Raub, Erpressung, Körperverletzung Warum Daten zur Clankriminalität so lückenhaft sind

Raub, Erpressung, Körperverletzung: Warum Daten zur Clankriminalität lückenhaft sind
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Gerne hätten wir an dieser Stelle bundesweite Zahlen zur Clankriminalität veröffentlicht. Das Problem: Solche Zahlen gibt es nicht, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage mit. Das liege daran, dass nur einige Bundesländer – neben NRW unter anderem Berlin, Bremen und Niedersachsen – ein Lagebild Clankriminalität erstellten, die meisten anderen jedoch nicht. Einfluss darauf, dass alle Bundesländer diese Daten erfassen, habe man nicht. Schließlich sei Polizeiarbeit Ländersache.

Das BKA habe nur Daten, bei denen ein Fall von Clankriminalität zugleich den Kriterien für „Organisierte Kriminalität“ entspreche, so der BKA-Sprecher. 46 solcher Verfahren meldet das BKA für 2022. Dabei wurden 804 Tatverdächtige gezählt, von denen 339 (42,2 Prozent) die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen.

Diese Zahlen sagen allerdings wenig über die kriminellen Aktivitäten der Clans aus. Das zeigt sich, wenn man die vom Landeskriminalamt (LKA) für NRW im Lagebild zur Clankriminalität erfassten Straftaten sieht, die Clans zugeordnet werden.

Dabei ist Folgendes zu beachten: Die Zugehörigkeit zu einem türkisch-arabischen Clan lässt sich laut LKA nicht allein über die Staatsangehörigkeit definieren. Im Gegenteil: Mitglieder eines Clans können über diverse Staatsangehörigkeiten verfügen. Im Lagebild hat das LKA ausschließlich Informationen zu Menschen mit einer libanesischen, deutschen, türkischen oder syrischen Staatsangehörigkeit sowie Menschen ohne oder mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ausgewertet.

Für 2022 ergeben sich daraus die folgenden Zahlen:

  • 6573 Straftaten registrierte das LKA 2022 für NRW. Verglichen mit dem Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 20,3 Prozent.
  • 4035 Tatverdächtige wurden ermittelt. Das entspricht einem Anstieg um 11,2 Prozent.
  • 30,9 Prozent aller Straftaten, die Clans zugeordnet werden, sind sogenannte Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit wie Raub, Erpressung und Körperverletzungsdelikte.
  • Das Durchschnittsalter der Tatverdächtigen beträgt 30 Jahre. Die meisten Tatverdächtigen sind zwischen 26 und 30 Jahre alt.
  • Der Großteil der Tatverdächtigen, auf deren Konto jeweils fünf oder mehr Straftaten gehen, ist zwischen 14 und 17 Jahre sowie zwischen 26 und 30 Jahre alt.
  • Mit 81,1 Prozent ist der überwiegende Teil der Tatverdächtigen männlich. Noch ausgeprägter ist der Anteil der Männer bei den Tatverdächtigen, denen fünf oder mehr Straftaten zugeordnet werden. Hier liegt er bei 94 Prozent.
  • 53,4 Prozent aller Tatverdächtigen aus dem Clan-Milieu sind Deutsche, 16,7 Prozent sind Syrer, 13,6 Prozent Libanesen, 9,6 Prozent Türken, die übrigen 6,7 Prozent sind staatenlos oder ihre Staatsangehörigkeit ist ungeklärt.
  • In NRW leben die meisten Tatverdächtigen aus dem Clan-Bereich im Ruhrgebiet. Dabei gibt es besonders viele mit einem Wohnsitz in Essen (504), Recklinghausen (415), Gelsenkirchen (307), Duisburg (239) und Bochum (219). In Dortmund leben 140 Tatverdächtige, in Köln 109.

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