Premiere im Opernhaus: „Abstand“ heißt das erste Corona-Ballett

© Januszewski

Premiere im Opernhaus: „Abstand“ heißt das erste Corona-Ballett

rnBallett Dortmund

Was machen Tänzer in Zeiten von Kontaktsperre? Sie tanzen mit Abstand. Aber es gibt nur eine Möglichkeit, um Tanz mit Emotionen zu füllen, das zeigt der Dortmunder Ballettchef Xin Peng Wang.

Dortmund

, 18.10.2020, 15:45 Uhr / Lesedauer: 2 min

Vom Fegefeuer führt der Dortmunder Ballettchef Xin Peng Wang das Publikum mit einer neuen Kreation in die Corona-Hölle. Statt das „Purgatorio“, den dritten Teil der „Göttlichen Komödie“, zur Uraufführung zu bringen (sie ist wegen der Pandemie auf 2021 verschoben), haben zehn Tänzer der Dortmunder Compagnie am Samstag das – zumindest in der Region – erste Corona-Ballett auf die Bühne des Dortmunder Opernhauses gebracht.

“Abstand“ ist eine lose Folge von einem Dutzend Szenen, die alle mit dem Virus und Abstand zwischen Menschen zu tun haben. Manche Szenen sind optisch eindrucksvoll, manche grandios getanzt, einige sind humorvoll, andere sehr poetisch. Xin Peng Wang und seine Tänzer bieten eine kreative, bunte Mischung, und vor allem am Schluss reihen sich die Höhepunkte aneinander.

Allein in Gemeinschaft

Zusammen und doch getrennt, tanzt das Paar in der ersten Szene. Eine Videoleinwand bildet auch in weiteren Sequenzen die eindrucksvolle Kulisse. Die besteht später aus einem Waschkammer-Labyrinth, in dem die Waschbecken präsenter wirken als das Tanzpaar. Ein eindrucksvolles Bild für den Trumpschen Wahn, das Virus komplett kontrollieren zu können.

Menschen, die allein in einer Gemeinschaft, aber trotzdem alleine für etwas einstehen und demonstrieren, tauchen in Wangs Ballett auf. Zum Beispiel Gretas Kinder, die mit Plakaten für die Umwelt tanzen. In solchen Momenten hält der Choreograf den Besuchern einen Spiegel vor Augen, in dem sie ihren Umgang mit der Welt und ihre Rolle in einer Solidargemeinschaft überdenken können.

Das Virus auf der Leinwand

Dazwischen stehen Soli von Tänzern, die zwar frei sind, aber die Freiheit aufgeben mussten, gemeinsam ein Ballett Haut an Haut und Herz an Herz zu präsentieren.

Das Virus ist auf der Videoleinwand oft abstrakt präsent. Und in der Szene, in der der Tanz einen Menschen auf dem Intensiv-Bett packt, berührt und bringt noch mehr zum Nachdenken – auch darüber, was Künstler zurzeit jeden Tag riskieren, um ihre Kunst zu zeigen.

Kultur ohne Publikum ist sinnlos

Das Solo zu Musik von Puccini vor einer Leinwand, die das leere Dortmunder Opernhaus zeigt, ist ein Bild für die Sinnlosigkeit von Kultur ohne Publikum, die die Künstler zur Zeit des Lockdowns durchlebt haben.

Surreale Bilder und futuristische Szenen reiht Wang aneinander; am stärksten in Erinnerung blieben die poetischen Momente. Wie im Tanz mit Abstand auf zwei Stühlen und im Pas-de-deux auf Stühlen zur Musik von Barber, der zu den schönsten der Gala-Nummern gehört.

Lebensfreude der Paare

So wie in der ersten Szene kann man nicht tanzen, so wie in der fünften Szene funktioniert Ballett auch nicht. Erst am Schluss, wenn die Brautpaare Familie geworden sind und ohne Abstand über die Bühne wirbeln, funktioniert Ballett wirklich. Und dann kehren auch Ausgelassenheit und Lebensfreude zurück. Das ist die klug aufgebaute Botschaft des Tanzreigens, der am Schluss Hoffnung auf Normalität wann auch immer vermittelt.

In zwei Jahren will dieses Corona-Ballett hoffentlich keiner mehr sehen – oder es ist dann getanzte Zeitgeschichte. Weitere Corona-Theaterstücke oder -Ballette werden bestimmt folgen.

Termine: 25. / 31. 10., 7. / 14. 11.; Karten: Tel. (0231) 502 72 22 oder auf der Webseite des Theaters