Raketenalarm im israelischen Akko Deutsche Reisegruppe muss in den Schutzraum

Raketenalarm: Deutsche Reisegruppe muss in den Schutzraum
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„Dies ist ein Hilferuf. Wir sitzen im Schutzraum wegen einer Drohne in unserer Region“, diese Nachricht erreichte unsere Redaktion per WhatsApp. Abgesetzt hat sie Georg Kleditz (50). Der gebürtige Dattelner befindet sich aktuell mit einer Reisegruppe im israelischen Akko: drei Stunden Fahrtzeit mit dem Auto vom Gazastreifen entfernt – bis zur libanesischen Grenze sind es keine 30 Minuten.

Als die Reisegruppe von den terroristischen Angriffen der Hamas erfuhr, befand sie sich gerade am See Genezareth. Für die freie evangelische Reisegruppe ein wichtiges Ziel. Immerhin gilt die Gegend um den See Genezareth als eine der Hauptwirkungsstätten Jesu Christi. Hier soll er nach der Auferstehung seinen Jüngern erschienen sein.

Die Reisegruppe um Georg Kleditz beschließt, die Rundreise nicht fortzusetzen, sondern bis zu einer möglichen Rückkehr in Recklinghausens Partnerstadt Akko zu bleiben. „In kürzester Zeit standen überall junge Männer und Frauen in Uniform an den Haltestellen“, berichtet Georg Kleditz. „Alle im Alter meiner Tochter. Die ist 19. Das hat mich schon sehr bewegt.“

Im Hotel in Akko angekommen, installiert Georg Krelitz erstmal eine israelische WarnApp, die vor anstehenden Raketenangriffen warnt. Und es stellte sich die Frage: Wie zurückkommen, nach Hause, nach Deutschland? „Um ehrlich zu sein, hatten wir uns da ein bisschen naiv auf die Lufthansa verlassen“, räumt der 50-jährige Mathematik- und Physik-Lehrer ein. Doch dann begann das Chaos.

Stärke der Israelis ist beeindruckend

Der Reisegruppe wird per SMS mitgeteilt, dass man sie auf einen Flug der Turkish Airlines umgebucht hätte. „Der sollte dann am kommenden Freitag stattfinden“, erklärt Georg Kleditz. Nicht ganz eine Woche müsste die Gruppe also noch in Akko ausharren, bevor es für sie nach Hause geht. Trotz der Meldungen, dass auch aus dem Libanon Raketen abgefeuert wurden, fühlt sich die Gruppe dort, „den Umständen entsprechend, sicher“, sagt Kleditz.

„Ich fand es von Anfang an sehr beeindruckend, mit wie viel Gelassenheit und Stärke die Israelis hier auf die Angriffe reagiert haben. Man war sehr bemüht darum, sehr schnell wieder Normalität herzustellen“, beschreibt Georg Kleditz die Situation vor Ort, in den Tagen nach den Angriffen der Hamas.

Die Stadt Akko in Israel.
Die Stadt Akko in Israel. © Böckmann

Dann eine weitere SMS: Der Rückflug mit Turkish Airlines wurde annulliert. „Dann haben wir überlegt, wie man mit dem Auto nach Jordanien kommen könnte.“ Denn dummerweise sei die SMS wegen der Annullierung zwei Stunden nach der Meldung eingegangen, dass die Deutsche Botschaft Busfahrten dorthin organisiert habe. „Dann eine weitere SMS, dass es diese Rückflüge geben würde“, berichtet Kleditz über die von der Lufthansa angekündigten Sonderflüge. „Und das Chaos ging weiter...“

Per E-Mail erhalten Georg Kleditz und seine Reisegruppe ein Rundschreiben, „das ich ehrlich gesagt lächerlich fand“, sagt er. Etwa, dass für eine Ausreise nach Jordanien online ein Visum hätte beantragt werden müssen. „Nur war die Seite da schon komplett kollabiert.“ Die Idee, mit dem Auto nach Jordanien auszureisen, wird endgültig gestrichen. Kleditz und seine Begleiter konzentrieren sich auf die Flüge.

So wie es von Auswärtigen Amt empfohlen wird, hatten sich die Mitglieder der Reisegruppe in der Krisenvorsorgeliste ELEFAND angemeldet – die Voraussetzung dafür, einen der Sonderflüge buchen zu können. ELEFAND steht für „Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland“. Denn damit deutschen Staatsbürgern geholfen werden kann, wenn sie sich in einem Krisengebiet aufhalten, muss erstmal irgendwo erfasst werden, wo genau sie sich aufhalten.

„Dann kam die Info, wie man sich für die Rückflüge anmeldet“, erklärt Georg Kleditz. „Nämlich über eine geheime Nummer in Frankfurt. Wir sollten die Kreditkarte bereithalten, da für den Flug 300 Euro anfallen würden.“ Die Reisegruppe meldet sich unter der angegebenen Nummer. Allerdings habe die Lufthansa wohl ein indisches oder pakistanisches Callcenter mit der Bearbeitung beauftragt, vermutet Kleditz. „Gesprochen wurde nur gebrochenes Englisch.“

Oliver Dannenberg, der ehemalige Pastor der freien evangelischen Gemeinde Wendepunkt in Datteln.
Oliver Dannenberg, der ehemalige Pastor der freien evangelischen Gemeinde Wendepunkt in Datteln, ist mit Georg Kleditz in Israel unterwegs. © Georg Kleditz

Über eineinhalb Stunden verbringt die Reisegruppe in der Warteschleife, bevor die Verbindung abreißt. „Die Minute kostet übrigens drei Euro“, erklärt Georg Kleditz. Die Gruppe muss mittels des NATO-Alphabets sämtliche Angaben zu den Personen durchgeben. 65 Minuten dauert das Gespräch, bevor sichergestellt ist, dass sie nun doch am Freitag ausgeflogen werden, „mit der vorletzten Maschine“, erklärt Kleditz. „Mir tun die ganzen Leute leid, die kaum oder gar kein Englisch können oder nur ein Prepaid-Handy haben.“

Mittwochabend (11.10.) wird die Gruppe durch den schrillen Alarm der Warnapp aufgeschreckt: Raketenalarm. In Windeseile flüchten sich alle in den Schutzraum des Hotels. „Das ist eine Erfahrung, die kennt man so nicht“, sagt Kleditz. Und er hätte auch gerne auf sie verzichtet. Nach 20 Minuten die Entwarnung.

„Wir sind dann erstmal raus, wollten duschen“, beschreibt er die Situation. Noch während zwei der weiblichen Reisegruppen-Mitglieder unter der Dusche stehen, schrillt der Alarm ein weiteres Mal auf. „Die Frauen sind dann nur mit dem Handtuch bekleidet in den Schutzraum gerannt“, sagt Kleditz und fügt weiter hinzu: „Es ist schwierig, sich dann einfach ins Bett zu legen und zu schlafen. Am Ende haben wir den Mut gefasst, einfach im Zimmer zu bleiben und wenigstens ein bisschen zu schlafen. Bis auf zwei von uns. Die waren nämlich mit der Lufthansa-Hotline beschäftigt.“

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