Maler (52) arbeitet 15 Stunden am Tag – oft 7 Mal die Woche „Manchmal ist mir zum Heulen“

Maler (52) arbeitet 15 Stunden am Tag: „Manchmal ist mir zum Heulen“
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Dieser zuerst am 22. Oktober 2023 erschienene Artikel gehört zu den meistgelesenen Artikeln des Jahres 2023 aus Kamen und Bergkamen.

Ortstermin in Kamen: Ralf Schmidt nimmt sich kurz Zeit für eine verspätete Mittagspause. Seine Stimme klingt müde, während er Kaffee aufsetzt. Für Schmidt hat der Tag um fünf Uhr morgens begonnen, wie so oft. Ein kleiner Hund streift seine Hosenbeine. „Willst du auch etwas, Daisy?“, fragt Schmidt und streichelt das Tier.

Die Arbeit als Malermeister mit eigenem Betrieb ist seit vielen Jahren der Lebensmittelpunkt des 52-Jährigen. Während viele seiner Geschäftsführer-Kollegen nur noch delegieren, packt Schmidt weiterhin selbst mit an. Das führt dazu, dass er schwer zu erreichen ist, auch für die Redaktion. Den ersten Gesprächstermin hat Schmidt vergessen. Keine Zeit, er stand noch auf einer Baustelle.

Ralf Schmidt hat ein Personalproblem. Er findet für seinen Malerbetrieb an der Weddinghofer Straße einfach keine Leute mehr. Er hat viel probiert: den Weg über die Leiharbeitsfirmen, sogar ein Inserat bei Facebook – alles vergeblich.

Kein Familienurlaub – nur Arbeit

Selbstständige arbeiten selbst und ständig, ist ein Spruch aus dem Volksmund, der ziemlich zutrifft, muss der Malermeister zugeben. Dass seine Tage lang sind, ist im Moment der Normalfall. Extrem lang. Vierzehn oder fünfzehn Stunden kommen gerne mal zusammen, erzählt der Malermeister. Auch am Wochenende muss der 52-Jährige im Moment ran. Sechs Tage arbeitet er immer, manchmal auch sonntags und dann sieben. Da kommt die Familie - Frau Mandy und Sohn Morris (19) - oft zu kurz.

An einen gemeinsamen Urlaub mit seiner Frau, die einen sozialen Beruf ausübt und ähnlich viel arbeitet, ist im Moment nicht zu denken. Vor ein paar Wochen hat sich Schmidt getraut, mit einem Freund für eine Woche in die Türkei zu fliegen. „Wurde sofort bestraft“, brummt er. Die Arbeit wurde nicht erledigt. Er musste die offenen Baustellen nacharbeiten.

Die treue Begleiterin

Während des Gesprächs tigert Hund Daisy ruhelos durch den Raum. Ralf Schmidts Stimmung hellt sich auf, als er den Hund hochhebt. Der kleine Familienhund ist sein Ruhepol, sagt der Malermeister. Der Hund ist jetzt sieben Jahre alt. Ursprünglich war Daisy ein Geschenk für Schmidts Mutter in einer schwierigen Lebenslage.

Schmidts Stimme stockt, als er davon erzählt. Der kleine Hund sollte für Mutter Schmidt ein Anreiz sein, das Haus zu verlassen. „Mein Vater hatte Krebs, für sie war seine Pflege der einzige Lebensinhalt“, erzählt er. Daisy war ein Grund für die Mutter vor die Tür zu gehen. Als ihr Mann wenig später starb, begleitete der Hund die Mutter auch in dieser Phase. Und dann, als bei Mutter Schmidt selbst eine schwere Krebserkrankung diagnostiziert wird.

Schmidt räuspert sich, während er Daisy über den Kopf streichelt. „Es ist nicht mehr viel von meinen Eltern da, außer dieses Tier“, sagt er mit belegter Stimme. Durch das Spielen mit dem kleinen Hund kann Schmidt den Jobstress vergessen. Ein paar Minuten jedenfalls.

Ralf Schmidt hat seinen Hund Daisy im Arm und schaut ihn liebevoll an.
Der Familienhund Daisy ist Schmidts Ruhepol. Ursprünglich war Daisy ein Geschenk für Schmidts Mutter, in einer schwierigen Lebenslage. © Mathias Gaumann

Das Gesellen-Problem

Denn das Problem ist nicht das fehlende Personal allein. Die Gesellen, die er hatte, sind in seinen Augen nicht zuverlässig. „Zuletzt konnte ich keinem von denen eine Baustelle allein anvertrauen“, berichtet der Malermeister. Er sieht in der Situation auch einen Generationenkonflikt. „Die heutigen Gesellen haben eine andere Arbeitsauffassung als ich früher“, sagt Schmidt.

So kommt es oft vor, dass Schmidt noch einmal loszieht, die Arbeit der Gesellen korrigieren und beenden muss. „Manchmal ist mir zum Heulen zumute“, sagt er leise. Dabei versteht er den Standpunkt der Gesellen nicht. „Ich bin sehr offen in dem, was ich an einer Baustelle verdiene“, sagt er. „Die wissen, was bei einem Job rumkommt, was jeder Posten kostet“, gibt er an.

Der Malermeister glaubt, dass der Fachkräftemangel bei den Gesellen zu einer „Egal“-Einstellung führt. „Egal wie oft ich etwas erkläre, sie wissen, dass sie blitzschnell wieder einen neuen Job haben“, sagt Schmidt. Die Aussichten bis Weihnachten machen nicht gerade Mut. Der Malermeister rechnet nicht damit, in diesem Jahr noch jemanden einzustellen.

Ralf Schmidt bereitet seinen Wagen auf den nächsten Einsatz vor.
Vierzehn oder fünfzehn Stunden kommen gerne mal zusammen, erzählt der Malermeister. Auch am Wochenende muss der 52-Jährige im Moment ran. © Mathias Gaumann

Schmidt hofft auf nächstes Jahr

Aufträge zu bekommen ist bekanntlich nicht das Problem. Die Bücher sind voll, sagt der Maler. Das Problem ist eher ein anderes. „Ich kann Termine nur mit drei bis vier Monaten Wartezeit anbieten. Mindestens“, sagt er. Eine Praxis aus der Umgebung musste zuletzt sogar ein Jahr auf den neuen Anstrich warten.

Hin und wieder macht Schmidt auch eine Ausnahme, wenn es zeitlich passt. „Eine ältere Frau hat mich angerufen, dass sie umziehen muss“, sagt er. Die Dame tat Schmidt leid. Er schob den Auftrag dazwischen.

All seine Hoffnungen setzt Schmidt auf das nächste Jahr, wo er auf eine Beruhigung der Arbeitsmarktlage hofft. Ausgelöst durch den Einbruch der Bau-Branche hofft er, dass mehr Leute sich dem Beruf der Maler und Lackierer zuwenden. „Bis dahin heißt es durchhalten“, sagt der 52-Jährige und streichelt Daisy über den Kopf.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien zuerst am 22. Oktober 2023.

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