Verzögerung von sechs Jahren Bärenbach-Anwohner klagen über eine schier „endlose“ Belastung

Sechs Jahre länger: Bärenbach-Anwohner klagen über „endlose“ Belastung
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Kaum jemand hatte etwas gegen den Plan, der etlichen Anwohnern der Berghäuser Straße bei einer Bürgerinfoveranstaltung im Jahre 2016 vorgestellt wurde. Der Bärenbach, eines dieser recht unscheinbaren Gewässer im Stadtgebiet Recklinghausen, war über viele Jahrzehnte als sogenannte Köttelbecke missbraucht worden, und damit sollte endlich Schluss sein: Renaturiert werden sollte der Bärenbach, und dafür bat die Stadt die direkten Anwohner um eine Handreichung. Diese sollten den hintersten Teil ihrer Grundstücke in kompletter Breite und fünf Meter tief abtreten, damit dort eine Baustraße entstehen könne. Nach erledigter Arbeit sollten die Grundstücke schließlich wieder an die Eigentümer zurückgegeben werden – zwei Jahre später.

Doch das blieb eine Vision, die Umsetzung hat nicht wirklich funktioniert: Heute, acht Jahre danach, sind die Arbeiten immer noch nicht abgeschlossen, und dementsprechend sind auch die Grundstücke noch nicht wieder in die Hände der Besitzer übergeben worden. Bei Peter Scheimann von der Nummer 115 ist der gute Wille deswegen längst aufgebraucht: „Das Maß ist komplett überschritten. Und der Witz ist ja: Seit acht Jahren können wir unsere Grundstücke nicht nutzen, aber Grundstückabgaben müssen wir jedes Jahr pünktlich zahlen.“

Karte der Umgebung des Bärenbachs
Um diesen rot gekennzeichneten Abschnitt des Bärenbachs hinter den Häusern an der Berghäuser Straße geht es. © RVR

Nun ist es nicht unüblich, dass Bauvorhaben mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich geplant, doch ein zusätzlicher Zeitaufwand von sechs Jahren ist allemal gewaltig und ein Grund, bei der Stadt nachzufragen. Rathaussprecher Hermann Böckmann erinnert zunächst einmal daran, dass die Verhandlungen mit einigen Grundstückseigentümern dann doch im Detail recht kompliziert waren, aber im Wesentlichen gäbe es für die Verzögerung zwei Erklärungen: „Zum einen war es sehr schwierig, eine Einigung mit Straßen.NRW bzw. der Autobahn GmbH über die Einleitung von Oberflächenwasser von der A2 in den Bärenbach-Kanal zu erzielen. Und zum anderen wurde von 2017 bis 2019 in der Berghäuser Straße eine Fernwärmeleitung verlegt, was für die Abteilung Stadtentwässerung nicht vorhersehbar war. Die eigentlich vorgesehene Bebauung der Grundstücke im Hintergelände der Berghäuser Straße wurde daraufhin verschoben, weil man die Anwohner nicht mit zwei Baustellen gleichzeitig, also vor und hinter ihren Häusern, belasten wollte.“

Zwei Satellitenfotos von einem Teilstück des Bärenbachs.
Mit und ohne Baustraße: Auf dem rechten Satellitenfoto ist die Baustraße entlang des Bärenbachs zu erkennen, für die die Anwohner den hinteren Teil ihrer Grundstücke (auf Zeit) geopfert haben. © RVR

Neun Millionen Euro werden an dieser Stelle verbaut

Erst danach sei es zum Abschluss eines Durchführungsvertrags mit der Autobahn GmbH gekommen: Gemeinsam ging man den Bau von mehreren Kanälen und einer Regenwasser-Behandlungs-Anlage an, was insgesamt ein Investitionsvolumen von knapp neun Mio. Euro umfasst. Dass die Corona-Pandemie zwischenzeitlich noch als zusätzliches zeitliches Hindernis hinzukam, sei hier nur am Rande erwähnt.

Doch so sehr die meisten Anwohner den Start der eigentlichen Arbeiten auch herbeigesehnt hatten, so belastend wurde die Zeit aber auch: „Hier hat alles gerappelt, und zwar ab sieben Uhr morgens. Da haben die Gläser auf dem Tisch getanzt, und Fernsehen konnte man gar nicht mehr, weil es zu laut war. Sogar eine Schredderanlage ist da zum Einsatz gekommen“, erklärt Peter Scheimann. Und weil der Garten längst zum (gefühlten) Industriegebiet geworden war, wandten sich einige Anwohner auch an die Untere Immissionsschutzbehörde beim Kreis Recklinghausen – weitgehend erfolglos.

Gerätehäuschen steht im Swimming Pool.
Kurioses Detail: Weil er den hinteren Teil seines Grundstück (für längere Zeit) abtreten musste, war Peter Scheimann gezwungen, einen neuen Platz für ein Gerätehäuschen zu finden. Die Lösung: Er stellte dieses in den Swimming Pool. © Ralf Wiethaup

Immerhin: Es ist ein Ende abzusehen, zumindest im nordöstlichen Abschnitt zwischen den Häusern Berghäuser Straße Nr. 111 bis Nr. 183 wird gerade der Boden planiert, zudem werden Zäune aufgestellt. Bis Ende August könnte das erledigt sein, eine Rückgabe der Grundstücke stünde also bevor. Zwischen dem Schreberweg und der Berghäuser Straße 109 im südwestlichen Bauabschnitt braucht man mehr Geduld: Dort soll die Entfernung der Sohlschalen, in denen der Bärenbach bislang plätscherte, erst im kommenden Jahr erfolgen. „Diese Arbeiten müssen noch gesondert ausgeschrieben werden“, so Hermann Böckmann.

Keine guten Nachrichten hat der Stadtsprecher hingegen für Peter Scheimann und andere Anwohner, die sich über die nicht ausgesetzten Grundbesitzabgaben für ihre gesamten Grundstücke ärgern, obwohl sie Teile davon nicht nutzen konnten.

„Für eine Ermäßigung bei den Grundbesitzabgaben, also Grundsteuer und Gebühren, gibt es weder einen gesetzlichen noch einen satzungsrechtlichen Anspruch“, erklärt Böckmann.

Baustellen hinter den Gärten.
Aktuell sieht es hinter den Gärten so aus: Links ist schon ein echter Fortschritt inklusive neuer Zäume zu erkennen, rechts müssen die Bagger noch gröberes Werk verrichten. © Ralf Wiethaup

Tatsächlich geht es nicht um horrende Summen, aber vielleicht kann man die Sache ja elegant aus der Welt schaffen – über eine mögliche Nutzungsentschädigung, die ohnehin von einigen Anwohnern gefordert wird. Ein Schlupfloch, das laut Hermann Böckmann noch nicht geschlossen ist: „Die Stadtverwaltung ist noch in der Prüfung, ob eine Nutzungsentschädigung zum Tragen kommt. Dazu findet noch ein Austausch der beteiligten Abteilungen statt, der zeitnah abgeschlossen werden soll.“