Nach einer mehrwöchigen Sommerpause ist am Bochumer Landgericht der Schwarzarbeit-Prozess gegen einen Werkstatt-Chef (42) aus Oer-Erkenschwick und zwei Mitangeklagte fortgesetzt worden. Läuft alles nach Plan, dann wollen die Richter am nächsten Prozesstag (10.9.) nicht nur die Plädoyers entgegennehmen – sondern auch die Urteile verkünden.
Im Mittelpunkt des inzwischen elften Verhandlungstages stand das von Werkstattchef-Verteidiger Lars Brögeler angestoßene Thema Schadenswiedergutmachung. Insbesondere für die Bemessung der in Kürze zu findenden Strafe dürfe dieser Plus-Punkt für den Werkstatt-Chef nicht unerwähnt bleiben, argumentierte der Dortmunder Verteidiger.
Worauf der Verteidiger genau anspielte, wurde dann schnell klar: Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wegen Schwarzarbeit und Beitragsvorenthaltung waren bei dem Werkstatt-Chef mehrere „hochpreisige Fahrzeuge“ (darunter offenbar auch ein Ferrari) beschlagnahmt worden, wie es hieß.
Die Sportwagen hatte der Werkstatt-Chef später, um sie offenbar bestmöglich veräußern zu können, gegen eine Bargeldeinzahlung wieder ausgelöst. Staatsanwalt Klaus-Peter Kollmann bestätigte den beim Amtsgericht Bochum vom Hauptangeklagten hinterlegten Betrag: 544.841 Euro.
Auch dass er bereits mit den Finanzbehörden mit Blick auf einen erzielten 420.000-Euro-Gewinn aus der umstrittenen Gleisbausicherungsfirma eine Einkommensteuer-Lösung gefunden haben will, möchten der Werkstatt-Chef und seine Verteidiger gerne als weitere Plus-Punkte erwähnt wissen. Ebenso die Abgabe einer Bürgschaft für eine Eigentumswohnung.
Bei allen potenziell für den Werkstatt-Chef sprechenden Begleitumständen, musste der 42-Jährige am Mittwoch, 28. August, aber auch eine schlechte Nachricht entgegennehmen.
Laut Gericht hat die Staatsanwaltschaft nämlich inzwischen offiziell den Widerruf einer noch offenen, „alten“ Bewährungsstrafe beantragt. Dabei geht es um zwei Jahre Haft, die gegen den 42-Jährigen nach der gefilmten Schießerei vor seiner Oer-Erkenschwicker Werkstatt im Jahr 2017 verhängt worden waren.
Und die aller Voraussicht nach nunmehr – zusätzlich zu der ihm wegen des Schwarzarbeits-Komplexes drohenden Haftstrafe - doch noch von ihm verbüßt werden müssen.
Die Anklage beziffert den durch betrügerische Geschäfte der von dem Werkstatt-Chef mutmaßlich geleiteten Gleissicherungsfirma entstandenen Schaden insgesamt auf mehr als zwei Millionen Euro. Durch überhöhte Rechnungen sollen Auftragsgeber, durch Schwarzarbeit die Sozialversicherungskassen, durch Scheinrechnungen die Finanzkasse finanziell geschädigt worden sein.
Finanzspritze aus Berlin
Der Werkstatt-Chef hatte zum Auftakt über seinen Anwalt Lars Brögeler in einem in seinem Namen verfassten Statement erklären lassen: „Ich habe große Sch... gebaut.“
Mit geliehenem Geld (200.000 Euro) von einem Verwandten aus Berlin und einem Freund habe er sich in die mutmaßliche Betrugsfirma eingekauft. Es habe geheißen, er könne sich „eine goldene Nase verdienen“, daraufhin habe er investiert.
Im weiteren Prozessverlauf hatte der 42-Jährige dann aber mehr und mehr Zweifel an einer uneingeschränkten Verantwortungsübernahme erkennen lassen. Und stattdessen indirekt den zwei Mitangeklagten aus Recklinghausen und Bottrop die Rolle der faktischen Geschäftsführung zugeschrieben.
„Würde man mich aus dem Spiel rausnehmen, hätte die Firma hundertprozentig genauso weiterfunktioniert. Das würde bei den Beiden aber anders aussehen“, hatte der Werkstatt-Chef zuletzt im Rahmen eines Gedankenspiels erklärt.
Am 22. Juni 2023 war der 42-Jährige am Rande eines Großeinsatzes in seiner Werkstatt vorläufig festgenommen worden, später gegen 100.000 Euro Kaution von weiterer U-Haft verschont worden. Der Prozess wird fortgesetzt.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 29. August 2024.
Werkstatt-Chef aus Oer-Erkenschwick lobt kriminellen Coup: „Ich will Dir ein Geschenk geben, Bruder“