In Folge des neuen Erdbebens in der südosttürkischen Provinz Hatay sind in Syrien Menschenrechtsaktivisten zufolge mindestens fünf Menschen gestorben. In den Orten Aleppo, Tartus und Hama seien Anwohner in Panik geraten und hätten etwa Herzstillstände erlitten, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstagmorgen mit. Unter den Todesopfern sei auch ein Kind, dessen Herz den Angaben zufolge stehen geblieben sei.
Mehr als 500 Menschen wurden den Angaben nach zudem verletzt, davon mindestens 350 in den von der Regierung kontrollierten Regionen und 150 in den Rebellen-Gebieten. Viele Menschen seien in Panik von Gebäuden gesprungen oder von Trümmern getroffen worden. Auch der Chef der Rettungsorganisation Weißhelme, Raed al-Saleh, meldete 150 Verletzte für die syrischen Regionen, die von Rebellen gehalten werden.
Viele Menschen hätten die Nacht bei eisigen Temperaturen wieder draußen verbracht, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle weiter. Auch bei dem erneuten Beben seien Häuser eingestürzt.
Hatay'da meydana gelen 6,4 büyüklüğündeki deprem, araç içi kamerasına yansıdı https://t.co/SqXwBL9yly pic.twitter.com/FUkmcglOj3
— ANADOLU AJANSI (@anadoluajansi) February 20, 2023
In der Türkei stieg die Zahl der Todesopfer nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf sechs. Die Rettungskräfte hätten in der Provinz Hatay in der Nacht drei Tote aus den Trümmern geborgen, berichtete Anadolu am Dienstag. Zuvor waren nach offiziellen Angaben bereits drei Menschen ums Leben gekommen. Fast 300 Menschen wurden demnach verletzt, 18 davon schwer.
Ein Erdbeben der Stärke 6,4 erschütterte am Montag die südosttürkische Provinz Hatay. Menschen liefen in Panik auf die Straße, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Das Beben war auch im Norden Syriens und bis in den Libanon zu spüren. Am 6. Februar hatte früh morgens ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag in beiden Fällen in der südtürkischen Provinz Kahramanmaras. Mehr als 47.000 Menschen kamen bislang ums Leben.
Baerbock und Faeser reisen in Erdbebengebiet in der Türkei
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wollen heute in der südosttürkischen Erdbebenregion weitere Hilfsgüter übergeben und sich ein Bild von der Lage der Menschen machen.
Nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amtes in Berlin sind auch Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von in der Türkei und in Syrien arbeitenden Hilfsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen geplant. In der weiter nordwestlich gelegenen und ebenfalls stark betroffenen Region Kahramanmaras wollen die Ministerinnen in einer Zeltstadt mit Erdbebenopfern und Helfern sprechen.
Welthungerhilfe: Mehr Hilfe für syrische Erdbebenopfer
Die Welthungerhilfe mahnte kurz vor dem Besuch der Ministerinnen mehr Hilfe für die betroffenen Syrer an. „Insbesondere in Nordwestsyrien kommt bisher immer noch zu wenig von der dringend benötigten Unterstützung an“, sagte der Generalsekretär der Hilfsorganisation, Mathias Mogge.
Die Öffnung weiterer Grenzübergänge zwischen der Türkei und Syrien sei ein Anfang. „Aber nun müssen endlich Hilfsgüter wie Wasser, Medikamente, Nahrung und Zelte schnell in ausreichenden Mengen geliefert werden.“

Mitarbeiter vor Ort berichteten, „dass sich die Menschen in den syrischen Erdbebengebieten zum zweiten Male von der internationalen Staatengemeinschaft im Stich gelassen fühlen“, sagte Mogge. Die Welthungerhilfe leiste mit lokalen Partnern Überlebenshilfe, aber die Not sei riesig. „Wir werden einen langen Atem brauchen, um den Opfern des Erdbebens nicht nur beim Überleben sondern auch in der ersten Phase des Wiederaufbaus zur Seite zu stehen“, sagte er voraus.
Gespräche mit Opfern und Helfern in Zeltstadt geplant
Baerbock und Faeser wollten sich gut zwei Wochen nach den Erdstößen zunächst am Flughafen der Stadt Gaziantep über mögliche Probleme bei der Abwicklung der Hilfslieferungen informieren. Dort sollen auch weitere Hilfsgüter des Technischen Hilfswerks (THW) an den türkischen Katastrophenschutz übergeben werden.
Von dem Flughafen aus werden die Hilfslieferungen sowohl für die Türkei als auch für den ebenfalls stark betroffenen Nordwesten Syriens abgewickelt. Ob es auch ein Treffen mit türkischen Regierungsvertreter gibt, war zunächst unklar.
Wie läuft die erleichterte Visa-Vergabe?
Die beiden deutschen Ministerinnen planten auch den Besuch eines der wiedereröffneten Visaannahmezentren und eines neu eingerichteten mobilen Visaannahmebusses. Erdbebenopfern soll mit Drei-Monats-Visa ermöglicht werden, übergangsweise bei nahen Angehörigen in Deutschland unterzukommen.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes hat Deutschland gut eine Woche nach der Einführung des vereinfachten Visa-Verfahrens einer „zweistelligen Zahl“ von Menschen aus der Türkei Einreiseerlaubnisse erteilt. Weitere Anträge seien in Bearbeitung, hieß es. Bis Freitagnachmittag seien demnach 20 Visa ausgestellt worden.
Kritik am Verfahren war laut geworden, weil trotz des Versprechens einer unbürokratischen Hilfe für die Visaerteilung etwa ein gültiger Pass und ein biometrisches Foto benötigt werden. Kritiker monieren, diese seien angesichts der Zerstörung oft nicht zu beschaffen.
Deutschland hilft bisher mit 58 Millionen Euro
Bisher stellt Deutschland Hilfen in Höhe von 58 Millionen Euro für die Erdbebenopfer zur Verfügung - davon 8,2 Millionen Euro für Sachlieferungen, hieß es aus der Bundesregierung. Darunter seien etwa 200 Zelte für je zwölf Personen sowie Zeltausstattung wie Feldbetten, Schlafsäcke, Generatoren, Zeltheizung und Beleuchtung.
Laut Bundesregierung waren bisher 52 Helferinnen und Helfer sowie vier Rettungshunde des THW in dem Erdbebengebiet, 38 Einsatzkräfte und 3 Rettungshunde der NGO @fire, 43 Einsatzkräfte und 7 Rettungshunde von I.S.A.R. Germany sowie die Bundespolizei mit 25 Einsatzkräften und 5 Rettungshunden. Deren Einsätze seien abgeschlossen. Es seien noch weitere deutsche Hilfsorganisationen vor Ort. Eine abschließende Übersicht über die dort aktiven deutschen Nichtregierungsorganisationen liegt nicht vor.
dpa
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