Preisbremse sollte Strom verbilligen, aber Strom trotz Bremse oft teurer als im November

Preisbremse sollte Strom verbilligen, aber: Strom trotz Bremse oft teurer als im November
Lesezeit

Im Herbst, als die Strompreise in die Höhe schossen, beschloss der Bundestag die Strom- und Gaspreisbremse. Sie sollte die massiven Steigerungen der Energiepreise für die Verbraucherinnen und Verbraucher abfedern. Jetzt aber zeigt sich: In vielen Städten und Gemeinden ist Strom für die Kundinnen und Kunden nicht billiger, sondern in vielen Fällen teurer geworden.

Das zeigt ein Vergleich unserer Redaktion für 74 willkürlich ausgewählte Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Die Strompreisbremse ist am 1. Januar in Kraft getreten, die Rabatte sollen aber erst ab März ausgezahlt werden. Die Preisbremse sieht vor, dass der Preis für 80 Prozent des Vorjahresverbrauch eines Kunden bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt wird. Verlangt ein Versorger mehr als 40 Cent, zahlt der Staat den Mehrpreis.

Vergleich für einen vierköpfigen Musterhaushalt

Stichtage für unseren Vergleich waren der 18. November 2022 und der 28. Januar 2023, der Abstand dazwischen beträgt rund zehn Wochen. An diesen Tagen haben wir die Preise des Grundversorgers mit dem günstigsten Alternativanbieter verglichen. Dazu haben wir die Vergleichsplattform Verivox genutzt.

Für unseren Vergleich haben wir einen vierköpfigen Musterhaushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 4.250 Kilowattstunden Strom zugrunde gelegt. Zum einen haben wir den Grundversorgungs-Tarif des Grundversorgers gewählt, zum anderen den preiswertesten Alternativanbieter, dessen Tarif eine Preisbindung von mindestens 12 Monaten vorsieht.

Das Ergebnis: Gegenüber dem 18. November sind in der Grundversorgung trotz der Preisbremse die monatlichen Stromkosten in einem Musterhaushalt nur in 16 von 74 Städten und Gemeinden in NRW gesunken. In 38 Orten dagegen sind sie gestiegen, in 30 Kommunen gleich hoch geblieben.

Schaut man noch genauer hin, wird deutlich, woran das liegt. Am 18. November lag der Preis pro Kilowattstunde in der Grundversorgung nur in 15 der 74 Städte und Gemeinden oberhalb der magischen Grenze von 40 Cent. Jetzt, Ende Januar, ist das allerdings in 39 Orten der Fall – ein Anstieg um 160 Prozent.

Mehr als die Hälfte aller Grundversorger liegen über der 40-Cent-Grenze

Inzwischen haben damit mehr als die Hälfte der Grundversorger die 40-Cent-Grenze überschritten. Seit Mitte November haben 31 Grundversorger ihren Preis pro Kilowattstunde erhöht, nur zwei (Attendorn und Emmerich) haben ihn gesenkt.

Beim monatlichen Grundpreis waren die Grundversorger dagegen eher zurückhaltend: Hier erhöhte sich der Preis in 13 Städten und Gemeinden, während er in 19 Orten sankt.

Bei Alternativanbietern gehen die Preise deutlich runter

Überaus bemerkenswert wird der Vergleich, wenn man einen Blick auf die Alternativanbieter wirft. Hier gab es eine diametral entgegengesetzte Entwicklung.

Am 18. November 2022 lag der Preis pro Kilowattstunde Strom in ausnahmslos allen von uns untersuchten 74 Städten und Gemeinden höher als 40 Cent. Jetzt Ende Januar 2023 liegen die Alternativanbieter in allen 74 Städten und Gemeinden unterhalb der Grenze von 40 Cent.

Das heißt: Für diese Alternativanbieter entfaltet die Strompreisbremse keinerlei Wirkung. Und an der Grundpreisschraube haben auch nur 28 Alternativanbieter gedreht, 46 dagegen haben auch ihren Grundpreis gesenkt.

Die Folge: Mittlerweile bieten Alternativanbieter in 51 Städten und Gemeinden einen günstigeren monatlichen Gesamtpreis an als der Grundversorger, der nur noch in 23 Orten das günstigere Angebot ist.

Das sah zum Stichtag 18. November noch anders aus. Seinerzeit war der Grundversorger in 68 der 74 Städte und Gemeinden die preiswertere Wahl. Nur in sechs Fällen war der Alternativanbieter günstiger.

Was bei einem Anbieter-Wechsel zu beachten ist

Wer angesichts dieser Zahlen über einen Wechsel des Stromanbieters nachdenkt, sollte eines beachten: Der Grundversorger kann mit einer Frist von 14 Tagen jederzeit ändern. Im Grundversorgungs-Tarif gibt es keine Preisbindung. Wer dagegen einen Alternativanbieter, wie wir ihn hier zugrunde gelegt haben, wählt, der hat zumindest eine Preisgarantie von einem Jahr.

Wer darauf setzt, dass der Grundversorger seine Preise in naher Zukunft stark senkt, liegt dort richtig. Wer eher das Gegenteil vermutet und von weiter steigenden Preisen ausgeht, ist wahrscheinlich bei einem Anbieter mit Laufzeitbindung besser aufgehoben.

Steuern sparen mit Photovoltaik-Anlagen: Neues Recht in 12 Punkten erklärt

95 Energie- und Lebensmittelkonzerne verdoppeln Gewinne: Raffgierige Manager ohne jede Scham

Tarifstreit: Beamtenbund droht mit Lockdown: „Dann wird es ungemütlich in diesem Land“