„Populistisch statt wissenschaftlich“ Geflüchteter reagiert auf Thesen zur Ausländerkriminalität

Von Abdul Shikh Suliman
„Populistisch statt wissenschaftlich“: Ein Geflüchteter reagiert auf Thesen zu Ausländerkriminalität
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Abdul Shikh Suliman

Abdul Shikh Suliman (23) reagiert in seinem Gastbeitrag auf die Thesen des Kriminologen Dominic Kudlacek. Dieser wirft Wissenschaftskollegen vor, vor der Wirklichkeit die Augen zu verschließen. Er sieht auch die Werte, die in bestimmten Kulturkreisen vermittelt werden, als einen Grund für kriminelles Verhalten.

Zunächst einmal, Hallo aus der Praxis! Durch meine ehrenamtliche Arbeit bei „Train of Hope Dortmund“ und in anderen sozialen Einrichtungen habe ich zu vielen jungen Menschen, mit und ohne Migrationshintergrund sowie Fluchthintergrund, Kontakte geknüpft.

Inwiefern können Statistiken über Ausländerkriminalität der Realität entsprechen? Diese Frage stelle ich mir, weil ich folgende Erfahrungen gemacht habe: Wenn ich in der Dortmunder Nordstadt unterwegs bin, werde ich häufiger von der Polizei kontrolliert. Im Gegensatz dazu werde ich in anderen Stadtteilen, wo der Migrantenanteil niedrig ist, selten bis gar nicht kontrolliert.

Das erklärt mir teilweise, warum mir Jugendliche mit Migrationshintergrund oft davon erzählen, wie sie erwischt werden, wenn sie „mal Mist bauen“, während Jugendliche ohne Migrationshintergrund oder als „weiß“ wahrgenommene Personen, wenn sie „den gleichen Mist bauen“, nur von einem „Abenteuer“ ohne jegliche Kontrollen berichten.

Gruppen unterscheiden sich in Werten

Eine weitere Frage, die ich mir stelle: Wie erforscht Herr Kudlacek Ausländerkriminalität? Ich verstehe nicht wirklich, wen er als kriminell bezeichnen will. Hat er es geschafft, so viele Menschen aus vielen Ländern und verschiedenen Kulturen zu einer Gruppe zu machen? Jede Gruppe unterscheidet sich in ihren Werten, Verhalten und Denkweisen. Deshalb finde ich Aussagen wie: „Wenn diese Flüchtlinge (2015) nicht krimineller werden, wäre alles, was die Kriminologie in den letzten 50 Jahren gesagt hat, falsch“, eher populistisch statt wissenschaftlich.

Er nutzt Statistiken offenbar dazu, seine Vorurteile zu bestätigen und zu verbreiten, anstatt sachlich und lösungsorientiert zu arbeiten. Wenn ich als Dortmunder an Ausländerkriminalität denke, denke ich auch an Fußballfans aus den Niederlanden, England oder Italien, die hier randalieren.

Belastungsfaktoren erkennen und beseitigen

Ich bezweifle, dass Herr Kudlacek das auch tut. Ich gehe stark davon aus, dass er oft nur bestimmte Gruppen wie Araber oder Türken im Blick hat, wenn er an Ausländerkriminalität denkt. Meiner Meinung nach nutzen Wissenschaftler mit so einer Denkweise bestimmte Statistiken für ihre Forschung, um Ergebnisse zu erzielen, die sie sich wohl vorher gewünscht haben.

Ich möchte mit meinen Worten nicht alles schönreden, denn so ist es leider nicht. In unseren Einrichtungen ist uns bewusst, welche Herausforderungen diese Jugendlichen haben und wie die Politik oft die Lebensbedingungen dieser Menschen bestimmt. In unserer Arbeit sind wir bestrebt, die Belastungsfaktoren zu erkennen, um sie dann zu beseitigen, und nicht, die Jugendlichen als Kriminelle oder Sündenböcke für das Versagen der Politik darzustellen.

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