Thai-Köche. Doch die Beschäftigung des Spezialitätenkochs gestaltete sich kompliziert. Suraudon musste vorher nochmal seine Kochkünste beweisen. Die deutsche Botschaft verlangte vor der Einreise und der Beschäftigung als Koch im „Baan Sukhothai“ einen Kochtest, trotz der vorliegenden internationalen Erfahrung und Suraudons Führungstätigkeiten. Erst nach absolvierter Prüfung durfte er einreisen.

Suraudons Familie lebt noch in Thailand

Der Erfolg im Beruf hat für Suraudon aber auch eine Kehrseite. Durch seine internationale Karriere musste er seine Familie in Thailand zurücklassen. Seine Ehefrau und die 14-jährige Tochter leben genau wie seine Eltern noch in Udon Thani, im Nordosten des Landes. „Einmal im Jahr kann ich sie besuchen“, seufzt Suraudon. Elf Jahre arbeitet er nun schon fern der Heimat und vermisst seine Familie, da reichen tägliche Telefonate und Whatsapp-Nachrichten nicht aus. „Aber sie sind es inzwischen gewohnt, dass ich weg bin“, sagt er mit Blick auf seine internationale Karriere. Suraudon hofft, dass er bald mit seiner Familie in Deutschland vereint sein kann. Baan-Sukhothai-Inhaber Dirk Montha will dabei helfen, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht. Aber: „Es ist leider schon schwierig, gewöhnliche Visa für Thailänder in Deutschland zu beantragen“, sagt er.

Die Monthas helfen ihrem Thai-Chef de Cuisine auch beim Lernen der deutschen Sprache. „Wir sind wie Brüder“, erklärt Dirk Montha. „Wir fahren sogar in den Ferien manchmal mit der ganzen Belegschaft in den Thailand-Urlaub.“

Die Schärfe kommt von thailändischen Chili-Schoten

Apropos Thailand-Urlaub: Das „Baan Sukhothai“ betont auf seiner Webseite, dass die Gerichte im Restaurant vergleichbar mit jenen aus Urlaubsorten sind. So finden sich auf der Speisekarte etwa verschiedene Curry-Gerichte, ob mit Fisch, mit Fleisch oder vegetarisch. „Die Grundlage ist immer Kokosmilch“, verrät Suraudon. Viele Zutaten sind einzigartig, so etwa die thailändischen Auberginen im Rezept „Gaeng Kiew Wan Gai“, ein grünes Curry mit Hähnchen-Brustfiletstreifen, Bambussprossen und Basilikum. Thailändische Auberginen sind kleine runde Früchte, die entgegen ihren länglichen Namensvettern eher bitter schmecken.

Ansicht einer thailändischen Aubergine im Restaurant "Baan Sukhothai" in Recklinghausen.
Sie gehört zu vielen Curry-Gerichten dazu: die thailändische Aubergine. © Christian Pozorski

Zudem gibt es vier verschiedene Schärfegrade, welche die Gäste bei der Bestellung auswählen können: mild, 25 Prozent (leicht-scharf), 50 Prozent (mittel-scharf) und 100 Prozent (thai-scharf). „Wir haben aber auch noch schärfere Gerichte, die der Thailänder kennt“, betont Dirk Montha. „Das kann der Europäer aber in der Regel nicht essen. Es ist einfach zu scharf.“

Ansicht zerkleinerter Chilischoten im "Baan Sukhothai" in Recklinghausen.
Zerkleinerte Chilischoten bestimmen den Schärfegrad der Gerichte im "Baan Sukhothai". © Christian Pozorski

„In Dubai und auf den Malediven haben die Leute deutlich schärfer gegessen“, fügt Sittipong Suraudon grinsend hinzu. Woher die Schärfe kommt? Suraudon demonstriert es in der Küche und holt eine kleine, längliche rote Frucht aus einer Schale hervor. Eine thailändische Chili-Schote, die den Schärfegrad des jeweiligen Gerichts bestimmt. Der Küchenchef schneidet die Schote in kleine Teile, „die kleinen Mäuse“, wie er sie liebevoll nennt. Die goldene Regel: Je mehr Chili einem Gericht beigefügt wird, desto schärfer schmeckt es.

Musik statt Stress in der Küche

Übrigens: Scharfe Töne in der Küche sind selten, betont Sittipong Suraudon. „In thailändischen Küchen gehen wir anders mit Stress um“, sagt der 41-Jährige. Statt Kommandos gibt es Musik. Das sieht so aus: Manchmal, wenn Suraudon merkt, dass Stress in der Küche aufkommt, behält er die Kontrolle, indem er anfängt zu singen. „Oder ich summe dann einfach vor mich hin“, berichtet er. Einen Lieblingssong? Hat er nicht, sagt der Küchenchef, der übrigens auch Talent an der Gitarre hat. Dirk Montha verrät: Nach Feierabend spielt Suraudon manchmal für die Belegschaft.

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Recklinghausens Küchenchefs

In der Serie „Recklinghausens Küchenchefs“ stellt diese Redaktion Köche und Köchinnen aus der Recklinghäuser Gastro-Szene vor. Im Fokus steht ihr Werdegang und wie die Köche ihre kulinarische Idee im Restaurant umsetzen. Nach Besuchen bei Pizzeria Neros, bei Haus Klostermann und beim „Syrtaki“-Grill geht es im vierten Teil der Reihe ins thailändische Restaurant „Baan Sukhothai“.