
Edda Schneider zieht Sohn Magnus vor und lässt dafür ihr politisches Engagement vorerst ruhen. Für Frauen während der Schwangerschaft und mit Kind sieht sie die Voraussetzungen auf lokalpolitischer Ebene nicht gegeben. © Greis
Mit Kind ein politisches Ehrenamt? Für Edda Schneider (33) unmöglich
Politik in Holzwickede
Wie lässt sich politisches Engagement mit der Mutterrolle vereinbaren? „Gar nicht“, sagt Edda Schneider. Sie hat versucht, Ratsmandat und Kinderbetreuung zu verbinden – vergeblich.
Im Herbst 2019 wurde Edda Schneider zur Ratsfrau für die FDP ernannt. Drei Jahre später gibt sie ihr Mandat ab. Im vergangenen Jahr kam Sohn Magnus auf die Welt und Schneider merkte schnell: Lokalpolitisches Engagement und Baby, das will nicht recht zusammenpassen. „Es war auch schon in den Monaten vor der Geburt problematisch. Ich hatte eine Risikoschwangerschaft, da ist Lars oft bei Sitzungen eingesprungen“, so Schneider und meint den Fraktionsvorsitzenden Lars Berger.
Zwei Sitze im 33-köpfigen Gemeinderat besetzen die Liberalen. Zuzüglich elf offizieller Fachausschüsse teilen sich zwei Köpfe zwar nicht alle Termine untereinander auf, sind auch Sachkundige Bürger in die Fraktionsarbeit samt Vorbereitung und Nacharbeiten eingebunden.
Hier zeigt sich in der Besetzung aber, dass Schneider zuletzt bereits ins zweite Glied rücken musste und beispielsweise nur als Vertreterin in den Ausschüssen für Familien- und Wirtschaftsthemen geführt wurde.
Mutterdasein ist in der politischen Arbeit kein Thema
Weder die Gemeindeordnung NRW noch die Geschäftsordnung für Rat und Ausschüsse der Gemeinde geben vor, wie oft ein Ratsmitglied entsprechenden Sitzungen fernbleiben darf. „Auch in der Fraktion haben wir keine Pflicht, einer bestimmten Anzahl an Sitzungen beizuwohnen“, sagt Schneider. Sie will diesen Umstand aber gar nicht ausreizen: „Wir kleben nicht an Stühlen. Es ist schade, aber ich muss jetzt eben andere Prioritäten setzen“, sagt die 33-Jährige.
Sie und ihr Mann sind selbstständig, ihre Eltern leben nicht mehr, die des Ehemannes wohnen nicht in der Nähe. Die kleine Familie muss sich weitgehend selbst organisieren. Schneider kritisiert, dass für politische Arbeit im Ehrenamt die Rahmenbedingungen fehlen, um auch als junge Mutter mitzuwirken. „Endlos lange Debatten kann ich mir einfach nicht leisten.“
Mit dem Rathaus als Baustelle fehlten insbesondere in Holzwickede auch räumliche Voraussetzungen, um das Mutterdasein mit politischem Engagement zu verbinden. Ob Rausinger Halle oder Forum des Schulzentrums als Sitzungsort: „Wo soll ich denn da hin, wenn ich stille?“
Dank des Familienbüros und seiner Angebote darf sich Holzwickede zwar seit Februar als „stillfreundliche Kommune“ bezeichnen, „aber gerade mit einer Frau an der Gemeindespitze würde man da doch mehr erwarten“, findet Schneider.
Sie bezweifelt, dass etwa eine Sitzungsunterbrechung zur Still- oder Wickelpause ohne Murren von den Stühlen realistisch wäre. „Ich hatte Magnus in offizieller Funktion etwa bei der Einweihung des DRK-Standortes in Hengsen dabei. Offen hat sich daran niemand gestört, aber unterschwellig habe ich schon empfunden, dass das nicht als selbstverständlich angesehen wurde.“

Ein Drittel Frauen: Die Mehrheit im Rat der Gemeinde stellen Männer. Für Edda Schneider sind es auch fehlende Rahmenbedingungen für Mütter, die politisches Engagement von Frauen verhindern. © Greis
Viele Unternehmen seien in der Thematik weiter, aber in der Politik spiele das Mutterdasein kaum eine Rolle. „Andere Ratsfrauen haben mir auch gesagt, dass das System ungerecht ist. Für den Mann ist es im Zweifel einfacher zu sagen: Ich gehe jetzt mal zwei Stunden in den Rat.“
Übergangsmandat könnte Eltern kleiner Kinder helfen
Zumindest würde sich Edda Schneider im Sinne der Gleichberechtigung wünschen, dass die Regeln für ein Ratsmandat auf die Situation von Müttern angepasst würden. Schneider legt ihr Mandat freiwillig nieder. Dann greift eine Nachrückerliste, Parteikollegin Ritva Heldt wird für sie übernehmen. „Ich muss bis zur nächsten Kommunalwahl warten, kann mich dann wieder aufstellen lassen“, sagt Schneider. Die bürokratischen Vorgaben sind aus ihrer Sicht zu unflexibel.
„Es wäre schon geholfen, würde es beispielweise ein einjähriges Übergangsmandat geben.“ Das könne einerseits dafür sorgen, dass Frauen nicht die Lust am politischen Mitgestalten verlieren. Und: „Es wäre auch für Träger eines solchen Übergangsmandats eine Erfahrung, die Lust auf Politik machen kann“, sagt Schneider.
Lust auf Politik hat sie noch, zieht ihren bald Einjährigen aber selbstverständlich vor. Da bleibe auch wenig Spielraum, um sich etwa als Sachkundige Bürgerin in die Fraktionsarbeit einzubringen. Frühestens 2025, wenn die nächsten Kommunalwahlen anstehen, sei eine Rückkehr denkbar. Bis dahin zählt vor allem: Magnus.
Jahrgang 1985, aufgewachsen auf dem Land in Thüringen. Fürs Studium 2007 nach Dortmund gekommen. Schreibt über alles, was in Holzwickede passiert. 17.000 Einwohner mit Dorfcharakter – wie in der alten Heimat. Nicht ganz: Dort würden 17.000 Einwohner locker zur Kreisstadt reichen. Willkommen im Ruhrgebiet.
