
Explodierende Energiekosten, gestiegene Löhne und teurer gewordene Rohprodukte. Das sind die drei Gründe, die immer genannt werden, wenn sich jemand für gestiegene Preise zu rechtfertigen versucht. Das ist allerdings in vielen Fällen nur die halbe Wahrheit. Eine andere Ursache wird schamhaft verschwiegen. Aus gutem Grund.
Wie soll man auch rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist? Dass man seine Preise deutlich stärker erhöht hat, als das aus den genannten drei Gründen hätte sein müssen? Dass man nicht nur die gestiegenen Kosten an die Kunden weitergegeben hat? Sondern dass man in Wahrheit – ohne rot zu werden – die Gunst der Stunde genutzt hat, um im Windschatten von Ukraine-Krieg und Energiepreis-Desaster seine eigene Gewinnspanne ebenfalls kräftig zu erhöhen?
Das soll ja keiner wissen. Andernfalls wäre das eigene Image ramponiert und die Geschäfte würden leiden. Da ist es besser, uns allen den Bären von den rein externen Ursachen der Preiserhöhungen aufzubinden, für die man leider, leider nichts könne. Die bedaure man ja total, geht es in diesem Märchen weiter.
Besonders dreist wird es, wenn mancher sogar noch einen draufsetzt und behauptet, dass er ja nicht einmal alle gestiegenen Kosten weitergebe, sondern selbst Verluste in Kauf nehme, mit Rücksicht auf die Kunden.
Ich räume ein: Es mag einzelne Fälle solchen Edelmuts geben, in denen selbst diese wenig glaubhafte Argumentation zutrifft. Aber grundsätzlich halte ich solche Fälle für ebenso unwahrscheinlich wie einen Schneesturm im Juli.
Gefühlt haben wir schon lange gewusst, dass so mancher unterm Strich als Kriegs- und Krisengewinnler unterwegs ist. Jetzt aber gibt es auch die wissenschaftliche Bestätigung dafür.
Studie belegt: Unternehmen haben Preise stärker erhöht als erwartet
Das renommierte ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München veröffentlichte gestern eine Analyse zu genau diesem Thema. Darin schreibt Prof. Dr. Joachim Ragnitz: Einige Unternehmen scheinen „den Kostenschub auch als Vorwand dafür zu nehmen, durch eine noch stärkere Erhöhung ihrer Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessen.“
Und dann wird Ragnitz konkret: „Insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Fischerei sowie im Baugewerbe und im Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr haben die Unternehmen ihre Preise deutlich stärker erhöht als es aufgrund der gestiegenen Vorleistungspreise allein zu erwarten gewesen wäre: In der Landwirtschaft um mehr als 60 Prozent, im Baugewerbe um 20 Prozent und im Handel immerhin um 9 Prozent.“ Unterm Strich hätten diese Firmen durch die Abschöpfung zusätzlicher Gewinne die Inflation weiter angeheizt, schreibt Ragnitz.
Ich halte ein solches Verhalten für unmoralisch und unsolidarisch. Da ist man fast schon verleitet, nach dem Staat zu rufen und Sanktionen zu fordern, doch: Wie soll eine solche Überwachung und Kontrolle funktionieren? Wann ist die Erhöhung der eigenen Gewinnmarge noch zu akzeptieren, wann nicht? Ich fürchte, so wird man das Problem kaum lösen können.
Das bessere Mittel gegen solch unverfrorenen Preistreiber, die sich auf unsere Kosten die Taschen füllen, haben wir selbst in der Hand. Erstens sollten wir bei Preiserhöhungen uns immer fragen, ob uns diese Erhöhung allein aufgrund höherer Rohstoff-, Lohn- und Energiekosten plausibel erklärbar erscheint. Wenn nicht, sollten wir den Anbieter direkt fragen, um wieviel er denn seinen eigenen Gewinn erhöht hat.
Wenn er darauf keine befriedigende Antwort hat, sollten wir uns nach einem anderen Anbieter umsehen. In Deutschland gibt es doch inzwischen für praktisch alle Waren und Dienstleistungen sehr gute Alternativen. Die Suche ist manchmal ein wenig umständlich, aber Kriegs- und Krisengewinnler zu unterstützen, das sollten wir schon aus Achtung vor uns selbst tunlichst vermeiden.
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