Niederlande planen Mini-AKW an der Grenze zu NRW Regierung stellt 65 Millionen Euro bereit

Niederlande planen Mini-AKW an der Grenze zu NRW: Kabinett stellt 65 Millionen bereit
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In Deutschland wurden erst vor kurzem die letzten drei Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland abgeschaltet. Damit ist die Ära der Kernkraft für die Stromerzeugung in Deutschland mit dem bereits 2011 beschlossenen Atomausstieg zu Ende gegangen.

Die Niederlande gehen nun den gegenteiligen Weg: Sie wollen in Zukunft stärker auf Atomkraft setzen und planen dafür den Bau mehrerer Kraftwerke. Unter anderem sollen auch in der Grenzregion zu Nordrhein-Westfalen AKW entstehen. Den Grundstein dafür hat das Kabinett der niederländischen Regierung am Mittwoch (26. April) gelegt, als es ein ehrgeiziges Klimapaket vorgestellt hat.

Geplant ist demnach eine Reduzierung der CO2-Emmissionen um 22 Megatonnen im Jahr 2030. Damit soll das Ziel 55 Prozent weniger Kohlendioxid-Ausstoßes im Vergleich zum Jahr 1990 erreicht werden. Die Koalitionsparteien hoffen sogar auf 60 Prozent.

Dafür hat das Kabinett nun 120 Klimaschutzmaßnahmen vorgestellt, für die 28 Milliarden Euro bereit stehen sollen. Unter anderem soll Energiesparen beim Gas mit einer niedrigeren Steuer belohnt werden. Außerdem werden Solarpanels im Mietsektor bezuschusst und in die Klimafreundlichkeit von Wohnhäusern investiert. Dagegen soll der Preis für Benzin nach und nach steigen.

65 Millionen Euro aus dem Klimapaket sind für die Erforschung des Baus kleiner Kernreaktoren vorgesehen - sogenannte „Small Modular Reactors“ (SMR).

Zwei neue Atomkraftwerke bis 2035

Bereits Ende 2022 hatte die niederländische Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte den Bau von zwei neuen Atomkraftwerken bekannt gegeben. Sie sollen bis 2035 fertig gestellt sein. Gebaut werden sollen sie im Südwesten des Landes, in der Provinz Zeeland. Dort steht auch das bislang einzige aktive AKW in den Niederlanden.

Das AKW „Borssele“ ist seit 1973 in Betrieb und soll voraussichtlich erst 2033 abgeschaltet werden. Grund für den Bau der zwei neuen Reaktoren ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die dadurch entstandenen Versorgungsengpässe beim Gas.

Mit einer Kapazität von 1000 bis 1650 Megawatt sollen die Reaktoren bis zu 13 Prozent der niederländischen Stromproduktion liefern. Laut Ministerium soll die Betriebsdauer des bestehenden AKW in Borssele zudem über 2033 hinaus verlängert werden.

Bis Ende der 90er stand das zweite niederländische AKW „Dodewaard“ in der Provinz Gelderland, rund 30 Kilometer von der Grenze zu NRW entfernt. Nun sollen in der Provinz Limburg, die ebenfalls an Nordrhein-Westfalen grenzt, die Mini-Kernkraftwerke entstehen.

Provinz Limburg Favorit für Bau von SMRs

Die Provinz Limburg teilt eine lange Grenze mit NRW, reicht von Kleve im Norden bis Aachen im Süden. Die Region möchte weg von der fossilen Energie, weshalb sich Unternehmen, Behörden, Forschungsinstitute und mögliche Investoren zu einer „Allianz Atomenergie“ zusammengeschlossen haben.

Auch die Provinzregierung setzt sich für Atomkraftwerke ein. Sie hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, der zu Folge der Bau von Mini-AKW technisch möglich sei. Ein „großes“ Atomkraftwerk hätte dagegen in Limburg keinen Platz. Für den Bau der kleinen Kraftwerke fehlt aber noch der politische Beschluss.

„Unser Bedarf an Energieträgern steigt und gleichzeitig wollen wir fossile Quellen loswerden. Deshalb setzen wir auf möglichst viel Solar- und Windenergie und arbeiten an ausreichenden und nachhaltigen Energiequellen für 2030 und darüber hinaus“, sagt Maarten van Gaans-Gijbels von der Regierungspartei D66. „Bei der Suche nach dem neuen Energiemix nimmt die Kernenergie einen nachdrücklichen Platz ein.“

Ein möglicher Platz für die SMRs könnte der Industriepark Chemelot in Sittard-Geleen sein, der rund 30 Kilometer von Aachen entfernt liegt. Die Chemie-Fabrik ist einer der größten Energie-Verbraucher Limburgs. „Wir unterstützen daher den Allianzprozess“, so Chemelot-Direktor Loek Radix.

Insgesamt sollen mehrere Mini-AKW in Limburg gebaut und frühestens 2030 in Betrieb genommen werden. Bevor der Beschluss dazu fällt, werden aber noch die Bürger der Provinz dazu befragt. Die Abstimmung ist noch in diesem Jahr geplant.

Kritik aus NRW am niederländischen Vorhaben

In NRW werden die niederländischen Pläne zum Bau mehrerer Mini-AKW kritisch gesehen, vor allem von Seiten der Grünen in der Landesregierung. „Investitionen in erneuerbare Energien sind die Antwort auf die Versäumnisse der Vergangenheit“, sagt Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur gegenüber der WAZ. „Die Errichtung neuer Reaktoren lehne ich daher ab.“

Demnach äußerte auch das Wirtschaftsministerium Bedenken, dass die SMR-Technologie dieselben Risiken der Nutzung der Kernenergie beinhalte. „Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger steht an erster Stelle“, so das NRW-Ministerium.

Mona Neubaur, Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen
Mona Neubaur, Wirtschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen © picture alliance/dpa

Laut WAZ nimmt die Provinzregierung in Limburg die Bedenken aus NRW Ernst. „Wir müssen die Sicherheitsbedenken der Menschen sehr ernst nehmen und werden lediglich einen Beschluss fassen, wenn die Sicherheit gegeben ist“, heißt es.

Was sind „Small Modular Reactors“?

„Small Modular Reactors“, kurz SMR, sind Kernreaktoren, die deutlich kleiner sind als die herkömmlichen AKW. Sie können in Fabriken hergestellt werden und erreichen maximal eine Leistung von 300 Megawatt. Zum Vergleich: Große Atomkraftwerke liegen bei mehr als 1000 Megawatt Leistung.

Laut Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) könnten SMR potenziell sicherheitstechnische Vorteile gegenüber Atomkraftwerken mit großer Leistung erzielen. Das liegt unter anderem daran, dass sie geringeres radioaktives Inventar pro Reaktor aufweisen. Gleichzeitig bräuchte es aber viele zehntausend solcher Anlagen, um weltweit die selbe Leistung zu erzielen, wie es die herkömmlichen AKW bisher tun. Das wiederum würde das Risiko um ein Vielfaches erhöhen, schreibt das BASE.

Zudem bleibt die Frage, wo die radioaktiven Abfälle gelagert werden sollen. Wo die Niederlande diese nach dem Bau mehrerer SMRs endlagern wollen, ist bisher nicht bekannt. Möglicherweise könnte der Abfall in der Provinz Zeeland landen, wo auch der Atommüll des bisher einzigen niederländischen AKW gelagert wird.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 28. April 2023.

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