Die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zwingen uns dazu, Energie zu sparen. Unser Kommentator hat dazu viele Ideen gesammelt, und schlägt unter anderem vor, Fußballspiele unter Flutlicht – hier bei einem Spiel des BVB im Signal Iduna Park – ebenso zu verbieten wie Rasenheizungen.

Die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zwingen uns dazu, Energie zu sparen. Unser Kommentator hat dazu viele Ideen gesammelt, und schlägt unter anderem vor, Fußballspiele unter Flutlicht – hier bei einem Spiel des BVB im Signal Iduna Park – ebenso zu verbieten wie Rasenheizungen. © Foto: Blossey

Rasenheizungen und Fußballspiele unter Flutlicht gehören ebenso verboten wie Laubbläser

rnMeinung

Nichts ist wichtiger, als Gas zu sparen, doch die Politik zaudert. Dabei sei das Sparpotenzial riesig, sagt unser Autor. Er schlägt vor, nicht nur Fußballspiele unter Flutlicht zu verbieten.

NRW

, 15.07.2022, 10:56 Uhr / Lesedauer: 4 min

War Deutschland immer schon so träge? Oder bilde ich mir nur ein, dass es bei uns von Jahr zu Jahr immer länger dauert, immer bürokratischer und komplizierter wird, ehe etwas für richtig und wichtig Erkanntes auch umgesetzt wird? Zum Einstieg nur zwei Beispiele.

Kabarettisten mögen über reichlich Stoff dank der neuen Grundsteuer jubeln. Darüber, dass das Land alle Grundbesitzer nötigt, digital höchst verwirrende Formulare auszufüllen. Dass es sie zwingt, diese Daten per maximal umständlichem Vorgang mit dem Programm Elster abzuschicken, und dann – wenn sie es denn tun – der Elster-Server wegen Überlastung zusammenbricht. Wer sein Wochenende vor dem Computer mit Elster-Fehler-Meldungen verbringt, findet das nicht witzig.

Oder: Möglichst viele Hausbesitzer sollen Photovoltaikanlagen installieren. Wenn man endlich Handwerker gefunden hat, die die Solarplatten aufs Dach tragen, erklärt das Finanzamt den Hauseigentümer zum Kleinunternehmer. Er muss den jetzt selbst produzierten Strom nicht nur versteuern (warum eigentlich?), sondern in einem elfseitigen Formular zur „Umsatzsteuer-Voranmeldung“ (alle 3 Monate auszufüllen und eine Jahres-Steuererklärung extra!) die drei, vier Zeilen finden, bei denen er etwas eintragen muss. Geht’s noch?

Nun sind diese Beispiele zwar ärgerlich, weil sie Zeugnis ablegen vom Niedrigststand der Digitalisierung und dem Höchststand des Bürokratismus in Deutschland. Wenn es aber um den bevorstehenden Winter und den drohenden Energienotstand geht, hört der Spaß endgültig auf. Da kann Trägheit nicht nur zur wirtschaftlichen Katastrophe werden, sondern auch zum sozialen Sprengstoff für unsere Gesellschaft.

Statt jetzt weiter einfach nur zu hoffen, dass Russland den Gashahn in ein paar Tagen doch wieder aufdreht, wäre entschiedenes Handeln nötig. Dabei ist im Übrigen völliger Unsinn, sich jetzt darüber zu streiten, wer Gas dringender braucht, die Privathaushalte oder die Industrie. Beides hängt zusammen.

Klar ist doch: Die Menschen dürfen im Winter in ihren Wohnungen nicht frieren. Gleichzeitig müssen die Firmen trotzdem weiterarbeiten. Es bringt niemandem etwas, wenn er oder sie zuhause zwar Gas für die Heizung bekommt, das aber nicht mehr bezahlen kann, weil der Job futsch ist.

Energie zu sparen, ist das oberste Gebot der Stunde

Derzeit müsste neben der Suche nach neuen Gas-Lieferquellen vor allem eines im Mittelpunkt aller Diskussionen stehen: Wie können wir schon jetzt möglichst viel Energie sparen, um auch die Gas-Speicher für den Winter zu füllen? Wobei es ja nicht nur um Gas geht. Auch Öl und Kohle sind knapp.

Dabei mache ich mir um die Spar-Anstrengungen von Privatleuten und Firmenbesitzern eher weniger Sorgen. Die werden angesichts exorbitanter Energiekosten schon aus Eigennutz das Thermostat in der Wohnung runterdrehen, nur noch stoßweise lüften und weniger und/oder kürzer duschen. Und die Firmenbosse werden akribisch jeden Hebel suchen, mit dem sich Energiekosten senken lassen.

Was mich ärgert, ist, dass ich so gut wie nichts von klaren Vorgaben für den öffentlichen Sektor höre. Die müssten im besten Fall bundesweit einheitlich sein, um so ein Desaster wie in den Corona-Zeiten zu vermeiden.

Klimaanlagen, Wasser in Schwimmbädern und Homeoffice

Mit solchen Vorgaben machen sich Politiker nicht beliebt, weil es ohne mehr oder weniger schmerzhafte Einschränkungen nicht gehen wird. Aber Politiker sollen sich nicht um den Grad ihrer Beliebtheit sorgen, sondern um den nächsten Winter. Und es gibt viele Ideen, wie man sofort sehr viel Energie sparen könnte. Ich liste einfach mal einige auf:

  • Der Betrieb von Klimaanlagen sollte, soweit sie nicht aus gesundheitlichen oder technischen Gründen unbedingt laufen müssen, untersagt werden.

