
Der Sandman (Tom Sturridge) ist zurück in seinem Reich und macht sich daran, seinen Palast neu aufzubauen. © LAURENCE CENDROWICZ/NETFLIX
Netflix-Serie „Sandman“: 100 Jahre Einsamkeit für den König der Träume
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Bei Netflix läuft die erste Staffel des Mammutprojekts „Sandman“. Entstanden ist ein Genre-Cocktail, übervoll mit Zutaten, im Geschmack aber sehr unausgegoren.
Kein Wunder, dass der Kult-Comic „Sandman“ fürs Kino als unverfilmbar galt: Die Geschichte um den König des Traumreichs mäandert in alle Richtungen, hat so viel Personal, plündert so viele Genres (Horror, Mystery, Fantasy), dass sich etliche die Zähne ausbissen.
Die richtige Form für das Mammutprojekt ist eine Serie. Deren erste Staffel ist jetzt bei Netflix zu sehen. Sie schafft es aber auch nicht, alle Facetten des Stoffes unter einen Hut zu bringen, sondern wirkt erzählerisch und stilistisch wie ein großes Patchwork.
Tom Sturridge spielt den unsterblichen Halbgott
Von Mittelalter bis Moderne geht es durch die Zeit, London, Los Angeles und die Hölle sind die Schauplätze. Dazu das Reich der Träume, wo Dream alias Lord Morpheus alias Sandman herrscht. Tom Sturridge spielt den unsterblichen Halbgott mit der Null-Mimik eines Buster Keaton, optisch sieht er nach Gruftie und Dark Waver aus.
Die erste Folge kommt wie eine Gothic Novel daher. Ein Okkultist beschwört im Jahr 1916 die Geister, fängt zufällig den Sandman und sperrt ihn für 100 Jahre in einen Kristallkäfig. Dort schmachtet er, während sein Reich zerfällt und fleischgewordene Albträume die Welt heimsuchen.
Die Verdammten ziehen über totes Land
Das 20. Jahrhundert war nur katastrophal, weil Dream ohne Macht war. Ihm fehlten Helm, Sandsack, Rubin, seine magischen Insignien. Die will er zurück, als er auf freien Fuß kommt.
Die Suche führt zur Hölle, wo er mit Luzifer ein Gedanken-Duell ausficht. Die bilderstärkste Episode: Dämonen in Teufels Kathedrale, die Verdammten, die über totes Land ziehen. Auch die Traumebene generiert Schauwerte zwischen surreal und Kitschpostkarte.
Die letzten Folgen kreisen um ein ahnungsloses Mädchen
Brüche und Tonartwechsel sind gewöhnungsbedürftig. Kinderkram mischt sich mit Grusel, Serienmörder halten eine Convention ab, ein Perverser sammelt menschliche Augen. Folge 5 schildert ein bizarres Sozialexperiment und wirkt wie ein Fremdkörper. Folge 6 ist bloß eine Modenschau aus fünf Jahrhunderten.
Die letzten Folgen kreisen um ein Mädel, das nichts von seiner Macht ahnt: Fantasy von der Stange. Dann sind da Dreams Geschwister, „die Ewigen“. Einige brüten über dunklen Plänen gegen den Traumkönig.
Ein Genre-Cocktail, übervoll mit Zutaten, im Geschmack aber sehr unausgegoren.