Wenn Helmut Tewes über Unna sprach, hatte man nicht den Eindruck, dass es um die eigene Stadt ging – was überraschen mag bei einem Mann, der 30 Jahre lang einen Sitz im Stadtrat hatte.
Tewes war im Herzen Massener, was aber eben nicht den Stadtteil von Unna meinte, sondern die bis 1967 noch selbstständige Gemeinde. Dass Massen bei der Gebietsreform Teil der Stadt Unna geworden war, hielt Tewes für eine Art Unfall. Und als Ortsvorsteher war Tewes 30 Jahre lang das, was einem Massener Bürgermeister eben am nächsten kam.
Sprach Tewes von Unna, dann klang das oft nach „die da“, also distanz- und bisweilen vorwurfsvoll. Unna hat das Freizeitbad geschlossen. Unna hat sich die „Hochschule Unna“ auf die Straßenschilder geschrieben, während die Landesstelle stets die „Landesstelle Massen“ war. Zuletzt wollte Unna das Bürgerhaus abreißen, dessen Trägerverein Tewes vorstand. Unna war so etwas wie die Verkörperung schlechter Entwicklungen im Stadtteil.
Dabei hielt Tewes immer dagegen. Sein ausgeprägtes Stadtteildenken und die kritische Haltung gegenüber der Obrigkeit machten ihn zum gallischen Dorf in der Lokalpolitik.
Heimat in Massen und ein Herz für Frankreich
Nur während Asterix vermutlich aus der Bretagne stammte, nannte sich Tewes oftmals selbst einen „Normannen“. Der Lehrer, der in Unna am Ernst-Barlach-Gymnasium unterrichtete, war nicht nur ein wandelndes Lexikon der Massener Ortsgeschichte, sondern er hatte auch eine ausgeprägt frankophile Ader.
Zumindest bei kühlerem Wetter traf man Tewes draußen nicht ohne Baskenmütze und bei seinen Autos bevorzugte er eine französische Marke, die er für ein besonderes Flair schätzte. Und die Normandie war eben seine bevorzugte Reiseregion.
Tewes Reisen nach Frankreich dienten aber nicht nur dem Genuss eines entsprechenden Lebensgefühles, sondern standen auch im Geiste der Aussöhnung und Freundschaft zwischen zwei lange verfeindeten Völkern. Für den Französisch- und Geschichtslehrer lag darin kein Widerspruch. Tewes vereinte in sich eine Nachdenklichkeit, die selten in Schwere versank, mit einer Fröhlichkeit, die nie die Bodenhaftung verlor. Bis zuletzt war Tewes auch ein Kontaktmann für Unnas französische Partnerstadt Palaiseau.
Das System Tewes beruhte auf seinen guten Kontakten
Daheim in Massen war der Brückenbauer ein emsiger Strippenzieher. Wer Tewes in seiner Amtsstube unter dem Dach der alten Gemeindeverwaltung besuchte, bekam ein offenes Ohr und oft unbürokratische Hilfe, ob es nun um Dinge von öffentlichem Belang oder eher um persönliche Probleme ging.
Das System Tewes funktionierte dabei abseits der üblichen Laufwege in einer Stadt. Obwohl Mitglied des Stadtrates und der in Massen dominierenden SPD bewegte Tewes vor allem dadurch Dinge, dass er in seinem Ort nicht nur fast alle, sondern auch die richtigen Leute kannte und als Partner an seiner Seite wusste. Engagierte Massener und die Köpfe vieler Vereine arbeiteten daran, unbürokratisch Ideen zu verwirklichen, für die der Weg über Unna wohl ein deutlich längerer gewesen wäre.
Viele Mitglieder dieses Tewes-Netzwerkes sind inzwischen nicht mehr unter uns. Tewes selbst hat sich 2014 aus dem politischen Leben zurückgezogen und danach nur noch selten öffentlich zu Wort gemeldet. Nun ist Tewes gestorben. Er wurde 80 Jahre alt.
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