
© Carlo Czichowski
„Nazis töten“: Aufregung um provokante Wahlplakate in Holzwickede
Bundestagswahl 2021
Wahlplakate sollen bewusst überspitzen. Wurde in Holzwickede der Bogen mit der Parole „Nazis töten“ überspannt? Juristisch ist der Sachverhalt jedenfalls klar.
Der Ortsverband der PARTEI hat wie viele andere Parteien in Holzwickede Plakate aufgehängt, um für die Bundestagswahl am 26. September um Wählerstimmen zu werben. Gerne nutzten die Wahlkämpfer der PARTEI freie Flächen über oder unter Plakaten der Konkurrenz, auffällig häufig im Umfeld der AfD.

An der Friedhofstraße hat die PARTEI direkt unter einem SPD-Plakat ihre Wahlwerbung angebracht. © Carlo Czichowski
Die darauf stehenden Parolen sind mitunter äußerst zynisch, haben mindestens in einem Fall inhaltlich einen doppelten Boden, der durchaus polarisiert. „Nazis töten“ steht auf einem Plakat, das die PARTEI direkt unter einer AfD-Werbung an der Chaussee angebracht hat. Außerdem gibt es noch weitere provokante Parolen wie „Hier könnte ein Nazi hängen“.
Ist das provokante Plakat der PARTEI rechtswidrig?
Gleich mehrere Leser beschwerten sich bei dieser Redaktion über den Inhalt solcher Plakate. Es enthalte eine unredliche Botschaft, die man hineininterpretieren kann. Sie sehen den Betrachter nämlich direkt aufgefordert, Nazis zu töten. Jemanden zu einer Straftat aufzurufen, so die Meinung der Kritiker, ist ziemlich geschmacklos und möglicherweise auch strafbar.
Bei dem Ortsverband der PARTEI kann man die Aufregung nicht nachvollziehen. „Wir verstehen das als Aussage, dass Nazis nunmal in der Vergangenheit Menschen getötet haben, aber auch heute noch“, sagt Lukas Kaldenbach, der ihre Fraktion im Holzwickeder Gemeinderat anführt. Nicht nur im Dritten Reich, sondern auch in der jüngeren Vergangenheit, etwa beim rechtsmotivierten Anschlag in Halle im Oktober 2019, würden Menschen bis heute der Gewalt von Nazis zum Opfer fallen.
„Die AfD hat einige Nazis unter sich“
Dass die umstrittenen Plakate oft über oder unter AfD-Plakaten zu finden sind, ist kein Zufall: „Die AfD hat einige Nazis unter sich. Die wollen wir eben nicht im Bundestag oder irgendeinem anderen Parlament in der Bundesrepublik haben. Wir sind froh, dass es hier in Holzwickede keine AfD gibt“, findet Kaldenbach. Wer die Botschaft auf eine andere Weise interpretiere, der gehöre möglicherweise sogar zu jener Gruppe, gegen die sie ein Zeichen setzen möchten. Mit anderen Worten: Die Provokation ist durchaus gewollt.
Juristisch ist die Sache jedenfalls klar: Tatsächlich ist ein ähnlicher Sachverhalt aus Ostwestfalen bereits rechtlich behandelt worden, nachdem entsprechende Plakate zunächst vom Staatsschutz beschlagnahmt wurden. Der PARTEI-Verband aus Bielefeld, der für die Plakatierung verantwortlich war, wehrte sich gegen die Beschlagnahme. Und bekam Recht. Die örtliche Staatsanwaltschaft hat den Inhalt geprüft und hält ihn für zulässig.
„Nazis töten“: Wahlplakate sind laut Staatsanwaltschaft Bielefeld nicht strafbar
In der Begründung heißt es, die Beschlagnahme sei mangels strafbaren Inhalts der Plakate rechtswidrig gewesen. Die Aussagen stellten keine strafbare Handlung dar, sondern seien vielmehr von der Freiheit der Meinungsäußerungen gedeckt.

Dieser PARTEI-Slogan lässt wenig Interpretationsspielraum zu: Mit „FCK AFD“ bedient sie sich an einem rhetorischen Online-Trend, bei dem meist jüngere Menschen die Vokale eines Wortes weglassen. Zwischen „F“ und „CK“ gehört ein „U“ hin. © Carlo Czichowski
Weiter heißt es, Mitglieder der PARTEI Bielefeld hätten im Gespräch mit Polizeibeamten nämlich noch am Abend der Beschlagnahme erklärt, dass sie mit dem Slogan „Nazis töten“ auf Morde von Nazis hinweisen – und eben niemanden zu einer Straftat aufrufen wollten.
Das Fazit: Eine Strafbarkeit sei nicht gegeben, weil die Plakate keine ernstgemeinte Aufforderung zu einer Straftat beinhalteten. Eine gewisse Zweideutigkeit sei zwar erkennbar, im Gesamtzusammenhang sei der Inhalt aber eben nicht strafbar.
Das bedeutet: Die Plakate dürfen auch in Holzwickede hängen, auch wenn sie nicht jedem gefallen müssen.
1993 in Hagen geboren. Erste journalistische Schritte im Märkischen Sauerland, dann beim Westfälischen Anzeiger in Werne. Spielt in seiner Freizeit gerne Handball und hört Musik.