  • Für alle Gebäude sollte im Winter eine maximale Höchsttemperatur von 20 Grad gelten.

  • Wie bei Corona sollte Homeoffice überall da, wo es möglich ist, zur Pflicht werden. Das spart jede Menge Energie, weil Fahrten zum Arbeitsplatz wegfallen, und ungenutzte Büroräume nicht geheizt und beleuchtet werden müssen.

  • Das Anstrahlen von Gebäuden in der Dunkelheit sollte bis auf weiteres untersagt werden. Das sieht zwar hübsch aus, ist aber der pure Luxus, den wir uns in der aktuellen Lage nicht mehr leisten können.

  • Das Heizen von Freibädern sollte ebenso verboten werden wie die Sommer-Nutzung von Hallenbädern. Im Winter sollte die Wassertemperatur in Hallenbädern gesenkt werden.

  • Es muss ein sofortiges und striktes Tempolimit erlassen werden. In ganz Europa gibt es nur auf der Isle of Man kein Tempolimit. Ansonsten verzichten weltweit neben einigen indischen Bundesstaaten nur Nepal, Myanmar, Burundi, Bhutan, Afghanistan, Nordkorea, Haiti, Mauretanien, Somalia und der Libanon auf ein Tempolimit.
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    Wollen wir uns tatsächlich von den Lobbyisten der Autoindustrie weiter vorschreiben lassen, dass wir uns Nordkorea, Afghanistan und Somalia zum Vorbild nehmen? Sollen wir tatsächlich jetzt darauf verzichten, mit diesem einfachen und auch aus anderen Gründen sinnvollen Hebel Energie zu sparen? Zusätzlich könnten wir so die Umwelt, die wir jetzt eh durch wieder angeheizte Kohleraftwerke strapazieren müssen, ein klein wenig entlasten.

  • Wie wäre es, wenn Reklame-Transparente nach Geschäftsschluss ebenso abgeschaltet werden müssen wie Schaufenster-Beleuchtungen?

  • Die meisten Ampeln könnten nachts ebenfalls eine Pause einlegen, wobei das mittelfristig noch ein ganz anderes Thema ist. In den vergangenen Wochen habe ich bei einer Fahrt durch die Bretagne festgestellt, dass es dort so gut wie keine Ampeln gibt. Stattdessen reiht sich ein Kreisverkehr an den anderen. Und der Verkehr läuft bestens.

    Auch Fußgängerampeln gibt es dort so gut wie gar nicht. Stattdessen ist überall, wo Menschen die Straßenseite wechseln wollen, ein Zebrastreifen aufgemalt. Fußgänger haben absoluten Vorrang, Autos warten. Auch das funktioniert.

    Wieso sollte in Deutschland unmöglich sein, was in Frankreich wunderbar läuft? Mit Kreisverkehren und Zebrastreifen statt Ampeln ließen sich nicht nur horrende Investitionskosten, sondern auch gewaltige Energie- und Wartungskosten sparen. Warum wird nicht ab sofort der Bau neuer und die Erneuerung alter Ampelanlagen generell verboten und nur noch in nicht anders zu lösenden Ausnahmefällen erlaubt?

  • Sinnvoll wäre es auch, den Betrieb unsinniger elektrischer Geräte zu untersagen. Ich denke da an die fürchterlichen Laubbläser, die in ein paar Wochen wieder unsere Straßen mit Lärm verpesten. Der Besen ist hier doch eine wunderbare Alternative und sorgt zudem für gesunde körperliche Aktivität.

  • Auf künstliche Eisbahnen, die im Winter in vielen Städten zur Standard-Attraktion geworden sind, sollten wir verzichten.

  • Die Kirchen könnten ebenfalls ihren Beitrag leisten. In vielen Städten gibt es inzwischen wenige Gemeinden und wenige Gottesdienstbesucher, aber noch immer viele Kirchen. Wie wäre es, wenn in einer Stadt die Gottesdienste, die sonst in vielen Kirchen mit jeweils wenigen Gläubigen gefeiert werden, künftig in wenigen Kirchen mit dann mehr Gläubigen gefeiert würden? Katholische und evangelische Gemeinden könnten eine Kirche dann auch gerne gemeinsam nutzen. Dann müsste man viel weniger Kirchen heizen.

  • Und ganz zum Schluss eine heikle Anregung: Wie wäre es, wenn man in diesem Winter generell alle Fußball-Abendspiele in Deutschland verbieten würde? Es dürfte nur noch bei Tageslicht gekickt werden. Zudem sollte man in diesem Winter den Betrieb von Rasenheizungen untersagen.

    So sehr ich auch selbst den Fußball liebe, so richtig ist doch auch: In Kriegszeiten wie diesen sind Rasenheizungen und Flutlichtspiele der pure Luxus. Wenn ich die Wahl habe, einen Rasen zu beheizen oder abends zu kicken, oder einer Chemiefabrik oder einem Wohnhaus das Gas abzustellen, weiß ich, wie ich mich entscheide.


Das sind nur wenige Ideen, mit denen wir effektiv und rasch Gas und andere Energie sparen könnte. Es gibt sicherlich noch viele weitere. Wichtig ist jetzt nur noch eines: Dass endlich gehandelt und nicht länger gezaudert, gezögert und vertagt wird.

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