Schon am ersten Prozesstag vor dem Bielefelder Landgericht kochen die Emotionen hoch. „Mörder!“, ruft Dimitris Tsanis, der Vater des nach einer Abifeier in Bad Oeynhausen getöteten Philippos, nach der Verhandlung in den Saal. Verletzt fragt er den Hauptangeklagten, der von Justizwachtmeistern abgeführt wird, warum er so doof lache.
Dessen Verteidiger, Rechtsanwalt Burkhard Benecken (48) aus Marl, rechnet damit, dass in dem langen Prozess noch häufiger Trauer in Wut umschlagen wird: „Mein Mandant hat im Publikum seine Schwester und seinen Bruder gesehen, ihnen zugewunken und sich gefreut. Das hat der Vater als verächtliches Lachen missdeutet.“
Drei Männer stehen vor Gericht. Einer soll Philippos durch Schläge und Tritte getötet haben. Staatsanwalt Christoph Mackel liest die Anklage vor, nennt verstörende Einzelheiten. Die Drei sollen in Begleitung von mindestens sechs weiteren Menschen im Juni nach einer Abiturfeier im Kurpark Bad Oeynhausen auf Philippos und zwei seiner Freunde gestoßen sein. Gekannt hatten sich die jungen Männer nicht.
Aus nichtigem Anlass kam es zu verbalem Streit, dann zu brutalen Schlägen gegen Kopf und Oberkörper. Als Philippos auf den Boden fiel, hat der syrische Hauptangeklagte (18) nach Überzeugung des Staatsanwalts gegen seinen Kopf getreten und seinen Tod in Kauf genommen. Die mitangeklagten Deutschen hätten zum Teil ebenfalls geprügelt. Zwei Tage später starb Philippos im Krankenhaus an den Folgen der schweren Hirnverletzungen.

Friedrich Merz nutzte den Fall
Dem Hauptangeklagten wirft der Staatsanwalt Totschlag vor. Da er aus Syrien stammt, hatte sich an der Tat die bundesweite Debatte über Zuwanderung und Abschiebung entzündet. Auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) forderte in diesem Zusammenhang eine schärfere Migrationspolitik. Burkhard Benecken kritisierte wiederholt, dass dieser Fall politisch benutzt wird, bevor ein Gericht geklärt hat, was tatsächlich passiert ist.
Mit seinem Vater Siegmund (82) verteidigt er den jungen Syrer. Er werde sich am 7. Februar selbst zu seinem Werdegang persönlich äußern und über seine Verteidiger auch zum Tatgeschehen.
Hauptangeklagter nicht vorbestraft
Der Prozess wird im Januar zunächst mit Formalien fortgesetzt: Die polizeilichen Führungszeugnisse der Angeklagten werden aus dem Bundeszentralregister verlesen. Sein Mandant sei nicht vorbestraft, betont Benecken. Allerdings wurde der 18-Jährige als Jugendlicher wegen Körperverletzung und Raub verwarnt und musste Sozialstunden leisten.
Am Tattag war er in Begleitung zweier 19-Jähriger. Die beiden Deutschen stehen wegen gefährlicher Körperverletzung und Hehlerei vor Gericht. Der erste Prozesstermin am Dienstagmorgen im voll besetzten Saal des Landgerichts Bielefeld dauerte nicht mal eine Stunde. Mit der Verlesung der Anklageschrift war er beendet.
Einlasskontrollen wie am Flughafen
„Am längsten haben die Einlasskontrollen gedauert“, erzählt Burkhard Benecken: „Jeder Zuschauer wurde wie am Flughafen durchleuchtet.“ Auch viele Medienvertreter berichteten aus dem vollen Saal. Burkhard und Siegmund Benecken wollen wegen der vielen Prozesstage abwechselnd vor Gericht erscheinen und sich den Fall aufteilen.
Über ihr Plädoyer wollen beide noch nichts sagen - nicht vor der Beweisaufnahme. „Das Gericht hat 19 Prozesstage angesetzt, hört viele Zeugen und Sachverständige an“, sagt Burkhard Benecken: „Das zeigt: Es gibt keine klare Beweislage und Aufklärungsbedarf.“ (mit dpa)