Razzia gegen Reichsbürgerszene Birgit Malsack-Winkemann und ein Prinz - Wer sind diese Leute?

Razzia gegen Reichsbürgerszene: Wer wurde festgenommen?
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Zu den Verdächtigen, die bei der bundesweiten Razzia gegen die sogenannte Reichsbürgerszene festgenommen wurden, gehört auch Heinrich XIII. Prinz Reuß. Der 71-jährige Unternehmer aus Hessen, der ein Jagdschloss in Ostthüringen besitzen soll, steht laut Bundesanwaltschaft im Verdacht, ein Rädelsführer der mutmaßlichen Terrorgruppe gewesen zu sein.

Den Ermittlungen zufolge soll der Unternehmer Vorsitzender des zentralen Gremiums der Gruppe gewesen sein und im Fall des Umsturzes als „zukünftiges Staatsoberhaupt“ gegolten haben. Er soll auch versucht haben, Kontakt zu Vertretern der Russischen Föderation aufzunehmen. Der Mann wurde am Vormittag in Frankfurt festgenommen.

Heinrich XIII Prinz Reuß wird von zwei maskierten Polizisten in Handschellen abgeführt.
Bei einer Razzia gegen sogenannte „Reichsbürger“ führen vermummte Polizisten, nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß (M.) zu einem Polizeifahrzeug. © picture alliance/dpa

Ex-AfD-Abgeordnete festgenommen

Auch die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann wurde festgenommen. „Wir werden alle Instrumente ausschöpfen, um die Beschuldigte vollständig aus dem Richterdienst zu entfernen“, sagte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) am Mittwoch auf Anfrage. In Berlin wurden ihre Wohnung und ein Lagerraum durchsucht. Laut Senatsinnenverwaltung war es die einzige Aktion im Rahmen der deutschlandweiten Razzia in der Hauptstadt.

Kreck hatte zuletzt versucht, die Rückkehr der 58-Jährigen in den Richterdienst zu verhindern, war damit jedoch vor dem Dienstgericht für Richter gescheitert. Sie bezeichnete Malsack-Winkemann als „brandgefährliche Person“. „Das ist eine Person, die als Richterin auf keinen Fall mehr tätig sein darf“, betonte Kreck. Sie werde dafür kämpfen, dass die Richterin nicht nur ihr Amt verliere, sondern auch kein Ruhegehalt bekomme.

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte im vergangenen Oktober als Dienstgericht den Antrag der Senatsjustizverwaltung zurückgewiesen, die gebürtige Darmstädterin wegen ihrer politischen Reden im Bundestag und weiterer Äußerungen in den Ruhestand zu versetzen. Das Grundgesetz garantiere die Redefreiheit im Bundestag, die dortigen Reden dürften zu keinen dienstlichen Verfolgungen oder anderen Sanktionen durch den Staat führen, hieß es vom Gericht.

Malsack-Winkemann sagte damals, sie habe die Aufgaben getrennt und nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag „sofort reagiert und davon Abstand genommen“. Die Mutter zwei Kinder, die ihr zweites Staatsexamen 1993 in Stuttgart ablegte, war zuletzt am Landgericht in der Zivilkammer 19a für Bausachen zuständig.

Nach ihrer Festnahme im Zuge der Anti-Terror-Aktion gegen die Reichsbürgerszene die Richterin Birgit Malsack-Winkemann zunächst nicht mehr an aktuellen Entscheidungen des Landgerichts Berlin beteiligt. Am Mittwoch sei die Juristin aus dieser Kammer ausgeschieden, teilte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage mit. Der Geschäftsverteilungsplan sei am selben Tag per Eilverfügung entsprechend geändert worden. Malsack-Winkemann ist damit vorerst nicht in aktuelle Verfahren eingebunden. Sie steht den Angaben zufolge aber weiterhin als Richterin zur Verfügung auf einer sogenannten Bereitschaftsliste.

Weitere Angaben zum Dienstverhältnis der Richterin könne sie nicht machen, erklärte die Sprecherin und verwies auf die Zuständigkeit der Senatsjustizverwaltung. Zuständig für den Fall ist nun der Dienstgerichtshof beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg.

Zurück in den Richterdienst

Malsack-Winkemann saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft gehören die Festgenommenen einer terroristischen Vereinigung an. Die Behörde hat am Mittwochmorgen bundesweit insgesamt 25 Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festnehmen lassen. Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, den Umsturz des Staates vorbereitet zu haben.

Die Parteispitze der AfD wusste nach eigenen Angaben nichts von möglichen Aktivitäten der früheren Bundestagsabgeordneten. „Von dem Fall haben wir heute, wie die meisten Bürger auch, erst aus den Medien erfahren“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel vom Mittwoch.

Sie fügten hinzu: „Wir verurteilen solche Bestrebungen und lehnen diese nachdrücklich ab.“ Nun müssten die Ergebnisse der Ermittlungen abgewartet werden. Die AfD-Vorsitzenden, die in der Vergangenheit mehrfach Kritik am Verfassungsschutz geübt hatten, sagten: „Wir haben vollstes Vertrauen in die beteiligten Behörden.“

Die Berliner AfD-Vorsitzende Kristin Brinker reagierte bestürzt auf die Festnahme von Malsack-Winkemann. „Wir sind alle überrascht“, sagte Brinker am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Der Verdacht wiegt sehr schwer.“ Allerdings gelte auch für Malsack-Winkemann zunächst die Unschuldsvermutung. „Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wäre sicher ein Parteiausschlussverfahren die Folge.“

Malsack-Winkemann ist nach eigenen Angaben seit April 2013 Mitglied der AfD. Von 2015 bis 2017 war sie stellvertretende Vorsitzende der AfD im Berliner Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf. Nach Angaben von Landesparteichefin Brinker nahm die Juristin bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag rege am Parteileben teil. „Dann hatte man den Eindruck, dass sie sich zurückgezogen hat.“ Sie sei seither in der Partei quasi nicht mehr in Erscheinung getreten. Dies habe sie offenbar getan, weil sie wieder als Richterin arbeitete.

Fraktionsvorsitzende besorgt

Die Fraktionsvorsitzenden der Ampel-Koalition betonten nach der großangelegten Anti-Terror-Razzia die Wehrhaftigkeit der Demokratie. Dass auch eine ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD unter den Verdächtigen sei, beunruhige sehr, sagte Rolf Mützenich (SPD) am Mittwoch in Berlin bei einem gemeinsamen Presseauftritt. Er sagte: „Dass das Parlament offensichtlich mehr und mehr in den Fokus auch derjenigen gerät, die bereit sind, möglicherweise auch Gewalt anzuwenden, das macht Parlamentarierinnen und Parlamentarier betroffen, aber das darf sie nicht an ihrer Arbeit hindern.“

Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte: „Wir nehmen das, was wir heute erfahren mussten, sehr ernst. Der rechtsextreme Terrorismus gehört zur größten Gefahr für unsere Demokratie.“ FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, wenn es sich bestätige, dass eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete in eine Verschwörung verstrickt sei, zeigt das, in welchem Sumpf sich die AfD als Partei befinde. Dürr: „Denen geht es mitnichten um Deutschland, sondern in Wahrheit um die Zerstörung der parlamentarischen Demokratie. Und gerade als Fraktionsvorsitzende stellen wir uns schützend vor diese parlamentarische Demokratie, die von dieser Seite angegriffen wird.“

dpa

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